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Während dem Sportunterricht kann ich mich absolut nicht konzentrieren. So gut es geht, versuche ich Tyson nicht anzusehen.
Für heute habe ich mir vorgenommen mit ihm zu reden, doch ich bin eher die Art Person, die Problemen aus dem Weg geht. Ich ignoriere negative Entwicklungen, verdränge die Anzeichen einer Veränderung und tue so, als wäre alles gut, so wie es ist. Oft rede ich mir ein, dass ich aus einer Fliege einen Elefanten mache und alles überdramatisiere, nur um es nicht ansprechen zu müssen. Es ist nicht so, dass ich nicht gerne über meine Probleme und Ängste rede. Im Gegenteil. Ich kann reden wie ein Wasserfall und auch tiefgründig. Allerdings fällt es mir unglaublich schwer, mit der Person, mit der ich ein Problem bzw. einen Streit habe, über unser Problem zu sprechen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Angst vor Veränderungen.

Die Tatsache, dass ich gegenüber Tyson mein Problem mit ihm bereits angesprochen habe, grenzt an ein Wunder. Doch heute gibt es kein Wunder. Heute muss ich es selbst in die Hand nehmen.

Ein Federball landet geradewegs gegen meine Stirn. Während ich die schmerzende Stelle reibe, werfe ich Enna einen zornigen Blick zu. Diese läuft zu dem Netz, das unsere Spielfelder trennt und winkt mich zu sich.
Ich atme resigniert ein, gehe aber schließlich zu ihr.

Sie griff über das Netz, um ihre Hände mit meinen zu verschränken. Wie wir da Stirn an Stirn stehen, das Netz aber immer noch zwischen uns, erinnerte mich an einen Gefängnisbesuch. Ich fühle mich tatsächlich ein wenig gefangen. Doch Enna ist immer da und besucht mich.

„Hey… Das wird schon.“ Meine beste Freundin lächelt mich durch die schwarzen karoförmigen Fäden aufmunternd an. Wie selbstverständlich hebe auch ich meine Mundwinkel, bevor ich für einen Moment die Augen schließe. Allein mit diesen wenigen Worten und ihrer Nähe, stärkt sie mich so sehr.

Als wir weiterspielen, spüre ich deutlich Tysons Blick auf mir. Automatisch optimiere ich die
Ausführung meiner Bewegungen, versuche möglichst elegant zu wirken und lache, um ihm zu
signalisieren, dass er mich nicht verletzt hat.

Dabei ist offensichtlich das Gegenteil der Fall.

„Okay, Bälle bitte festhalten und kurz zuhören.“, befahl unser Sportlehrer Herr Saalmann, „Wie letzte Woche auch schon wechseln wir wieder die Partner.“
Letzte Woche ist Tyson mit seinem Fake-Lächeln auf mich zugekommen und hat gesagt: „Erweisen Sie mir die Ehre und werden meine Partnerin.“ Ich habe lächelnd mit dem Kopf geschüttelt, während ich entgegnete: „Normalerweise formuliert man das als Frage.“
„Mir egal. Wir nehmen das hintere Feld.“ Während dem Spielen haben wir gelacht. Viel gelacht. Und zwar nicht irgendeines dieser aufgesetzten Lachen. Nein.
Es war echt.

Heute blickt er nicht einmal in meine Richtung. In meinem Kopf diskutiere ich mit mir selbst, ob ich zu ihm hingehen soll oder lieber nicht. Doch mir wird die Entscheidung abgenommen, denn Valina kommt fröhlich auf ihn zu gerannt. Zwar verstehe ich nicht, was sie sagt, aber es ist offensichtlich, dass sie gerne mit ihm Badminton spielen möchte. Einer von Tysons Mundwinkeln hebt sich und die beiden platzieren sich auf einem Spielfeld.

Lina winkt mir zu und ich will gerade zu ihr gehen, als plötzlich jemand vor mir steht. Dieser jemand ist so viel größer als ich, dass ich meinen Kopf in den Nacken legen muss, und heißt Luke.
„Warum bist du so groß?“
Er hebt seine rechte Augenbraue: „Ich bin nicht groß. Du bist einfach verdammt klein.“
„Auf das Beste reduziert.“, verbessere ich ihn. Mit meinen 1,58 Metern bin ich wohl wirklich ein Zwerg, doch das macht mir nichts aus. Eigentlich bin ich zufrieden mit meiner Größe. Riesig will ich sowieso nicht sein und als Zwerg ist es definitiv leichter einen Mann zu finden, der größer ist.
Allerdings habe ich keine langen Beine und sehe schneller dick aus.

Mit einem leichten Lächeln sagt er: „Du und ich spielen die Runde zusammen und dann kannst du mir mal erklären, was du mit Tyson gemacht hast.“
Wie war das mit der Emanzipation? Wird man als Frau jetzt nicht einmal mehr gefragt?

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