Kapitel •1•

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Brennon

Es war wahr, die Welt holte sich alles zurück. So war nichts vor dem Verfall geschützt, die Hauswände färbten sich in ein Moosgrün, die Autos zerfielen langsam in ihre Einzelteile zurück und auch die sauber gearbeiteten Straßen waren nicht mehr was sie einst waren. Die wilden Blumen hatten ihren Weg durch das dicke Gestein gefunden und blühten schöner denn je. Die hohen Gebäude der großen Städte waren zum Teil sehr verfallen, sie zu betreten also äußerst Gefährlich. Ohne den Einfluss der Menschen, die sie stetig in Schuss hielten, würden bald nur noch Trümmer übrig bleiben. Trümmer die ebenso von der Natur zurückgefordert werden würden, wie der Rest der menschlichen Zivilisation. Mehr als achtzig Prozent der Menschheit wurden durch das Virus ausgelöscht. Niemals würde Brennon den Tag vergessen, an dem er das erste Mal die schützenden Mauern verlassen musste. Er war noch ein Junge als die Krankheit die Zivilisation dahin raffte. Das alles musste beinahe siebzehn Jahre her sein. Kurz schien er darüber nachzudenken, zog sich sein rotes Cappy noch etwas mehr ins Gesicht und schützte es so vor der Sonne.
Es waren genau siebzehn Jahre, plus oder minus weniger Tage. Seine dunklen Locken schoben sich leicht unter der Mütze hervor, die lediglich seine helle, reine Haut vor der Sonne schützen sollte. Das Moos in den Straßen erinnerte einen beinahe an Brennons Augen, denn sie schienen ebenso Grün. Manchmal zog Sam ihn damit auf, verglich ihn mit Mülltonnen, die langsam unter dem Grün verschwanden oder alten Gebäuden, kurz vor dem Einsturz. Natürlich witzelte sie jedes Mal, denn Brennon war alles andere als klapperig und alt. Mit seinen einundzwanzig Jahren war er einer der jüngsten in der Gruppe, dennoch Jemand auf den die Gruppe zählte. Jeder von ihnen hatte etwas, in dem sie sonderlich gut waren, die einen im schießen, die anderen im Schleichen, wieder andere waren schnelle Läufer oder geschickt mit der Karte. Der Lockenkopf hingegen hatte irgendwie etwas von allem und da die Rate ihrer Verluste sehr hoch war, konnte er sich nur zu gut irgendwo einfügen, meistens direkt an der Spitze. In den letzten zwei Tagen hatten sie drei Leute verloren. Dort draußen wurde es immer härter, nicht nur die erschwerten Wetterbedingungen machten ihnen zu schaffen, die Toten bildeten immer größere Herden. Selbst auf dem Land, dort wo es bis vor ein paar Monaten noch sicherer schien, wimmelte es nur so von Ihnen.
So waren sie an jenem Tag nur zu sechst und ihre Mission eindeutig.

,,Und sie denken wirklich, dass der Sender es noch tut? Nach all den Jahren? Das letzte Mal als wir in die Nähe des Gebäudes kamen, war dieses beinahe komplett eingestürzt und die Skinner haben uns fast erwischt. All das ist eine dumme Idee, wenn ihr mich fragt."
Timothy schaute einmal in die Runde, seine müden Augen sagten in jenem Moment mehr als seine Worte es konnten. Er war Müde, hatte Angst und sah keine Chance auf Erfolg, so wie jeder von ihnen. Sein blondes Haar war bis auf wenige Millimeter abrasiert und vom weiten machte er eher den Eindruck als wäre er ein US Soldat, doch das Gegenteil war der Fall. Timothy war vor all dem ein Architekt, sogar ein wirklich erfolgreicher. Zusammen mit seiner Frau Lisa besaß er zudem mehrere Häuser, die er kurz vor dem Ende zu renovieren begonnen hatte. Über Lisa sprach er nicht viel, er hatte sie bereits verloren als er halb verhungert vor den Toren des Lagers aufgekreuzt war. Niemand wusste was mit ihr geschehen war und Niemand fragte danach.
,,Dich hat aber Niemand gefragt. Auftrag ist Auftrag. Wenn wir hier weg wollen und das ist der Plan, müssen wir uns zusammenreißen. Zwei Wochen noch, vielleicht auch drei, dann lassen wir all das hinter uns und machen uns vom Acker."
Niemand widersprach Brennon, denn er brachte lediglich auf den Punkt was jeder von ihnen dachte. Sie hatten keine Zeit für Zweifel und Ängste. Angst tötete Menschen, ebenso wie Zweifel und Alleingänge. Irgendwann war man es einfach Leid, Menschen sterben zu sehen. Und der Lockenkopf war nicht dumm, er wusste, dass er jeden einzelnen brauchte, das sie einander brauchten um all das irgendwie zu überstehen.
Timothy hatte schnell verstanden, das er den kürzeren gezogen hatte und musste sich mit seinem Schicksal arrangieren. Die Sonne stand hell am Himmel und damit war die Wahrscheinlichkeit einen Skinner zu treffen, sehr gering, zumindest draußen. In den tiefen Schatten der Gebäude sah es häufig anders aus. Dort verkrochen sie sich wie die Ratten und warteten nur auf ihre Chance. Je näher sie dem Ziel kamen und je weiter sie sich damit von den schützenden Mauern entfernten, desto angespannter wurde die Stimmung. Sie sprachen immer weniger miteinander und beobachteten die Umgebung dafür umso genauer. Wären nur Skinner das Problem, wäre die Welt zumindest noch einigermaßen zu ertragen. Doch mit der Zeit gönnten die Menschen einander immer weniger, die Gruppen begangen sich zu rivalisieren. Menschen töteten Menschen, jagten sich untereinander, beraubten sich wie Tiere und nahmen sich was sie begehrten. Vergaß man all diese Dinge, hatte diese Welt durchaus etwas ästhetisches an sich. Das Grün an den Mauerwerken der Gebäude erinnerte die Älteren oft an große Wiesen. Brennon erinnerte sich nur noch schleierhaft daran wie die Welt einst gewesen war, außer Fotos hatte er nicht viel gesehen und an sich war er damals zu Jung um wirklich etwas ernsthaft zu behalten. So konnte er manchmal nicht einmal zwischen Träumen und Erinnerungen unterscheiden.

𝐶𝑟𝑒𝑎𝑡𝑒 𝑎 𝑀𝑜𝑛𝑠𝑡𝑒𝑟Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt