Prolog

637 59 16
                                    

Die Wüste war in Bewegung.
Der Sand schäumte, als erinnere er sich an die Zeit, in der er Wasser und Salz gewesen war, lebendiges Meer. Leben hatte in den Tiefen der ehemaligen Ozeane geherrscht, war bis an seine äußersten Grenzen geschwappt und hatte letztendlich die Finsternis verlassen, um sich das wilde Land Untertan zu machen.
Äonen waren seitdem vergangen, Hälse länger geworden, Schuppen und Klauen verschwunden, Städte in die Höhe geschossen und wieder zu Staub zerfallen. Ozeane ausgetrocknet, Eis gekommen und gegangen, Wüsten gewachsen, alles unter dem fernen Blau eines feindseligen Himmels.

Doch die Ordnung, die der Planet, die Wüste, diese Welt, sich gegeben hatte, schrumpfte in dem Moment zu einer nichtigen Kleinigkeit zusammen, als der Sand zu wogen begann. Die Luft schimmerte, wo sie es nicht sollte, wurde Glas, wurde Wasser, wurde Feuer und dehnte sich nach außen.
War es die Luft, oder war es etwas anderes? Alles?

Hätte noch das kleinste Lebewesen existiert in dem Ödland, das der Krieg hinterlassen hatte, wäre es geflohen vor den seltsamen Dingen, die in der sternenklaren Nacht geschahen. Denn die Luft selbst schien fliehen zu wollen, rauschte als Wind davon über die Dünen, versuchte noch, ein paar Sandkörner mit sich zu tragen, so weit weg wie möglich von dem silbernen Lichtschein. Es war, als würde alles den Atem anhalten, als letztendlich etwas aus der Höhe niederschoss, mit solcher Wucht aufprallte, dass der Sand kilometerhoch in die Luft geworfen wurde. Doch es war ja niemand da, um dieses Schauspiel zu betrachten. Niemand, bis auf zwei alte Bekannte, die weit entfernt über den Sand rannten.

Sie hatten die Masken abgenommen, doch die Kapuzen wieder tief in die Stirn gezogen. Die erste Gestalt drehte sich keuchend nach den Neuankömmlingen um. Der Wind wehte den dunklen Stoff fort und Wangenknochen wie aus Silber kamen zum Vorschein. Sie waren fremde seltsame Fische in einem toten Meer, fehl am Platz, abgestoßen. Doch wenn die beiden Fremden hätten fühlen können, dann wäre die Angst, die der Boden selbst ausstrahlte, ebenfalls in ihre Knochen gesickert. Die Panik des Windes, des Sands und des Wassers, das sich tief unter ihnen verbarg, schlug in dunklen wilden Wellen über ihnen zusammen. Wieder und wieder, während dort, wo die Realität sich zu silbernen Schwaden bog, beinahe vorsichtig jemand einen Fuß vor den anderen setzte.

„Sie sind hier", keuchte die erste Gestalt, „Sie hat sie gerufen."

„Bleib' nicht stehen", befahl die zweite Gestalt.

„Verloren", heulte die erste Gestalt, „Ich habe die Wette verloren."

„Das haben wir alle. Schnell jetzt!"

Doch die Erste konnte sich noch einen weiteren, brandgefährlichen Moment nicht von dem unwahrscheinlichen Anblick losreißen, der sich am Horizont bot. Dunkle Gestalten hatten sich auf dem Sand versammelt, eine ganze Armee aus verhüllten Wesen. Die Krieger bildeten ein Spalier für einen Lichtstrahl von Wesen, feingliedrig, hell, beinahe durchsichtig. Selbst aus dieser Entfernung blendete sie beinahe, als sie auf den Sand der Wüste hinaustrat, die sternenklaren Augen auf das kahle Land gerichtet, das sich vor ihrer Ankunft zusammenzukauern schien. Als würde es sich erinnern, wer diesem Planeten das Leben gnadenlos ausgetrieben und Ozeane zu Wüsten geformt hatte. Das alte Wesen setzte Kinderfüße auf die im Vergleich so junge Welt und diese Welt hielt in angstvoller Erinnerung den Atem an. Sie war gekommen, um zu Ende zu führen, was sie begonnen hatte.

Starpriests (Skythief pt. 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt