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Er tut es schon wieder.
Ich höre auf zu lachen und sehe enttäuscht zu ihm rüber.
Wieder ist da dieses Gefühl, das ich in letzter Zeit öfter spüre, als mir lieb ist.
Da er meinem Blick ausweicht, lache ich kopfschüttelnd auf und frage: „Was soll das?“
„Was soll was? … Ich würde das übrigens anders machen.“ Verwirrt sehe ich ihm dabei zu, wie er etwas auf dem Laptop tippt, der vor uns auf dem kleinen Schreibtisch steht.

Tyson wechselt also gerade wieder das Thema. Nachdem ich einmal resigniert ein und ausatme, richte ich meine Aufmerksamkeit ebenso wieder auf unser Mathe-Projekt.

Unsere Klasse hat die ehrenvolle Aufgabe bekommen, in Partnerarbeit eine Mathestunde vorzubereiten und letzten Endes
zuhalten.
Herr Meier sieht das als eine „pädagogisch wertvolle Aufgabe“, ich denke, er macht das nicht ganz ohne Hintergedanken. 12 Unterrichtsstunden nicht vorberieten zu müssen, erspart nämlich einen Haufen Arbeit. Doch dieser Haufen ist nicht einfach weg. Nein, wir dürfen ihn jetzt abarbeiten. Na, vielen Dank auch.

Während Tyson unsere PowerPoint Präsentation nochmals überarbeitet, gehe ich runter in die Küche, um mir etwas zum Trinken zu holen.

Noch bis vor zwei Wochen hatten er und ich kaum ein Wort gewechselt, doch mittlerweile fühle ich mich hier fast schon ein bisschen wie zu Hause. Also wirklich nur ein bisschen. Mit dem Gefühl des Zuhause Seins muss man sparsam umgehen.

„Na, kommt ihr gut voran?“ Strahlende Augen sehen mich an. Tysons Mutter Amelia stand vor der Kaffeemaschine. Automatisch lächle ich zurück.
„Geht so.“

Ich habe sie sofort ins Herz geschlossen. Wie könnte ich auch nicht? Sie hat diese Aura, bei der man sich einfach nur wohlfühlen kann.

Amelia will gerade mit ihrem Cappuccino in der Hand aus der Küche laufen, als sie sich zu mir
umdreht.
„Alles in Ordnung?“
Ich schaue von meinem Wasserglas auf: „Äh ja, wieso?“
Sie zuckt nur mit den Schultern und verlässt den Raum.

Ich bleibe nachdenklich zurück und werde mir dem Druck auf meinem Herzen bewusst.
Man merkt erst, was man hat, wenn es weg ist.
Es ist dieses Gefühl, wenn einem die Hoffnung genommen wird, bevor man realisiert, dass man sie überhaupt hat. Dachte ich wirklich ernsthaft, dass er mich dieses Mal nicht von sich stoßen würde?
Dass er nicht zu machen und mir damit einen Schlag mitten ins Herz verpassen würde?

Hoffnung ist was Bescheuertes.

Ich schlucke den Klos im Hals runter und laufe wieder nach oben in sein Zimmer.
Im Treppenhaus hängen Bilder, die eine Miniaturausgabe von Tyson zeigen. Frech und voller
Lebensfreude grinst er in die Kamera, mit seinem verstrubbelten, schwarzen Haar und diesen braunen Augen. Ich weiß, über 90 Prozent der Weltbevölkerung hat eine braune Augenfarbe, doch seine ist etwas Besonderes. Das weiß ich, obwohl ich noch nie die Chance gehabt habe, sie näher zu betrachten. Sofort stiehlt sich auf meine Lippen ein blasses Lächeln. Dieser junge hat so wenig und doch so viel mit dem gemeinsam, der oben auf mich wartet.

Schweren Herzens wende ich mich ab, wissend, dass mich oben zwei steife Mundwinkel erwarten, die nur selten Lachen.

„Na, Mr. Ich-bin-zu-cool-um-mit-Mädchen-Spaß-zu-haben.“
„Was soll denn der Spitzname?“
„Das weißt du ganz genau.“
„Ich dachte, wir hätten das geklärt.“

Er schaut mich nicht an, während er spricht, sondern starrt weiterhin auf den Bildschirm. Der kann mich mal. Nichts hatten wir geklärt. Vielleicht war für ihn ja alles klar, aber ich stehe hier mit ganz vielen offenen Fragen.

„Setz dich und sag mir, was du davon hältst.“
„Nein. Du sagst mir erst, was dein verdammtes Problem ist. Denn ich versteh es nicht.“
Endlich sieht er vom Bildschirm auf und dreht sich auf seinem Stuhl in meine Richtung.
„Ich kann dich nicht leiden. Das ist alles. Sei froh, dass ich mich so zusammenreiße, damit wir eine
gute Note bekommen. Denn das ist der einzige Grund, warum ich das alles hier mache, verstanden?“

Der warme Glanz ist aus seinen karamellbraunen Augen verschwunden und ganz tief in meinem Inneren zerbricht etwas. Doch das zeige ich ihm nicht, sondern setzte ein Fake-Lächeln auf und gehe ein paar Schritte auf ihn zu.

Um das Zittern meiner Hände zu verstecken, verschränke ich meine Arme vor der Brust: „Das war keine Erklärung.“

***

„Das hat er gesagt?!“, ruft meine Freundin Enna ins Telefon.
„Ja hat er. Aber ich kaufe ihm das immer noch nicht so ganz ab…“
„Na der hat vielleicht Mumm dir das direkt ins Gesicht zu sagen. Morgen in der Schule stelle ich mich vor ihn und sag ihm meine Meinung. Glaub mir, dagegen wird Ich kann dich nicht leiden harmlos
sein.“

Ich muss grinsen. Enna würde das, ohne mit der Wimper zu zucken, durchziehen. Da bin ich mir sicher, deshalb sage ich: „Lass mal lieber. Ich will echt keinen unnötigen Stress mit ihm anfangen.“
„Das wäre nicht unnötig! Er darf dich so nicht behandeln. Aber darüber können wir später
diskutieren. Was ist dann passiert?“

Ich erzähle ihr von meinem kleinen Mut Ausbruch, auf den ich zugegebenermaßen echt stolz bin.
Allerdings hatte er nicht den gewünschten Effekt, denn Tyson hat meine Sachen ohne ein weiteres Wort zusammengepackt und mich aus dem Zimmer geschoben.

Egal, ich bin trotzdem stolz.

„Das hättest du mir nicht erzählen dürfen, denn jetzt wird mich nichts und niemand aufhalten
können, ihn morgen zurechtzuweisen. Ich freue mich jetzt schon darauf. Wir müssen unbedingt ein Foto von seinem Gesichtsausdruck machen! Der wird so was von legendär sein! Ich sag’s dir. Sein schiefes Grinsen wird definitiv aus seinem Gesicht verschwinden.“

Während ich an sein Lächeln denke, lasse ich mich auf mein Bett fallen. Tyson hebt immer nur den rechten Mundwinkel, wenn er lächelt. Enna mag das überhaupt nicht, denn anscheinend hat das eine arrogante Wirkung. Doch ich bin anderer Meinung. Zumindest war ich das.

„Woran denkst du gerade, Nally?“
„Er hat es heute wieder getan.“
„Was hat er getan? Dich scheiße behandelt, von sich gestoßen und sich wie ein eingebildetes Arschloch verhalten? Das…“
„Du übertreibst!“, unterbrach ich sie, „Aber ich meine eigentlich etwas anderes… Er hat wieder beide Mundwinkel gehoben, als er gelacht hat.“

Enna lachte: „Oh oh, ich schlage hiermit die Alarmglocken! Wehe du verliebst dich in den Kerl.“
„Spinnst du? Nur weil ich auf sein Lächeln achte, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn mag.“
„Okay okay, schon gut! Einigen wir uns darauf, dass du ihn magst- nicht mehr und nicht weniger.“
„Denk was du willst.“
„Mach ich auch. Aber jetzt noch mal zu seinem Lachen: Weißt du, was ich nicht verstehe? Warum
zum Teufel zeigt er dir erst sein wahres Lachen, nur um dann komplett zu zumachen. Wovor hat er Angst?“

„Du meinst er hat Angst?“
„Vielleicht. Aber eigentlich habe ich keine Ahnung. Männer sagen immer, wir Frauen seien kompliziert, dabei sind sie es doch!“
„Das kannst du laut sagen…“
Enna unterbricht mich, indem sie lautstark in ihr Handy: „Jungs sind so scheiße kompliziert!“, ruft.

Ich schüttle lachend den Kopf und sage dann: „Wir finden schon noch heraus, was sein Problem ist.
Aber bitte mach das morgen nicht, okay? Dafür gebe ich dir auch eine Genugtuung.“
„Ich höre.“
„Ich mag sein schiefes Lächeln auch nicht mehr.“
„Wieso das denn?“
„Es ist nicht echt.“

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Huhuu:)

Was haltet ihr von den ersten Kapitel?
Macht es Lust auf mehr?

Wie findet ihr das Cover? Hihi

Let's believe♥️
Eure BELIEVER

Beginning To BelieveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt