kapitel drei

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kapitel drei
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04. Mai 2018

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DIE TÜR fällt hinter ihm ins Schloss, doch die hellen Glöckchen bimmeln weiter. Yoongi bleibt an der Schwelle stehen und verbeugt sich vor den zwei älteren Herren vor ihm, die er schon durch das Schaufenster entdeckte. Außer ihnen befindet sich keiner in der gemütlichen Teestube, die viel größer ist, als es von außen den Anschein hatte.

Die hölzerne Einrichtung strömt ein solch friedliches Gefühl aus, dass Yoongi sich fragt, wie moderne Cafés mit viel Glas, metallischen Akzenten und knallbunten Möbeln sich in der Fressmeile durchsetzen konnten. Nichts davon kann es mit der Heimeligkeit aufnehmen, die die flackernden Kerzen auf den sechs Tischen um ihn herum ausstrahlen. Außer ihnen tauchen nur zwei matt leuchtende Deckenlampen den Raum in ein schummriges Licht. Yoongi erkennt an der gegenüberliegenden holzgetäfelten Wand einen wuchtigen Apothekerschrank mit vielen kleinen Schubladen. Auf einer breiten Theke in einem fast schwarzen Holzton, welche den Arbeitsbereich von den Sitzgelegenheiten trennt, stehen eine Kasse, ein Herd und weitere Miniatur-Regale wie sie Yoongi schon am Schaufenster entdeckte.

In dieser ungemein gemütlichen Atmosphäre schimmern die sinkenden Zahlen über den Köpfen der beiden Herren in einem besonders schönen Silber. Sie haben ihr Baduk-Spiel unterbrochen und betrachten Yoongi neugierig. Gerade noch so passen auf die Tischfläche zwei fein gearbeitete Teebecher, aus denen Dampf empor steigt. Yoongi macht ein paar Schritte auf sie zu, die Dielen unter seinen Füßen knarzen dabei, und verbeugt sich erneut. »Guten Tag. Ich möchte mich auf die ausgestellte Stelle bewerben. Ist sie denn noch frei?«, fragt er.

»Du bist ja völlig nass!«, erkennt der rechte Mann, ein mindestens 70-jähriger Glatzkopf in einem wild karierten Hemd, bei dessen Anblick Yoongi etwas schwindelig wird.

»Komm mit, mein Junge. Ich gebe dir trockene Kleidung«, sagt der linke Mann und steht auf. Mit seinem grauen Ziegenbart und dem gleichfarbigen Dutt, zu welchem er seine vollen Haare zusammengebunden hat, erinnert er Yoongi an General Iroh aus der Serie Aang Herr der Elemente, die er als Kind über alles liebte.

»Oh, äh, das ist überhaupt nicht nö-«

General Iroh ignoriert seinen Protest und läuft an der Theke vorbei in einen Hinterraum, den Yoongi von hier aus nicht sehen kann.

»Worauf wartest du? Wünschst du dir eine Lungenentzündung? Mach schon, geh ihm nach!«, fordert der Glatzkopf. Yoongi tut wie geheißen und eilt General Iroh hinterher. Auch wenn er sich schlecht fühlt, weil er dem Mann solche Umstände macht, kann er nicht leugnen, dass er sich nach trockener Kleidung sehnt.

Kaum betritt er den hinteren Lagerraum, bleibt er wegen des überraschenden Anblicks direkt stehen. Außer auf der Fläche, die die Tür und ein kleines Fenster für sich beanspruchen, ist jede Wand von Regalen gesäumt, die bis zur Yoongis Schulter reichen. Ein beschriftetes Keramikgefäß reiht sich auf den Brettern an das nächste. Die Hälfte der Kräuternamen hat Yoongi noch nie gehört, aber das ist nicht das beeindruckendste.

Nein, das, was ihm den Atem stocken lässt, ist der wuchtige Arbeitstisch inmitten des Raumes, direkt unter der Lampe in Form einer Sonne, der so viel Platz einnimmt, dass drum herum gerade mal eine Person laufen kann. Auf der glänzenden Tischfläche befinden sich keine Schreibutensilien oder Dokumente, sondern ein in eine hölzerne Platte befestigter Freisitz mit vielen Verästelungen. Auf einem solchen sitzt ein Hellroter Ara mit geschlossenen Augen... und hört Musik?

»Hier irgendwo muss ich die Sachen haben. Für den Fall, dass ich selbst mal in Regen gerate, lagere ich immer Wechselkleidung... wo habe ich sie nochmal hingepackt?«

Seelenfrieden | yoonmin || ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt