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Oh Gott Wecker, ich hasse dich!!! Ich will noch nicht aufstehen! Wieso tust du mir das an?! Die Wärme meiner Bettdecke ist einfach perfekt und das Kopfkissen so gemütlich wie noch nie. Ich kann jetzt nicht aufstehen.

Mein Wecker klingelt zum dritten Mal und mit viel Überwindung schwinge ich meine Beine über die Bettkante. Tief einatmen und wieder aus.
Meine Augen fallen wieder zu und ich bin kurz davor, mich einfach wieder rückwärts ins Bett fallen zu lassen. Doch ich zwinge mich dazu aufzustehen und mein kuscheliges Bett samt Lichterkette, die eine perfekte Atmosphäre erzeugt, hinter mir zu lassen.
Es zerreißt mir fast das Herz.

Meine einzige Motivation ist der Gedanke: Heute Nachmittag kannst du dich wieder ins Bett legen.

Ich finde Dienstage im Gegensatz zu den meisten Menschen am schlimmsten. Montags komme ich verhältnismäßig noch gut aus dem Bett, aber dienstags ist mein Durchhänger-Tag.

Da ich mit dem Fahrrad zur Schule fahre, ist meine Müdigkeit bis zum Unterrichtsbeginn schon fast
vergessen. Ich betone fast.

Herr Meier beginnt die Mathe-Stunde mit den Worten: „Ich möchte, dass ihr die letzte Doppelstunde heute nutzt. Also setzt euch zusammen und versucht fertig zu werden.“
Tyson ist noch nicht da. Genervt bleibe ich an meinem Platz sitzen, während um mich herum Stühle
gerückt werden und sich alle an die Arbeit machen.

Als ich gerade meinen Block raushole, um aufzuschreiben, was wir noch erledigen müssen, höre ich Enna sagen: „Mr. Ich-bin-zu-cool-um-mit-Mädchen-Spaß-zu-haben, wo hast du dein schiefes Grinsen gelassen?“
Sofort fährt mein Kopf herum und ich erblicke Tyson im Türrahmen.

Obwohl Enna ihn angesprochen
hat und auch seine Freunde etwas zu ihm sagen, sieht er nur mich an. Ganz allein mir gilt sein
vernichtender Todesblick, den ich nur mit Mühe erwidere.

„Schön, dass auch Sie uns die Ehre erweisen, Kabisch.“, meinte unser Lehrer an Tyson gewandt.
Ich kann dich nicht leiden. Seine Worte schießen mir durch den Kopf und hinterlassen einen dumpfen Druck auf meinem Herzen. Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat, aber ich weiß, dass er es nicht so gemeint hat, oder?

Doch die Kälte in seinem Blick sorgt für Zweifel.
Langsam schüttelt er den Kopf, bevor er sich seinen Kumpels zuwendet. Ich drehe mich zu Enna um, die mir ein entschuldigendes Lächeln schenkt und dann ein lautloses Ups mit ihren Lippen formt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wütend auf meine beste Freundin sein sollte. Natürlich ist es nicht in Ordnung, dass sie meinen Spitznamen für ihn vor der ganzen Klasse verwendet, andererseits hat er es verdient.

Tyson lässt sich neben mich auf den Stuhl fallen und sieht mich weiter mit diesem Blick an, der mich einschüchtern könnte, ließe ich das zu. Doch ich habe mich dazu entschieden, nicht der Sündenbock für seine schlechte Laune zu sein und meine stattdessen mit einem unschuldigen Lächeln: „Ich weiß
gar nicht, was du gegen den Spitznamen hast.“
Leider geht er nicht darauf ein, sondern packt schweigend seine Sachen aus. Auch ich hake die
Situation ab und widme meine Aufmerksamkeit unserem Projekt.

Ich wage zu behaupten, dass das die schrecklichste Mathestunde meines Lebens ist. Tyson ist noch
wortkarger, als sowieso schon und strahlt eine wirklich sehr negative Energie aus.
Eigentlich bin ich gerade auf Diät, denn Beschwerden, Ärger, Selbstzweifel und Menschen, die einen runterziehen sind verboten. Und ich muss sagen, bisher schlage ich mich ganz gut.

Doch heute ist Dienstag und an diesem Tag bin ich besonders anfällig dafür nachzugeben und einen Cheat-Day einzulegen.
Sauer auf mich selbst, merke ich wie meine Laune immer schlechter wird und als ich beim Rausgehen in den Spiegel neben der Tür sehe, taucht die Stimme wieder in mir auf. Die Stimme, die ich ununterbrochen versuche aus meinem Kopf zu verdrängen.

***

Das Schöne an einem Samstag ist, dass man im Bett liegen bleiben kann und die Welt für einen Moment noch in Ordnung scheint. Man ist von Wärme umhüllt und kann selbst entscheiden, wann man bereit ist, sich dem Leben zu stellen.
Doch heute ist es anders.

Nach einem unruhigen Schlaf kreisten meine Gedanken bereits nach dem ersten Augenaufschlag um mein heutiges Treffen mit Tyson.
Wenn er genauso drauf sein sollte wie in Mathe, dann werde ich das nicht aushalten.

Es ist schon interessant, wie schnell sich die Dinge ändern können. Noch vor zwei Wochen war er nichts weiter als ein Junge, der in meinem Kurs war. Nichts Besonderes. Dann lernten wir uns näher kennen, lachten gemeinsam und neckten uns gegenseitig.

Ich hatte mich auf jedes einzelne unserer Treffen gefreut, denn ich kam jedes Mal mit einem fetten
Strahlen im Gesicht nach Hause. Doch auch das hatte sich wieder geändert. Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer wieso.
Irgendwas in ihm hat sich schlagartig von jetzt auf gleich gewendet, wodurch sich eine Mauer zwischen uns beiden errichtete.

Erinnerungen spielen sich in meinem Kopf ab. Ich lache auf und schüttle den Kopf. Es fühlt sich an, als wäre es schon lange her. Dabei war es erst vor einer Woche, dass wir unbeschwert miteinander Zeit verbracht haben!

Das Geschrei meiner Eltern unterbricht meine Gedanken. Um den Stich in meinem Herzen zu
verdrängen, atme ich tief ein und wieder aus. Zwar verstehe ich nicht richtig, was sie sagen, aber
dennoch weiß ich ganz genau, worum es geht. Es geht immer um das Gleiche. Jeder verdammte
Streit dreht sich um denselben Scheiß.

Frustriert schlage ich meine Bettdecke zurück und gehe ins Bad.
„Ich kann das nicht mehr.“, höre ich die zitternde Stimme meiner Mama. Es bricht mir das Herz, zu
spüren, dass sie jeden Moment in Tränen ausbricht.
Noch bevor ich die Badtür schließen kann, knallt eine andere Tür ins Schloss und Stille breitet sich im Haus aus.

Schnell drehe ich die Musik laut und widme mich dann meiner Morgenroutine. Dieser Ablauf, der immer gleich ist, gibt mir Kraft für den Tag.

Nachdem ich im Bad fertig bin, setzte ich mich an meinen Schminktisch und beginne mein Make-Up aufzutragen. Ich genieße die weichen Pinselstriche auf meiner Haut und wie mein Gesicht mit jedem Strich hübscher wird. Für das Contouring lasse ich mir besonders viel Zeit, da ich sehr viel Wert darauf lege mein Gesicht schmäler wirken zulassen und die Wangenknochen hervorzuheben.

Nachdem ich mit meiner äußeren Erscheinung zufrieden bin und gefrühstückt habe, gehe ich eine
Runde spazieren. Das gehört zu meinem Fitness-Plan, den ich streng durchziehe. Heute ist Rest-Day mit einem „Entspannungs-Spaziergang“.
Normalerweise verstehe ich unter Rest-Day einen Tag auf der Couch, aber ich muss mein Ziel erreichen.

Die Musik in meinen Ohren schaltet meine Gedanken aus und gibt mir Platz zum Atmen.

Beginning To BelieveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt