Kapitel IX - Apocalypsis

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„Warum?"

Das Wort schallte durch die Katakomben wie Donnerhall. Regina zuckte zusammen. Ich wandte leicht den Kopf und erkannte Hope. Ich fühlte seltsame Wärme in mir aufsteigen, als ich meine Haarsträhne in Hopes Hand entdeckte.

Hope kam langsam auf uns zu. Jede Bewegung schien gewaltige Intensität zu beinhalten. Die hellen Augen schimmerten wie goldene Sonnen.

„Warum habt ihr das getan? Warum Waisen als Schlüssel zur Hölle missbrauchen?"

Asasel sah Regina an. Die Schwester biss die Zähne zusammen und straffte sich. Wut und Enttäuschung spiegelten sich in ihren Zügen wider.

„Sieh dich um", flüsterte sie. „Für einen unsterblichen Dämon ist es vermutlich unverständlich, aber wir Menschen müssen sterben. Unser Leben ist endlich. Wir wollten die Wahrheit herausfinden, die Wahrheit über ein Leben nach dem Tod." Sie zuckte zusammen, so als hätte sie jemand geschlagen. „Mein Leben lang war ich unsicher", flüsterte sie. „Warum lässt Gott so viel Leid zu? Niemand weiß es! Niemand kennt die Antwort! Aber ich brauchte eine Antwort! Ich musste sie wissen!" Regina wich zurück. Ihre Hände zitterten. Schweiß glitzerte auf ihrer Stirn.

„Eines Tages kam der Professor zu uns und bot uns eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit, endlich Gewissheit zu erlangen." Sie lachte auf. Dem Laut wohnte keine Freude inne.

„Ich wollte jemanden fragen. Ich wollte all die Antworten, all das Wissen. Aber ..."

„Aber Wissen konnte ich dir nicht geben", knurrte Asasel. „Ich bin ein Werkzeug, ein Knecht in der Hölle. Ich kenne die Wahrheit nicht." Er sah Hope an. „Du auch nicht, Lilim."

„Ich erinnere mich." Hope trat näher. Ich schluckte. Nackte Angst erfüllte mich.

Ich will nicht ... ich will nicht noch einmal ... das alles erleben ...

„Um das Tor zur Hölle zu beeinflussen, muss man die grässlichsten Sünden begehen, die sich ein Mensch überhaupt vorstellen kann", bekräftigte Asasel.

„Aber ich sehe da kein Tor", platzte Chloe heraus. „Hier ist nichts!"

Hope lächelte müde. „Man öffnet nicht wirklich ein Tor. Man trägt in Wirklichkeit nur die Realität Schicht für Schicht ab, bis die Grenze zwischen Erde und Hölle gering genug ist."

„Genug geredet!" Regina trat auf mich zu. Ihre Hände krümmten sich zu schrecklichen Klauen. „Wenn wir das Tor nicht versiegeln, werden die Einflüsse der Hölle in dieser Welt Fuß fassen!"

Ich sah Asasel flehend an. „Bitte nicht", flüsterte ich. „Bitte ..."

„Ich will nur zurück nach Hause", entgegnete Asasel schlicht. „Sonst sterbe ich."

Hope stellte sich schützend vor mich. „Aber nicht auf diese Weise."

Asasel sah überrascht auf. „Was?"

„In der Hölle waren wir Satans Werkzeuge", sagte Hope mit fester Stimme. „ Hier dienst du Regina und ich diene Luna. Diesmal stehen wir nicht auf derselben Seite."

Asasel hob betrübt die Hände. „Müssen wir wirklich noch einmal gegeneinander kämpfen?"

„Nur, wenn du sündigst", entgegnete Hope.

„Willst du etwa sterben?", brüllte Regina. „Auf dieser Welt wirst du vergehen!"

„Ihr Menschen versteht nicht, dass euer Leben Leid bedingt", entgegnete Hope. „Um Freude zu empfinden, muss man Leid erfahren. In der Hölle gibt es weder das eine noch das andere – nur quälende Ewigkeit."

Asasel erzitterte. „Ich habe keine Zeit mehr, Regina!"

„Lösch sie aus!", forderte Regina. „Na los!"

Hope sah mich an. Das Lächeln beruhigte mich.

„Luna?", fragte Hope. „Soll ich für dich kämpfen?"

Kinder der Hölle - eine LiebesgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt