Eyla

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Nachher

Er saß am letzten Tisch in der hintersten Ecke, als wollte er sich verstecken. Wie dumm. Hätte er sich verstecken wollen, wäre es einfacher gewesen, gar nicht erst herzukommen.

»Dein Tisch, Eyla«, murmelte ihr Kollege im Vorbeigehen, seine Schritte schnell aber kontrolliert. Im Café ging es heute hektischer zu als sonst. Natürlich suchte sich Fabian einen solchen Tag aus, um sie nach fast zwei Jahren wiederzusehen. Den Rücken durchgedrückt marschierte sie auf Tisch Nummer 5 für eine Person zu.

»Also hat Theo doch gepetzt«, sagte sie anstelle einer Begrüßung.

Fabian bleckte seine weißen Zähne, als wäre auf der Jagd und nicht in einem Café das Kaffeestündchen hieß, lehnte sich zurück und grinste eines seiner falschen Macho-Grinsen, bei denen Eyla direkt hätte kotzen können: „Theo ist mein Freund. Ist doch klar, dass er es mir erzählt."

»Theo ist mein Kindergartenfreund«, murrt sie zurück und ärgert sich über sich selbst.

»Hab dich auch vermisst, Eyla.« Diesmal sprach er ohne die Aufreißerstimme und das Posen. Es hörte sich fast so an, als meinte er es ehrlich.

»Wirklich? Bin mir sicher, du hast dich gut ablenken können von dem langweiligsten halben Jahr deines Lebens«, gab sie zurück, nicht ganz so zuckersüß, wie sie gehofft hatte. Mehr verletzt. Immer noch. Scheiße.

Eyla war so mit den eigenen Gedanken beschäftigt, dass ihr nur am Rande auffiel, wie Fabians Schultern in sich zusammensackten.

»Du weißt, dass das nicht stimmt, oder?«

Ihre Hände umfassten den kleinen Schreibblock für Bestellungen fester. „Weiß ich das, Cevahir?«

Fabian schluckte und wich ihrem Blick aus. Wie damals.

Eyla streckte das Kinn vor. Nein, nicht wie damals. Sie war eine andere heute, jetzt, nicht mehr dieses kleine Mädchen, das ihren eigenen Körper und ihre Gefühle nicht verstand und sich deshalb für jemanden verbog, der selbst noch keine Ahnung hatte von dem, was er eigentlich wollte.

Wenn sie sich Fabian so anschaute, seinen unsicheren Blick, den er hinter noch größeren Muskelbergen verbarg, war sie sich nicht sicher, ob er sich mittlerweile gefunden hatte.
Anders als sie. Eyla fühlte sich wohl – in ihren Gefühlen und in ihrem Körper.

Trotzdem kribbelte es rastlos in ihr, seit sie ihren Exfreund am Tisch hat sitzen sehen.

»Was willst du hier, Fabian?«, fragte sie deshalb, fast schon in einem versöhnlichen Tonfall. Der Dunkelhaarige zuckte unbehaglich nur mit den Schultern.

»Hab mich von dem Plus einer Freundschaft getrennt, von der ich mir vielleicht, ein ganz kleines bisschen, mehr erwartet hätte.«

Eyla starrte ihn an. War das sein Ernst? Damit kam er zu ihr?
Erstaunlicherweise blieb sie ruhig, schaffte es, ihre Wut und Ungläubigkeit in der Kehle stecken zu lassen, anstelle sie hinauszuschreien.

»Und jetzt was? Trostfick von der Ex? Dein ernst? Wie dumm bist du?!«

Mit jedem weiteren Wort schien das Du-Arschloch langsam auch in Fabians Dickschädel anzukommen.

»Fuck!«, murmelte er, hob die Hände vor das Gesicht und vergrub sich darin. Als ob es ihm helfen würde: „Ich hätte Theo mitbringen sollen.«

Schnaubend verlagerte Eyla ihr Gewicht, warf einen Blick an den Nebentisch, an dem drei älteren Damen ihr ein unschuldiges Lächeln zu warfen.

»Theo kann dir nicht immer das Händchen halten«, sagte sie schließlich.

Zwischen seinen Händen meinte sie, ein angespanntes Lächeln hervorblitzen zu sehen: „Wusstest du, dass ich dachte, ihr beide wärt zusammen? Nachdem Theo den Unfall gehabt hatte und du ihn immer in der Klinik besucht hast?"

Wie oft konnte ein Mensch einem anderen mit seinen Worten den Boden unter den Füßen wegziehen?

»Bist du dumm?«

»Deshalb hab ich ihn angesprochen, als wir zusammen beim Optiker saßen.«

»Sonst hättest du ihn nicht angesprochen?!«

»Keine Ahnung, Eyla", seufzte Fabian, nahm endlich wieder die Hände vom Gesicht und schaute sie mit ehrlichem Blick an: »War nicht mein bestes Jahr, damals.«

»Ja, bin mir sicher, Theo würde das für sich auch so unterschreiben«, erwiderte Eyla sarkastisch.

Fabian nickte, einen fast schon stolzen Ausdruck in den Augen, den Elya noch nie an ihm gesehen hatte: »Ihm geht's jetzt besser.«

»Ich weiß«, sagte sie, wandte den Blick ab, auf ihren Bestellzettel, dessen Papprückrad sie mittlerweile erfolgreich gebrochen hatte. Und wie geht es dir hing in ihrem Hals, auf ihrer Zunge und schmeckte bittersüß.

Bevor sie es sagen konnte, bestellte Fabian einen Kaffee.

»-mit Sahne und-«

»- einem Stück Zucker, ich weiß. Dass du den immer noch so trinkst. Wie du diese Muskeln aufgebaut hast, FatFabian

Es war ein Schlag unter die Gürtellinie, das wusste sie. Aber Fabian schien ihn mit einem breiten Grinsen anzunehmen.

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Später

Es war der zweite Film und das einzige, was Fabian getan hatte, war, ihr eine Decke und Tee zu bringen, und doch Lilo und Stitch anzumachen, anstelle irgendeinem Teil von Fast and Furious.

Es brachte Eylas Herz dazu, sich in dem viel zu heißen Teebecher ersaufen zu wollen.

»Ich find's immer noch nicht... so fantastisch, weißt du«, murmelte sie nach einigen abkühlenden Pustern auf den Tee.

»Hm?«

»Sex. Daran hat sich nichts geändert. Und wird sich auch nicht, egal was... was auch immer das hier ist." Vielleicht hätte sie sich das vorher überlegen sollen, anstelle jede Woche aufs neue Fabians Einladungen zu folgen: „Asexualtität lässt sich nicht weg-daten.«

»Hm", machte Fabian nur, gähnte und legte einen Arm um ihre Schultern.

»Smooth, Cevahir." Aber sie kuschelte sich tiefer an seine warme Seite.

»Vielleicht will ich ja einfach, dass wir glücklich sind. Nur das.«

»Nur das, hm?«

»Nur das. Und dann schauen wir weiter.«

Grinsend sah Eyla Lilo dabei zu, wie sie Stitch nachjagte.

Fünf Formen LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt