Bald da

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„Elly, aufstehen, es gibt Frühstück!", mit diesen Worten wurde er am nächsten Morgen von seinem Vater geweckt, er war ein Morgenmensch und in der Früh immer so gut gelaunt, dass es manchmal sogar richtig nervte. „Ich habe Ferien und es ist 7:30 Uhr Dad! Und nenn mich bitte nicht „Elly", ich bin nicht drei Jahre alt!", erwiderte Elliot, noch halb am Schlafen. Sein Vater zog mit einem Schwung den Vorhang auf und grinst dann: „Okay Elly, ich wecke dich deshalb so früh, weil wir heute einkaufen müssen, du brauchst ein paar neue T-Shirts und lange Hosen, der Herbst kommt bald!" Mit diesen Worten verließ er das Zimmer. Elliot setzte sich langsam auf und grub sich dann gähnend aus seinem Bett heraus. Aber eigentlich hatte sein Vater recht, die Auswahl an T-Shirt, die ihm passten, war mittlerweile sehr knapp. Er schlurfte im Pyjama den Gang entlang zur Küche und setzte sich, immer noch gähnend, an den Tisch. Plötzlich viel ihm wieder der gestrige Abend ein: Da war ja noch was, das Internat! „Was für einen Tag haben wir heute?", fragte er, in den Ferien verlor er gerne mal die Orientierung, was die Zeit anging. „Der 7., wieso?", antwortete sein Vater, während er sich Marmelade auf ein Brötchen schmierte. „Oh scheiße, ich muss ja schon in fünf Tagen weg! ich hatte komplett die Zeit vergessen!", rief Elliot entsetzt. Das Lächeln seines Vaters verschwand, er schaute seinen Sohn an und sagte: „Ja, ich werde dich wirklich vermissen, aber du kannst ja an den Wochenenden nachhause kommen. Die beiden aßen schweigend weiter.

„Dad? Ich will meinen Rucksack packen, kannst du mir bitte die Sachen bringen, die wir gekauft haben?", brüllte Elliot durchs Haus. Es kam keine Antwort, aber ein paar Minuten später klopfte es an der Tür und sein Vater kam herein. Er legte die Tüte auf den Schreibtischstuhl, bevor er das Zimmer wieder verließ, warf er einen Blick auf Elliots Bett, seine ganzen Klamotten waren dort verteilt. Elliot nahm die Tüte hoch und verteilte auch noch dessen Inhalt auf seinem Bett. „Was brauche ich?", sagte er laut zu sich selber. Klamotten natürlich, Handy, Kopfhörer, ein paar Bücher, sein Tagebuch vielleicht? Nachdem er alles was ihm wichtig erschien in seinen Rucksack gestopft hatte, ließ er sich rückwärts auf sein Bett fallen und sah zu Decke. Er spürte die Aufregung in seinem Bauch, aber auch die Angst. Eine sehr unangenehme Kombination, es fühlte sich fast ein bisschen an, als müsste er sich gleich übergeben. Zur Ablenkung lief er in seinem Zimmer herum und suchte ein paar Fotos, Zeichnungen und Poster, er war sich nicht ganz sicher, aber in dem Internat Zimmer durfte man bestimmt ein paar Bilder aufhängen. Nur noch ein Tag, es war wirklich nur noch ein Tag, bis er umziehen würde, bis das Schuljahr anfing. Die letzten Tage waren sehr schnell vergangen, sein Vater wollte unbedingt jeden Tag irgendwas unternehmen.

„Elly, aufstehen!", an diesem Tag klang sein Vater noch motivierter als sonst, aber gleichzeitig auch traurig. Elliot sprang aus dem Bett, noch bevor sein Vater, wie immer, den Vorhang aufzog. „Warst du schon wach? So schnell bekomme ich dich sonst nur aus dem Bett, wenn es Kuchen gibt.", fragte er erstaunt. Elliot murmelte leise: „Mh, habe nicht gut geschlafen." Am Frühstückstisch war es leiser als sonst, der ganze Morgen verlief wortlos, bis zu dem Moment, in dem beide in das Auto stiegen. Sie unterhielten sich über alles Mögliche, nur nicht über den bevorstehenden Abschied und alles was darauffolgen würde. Je länger sie fuhren, desto ländlicher wurde die Umgebung, das Internat lag auf dem Land. Als man nach einer Zeit nur noch Kühe, Wiesen und Bäume sah und den beiden auch allmählich die Gesprächsthemen ausgingen, schaute Elliot seinen Vater an und sagte: „Dad, ich habe ein bisschen Angst." Obwohl er 16 war, fühlte er sich in diesem Moment wieder wie der 11-jährige Junge der er mal war, der Junge, der sich an seinem Vater festgeklammert hatte, weil er Angst vor seiner neuen Schule hatte. Sein Vater räusperte sich ein paar Mal und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Das kann ich verstehen, ich hätte auch Angst. Aber du schaffst das, du hast in deinem Leben schon so viel geschafft, dir sind schon so viele blöde Dinge passiert, das wird ein Klacks, glaub mir. Wenn irgendetwas ist, bin ich immer für dich da, auch wenn ich ein paar Kilometer weit weg bin. Wenn du mich brauchst, werde ich in mein Auto springen und zu dir fahren." Elliot lächelte, er war so froh, dass er seinen Vater hatte, er war immer für ihn da. „Glaubst du, ich werde mich mit dem Jungen, mit dem ich mir das Zimmer teile, gut verstehen? Ich könnte zwar auch in ein Einzelzimmer, aber ich fände es echt toll, wenn ich mich mit ihm ein bisschen anfreunden würde, oder so." fragte er. Sein Dad sah ihn an und antwortete, ohne zu zögern: „Wenn er kein Vollidiot ist, wird das bestimmt etwas. Du bist zwar meistens eher schüchtern, aber das ist ja nicht schlimm." Elliot nickte und sah wieder aus dem Fenster, als gäbe es draußen spannenderes zu sehen als Kühe, Felder und hin und wieder mal einen Bauernhof. Ein Blick auf das Navi verriet ihm: noch 13 Minuten Fahrt, seine Aufregung wurde immer stärker, aber auch die Freude. Er versuchte sich das Internat vorzustellen, ihm kam immer wieder das Bild von einer Burg oder einem Schloss in den Kopf und von Schüler*innen, die in roten Schuluniformen durch einen Rosengarten liefen. Er musste über sich selbst grinsen, er war ja nicht in einem Film.

Beste Freunde?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt