Es war eine klare Nacht. Unzählige Sterne funkelten am Himmel, der Mond stand hoch oben und schien auf die Stadt und deren Bewohner herab. Ein kühler Wind wehte durch Luft und ließ die Bäume am Ufer tanzen. Der Fluss schlängelte sich mitten durch die Stadt, anders als tagsüber war er nun ruhig. Die Straßen waren leer, zu dieser frühen Stunde befand sich niemand freiwillig außerhalb seines warmen Hauses.
Zumindest fast niemand.
Entlang des Flusses lief eine einsame Gestalt. Ganz in schwarz gekleidet, ein Hut saß auf dem Kopf. Die Person lief schwerfällig und schob einen Sack hinter sich her. Der Müllsack, der in etwa die Größe eines Menschen hatte, schliff auf dem Steinboden hin und her.
Keuchend blieb er kurz stehen und stütze seine Arme auf seinen Oberschenkel ab. Den Müllsack ließ er auf den Boden fallen. Missmutig starrte er ihn an. Es war nicht das erste Mal, dass er ein dummes Menschlein beseitigen hatte müssen, aber diesmal war es besonders anstrengend.
Die Polizei kam ihm so langsam auf die Schliche, nach etlichen Monaten, also konnte er die Leichen nicht an seinen Lieblingsplätzen entsorgen. Inzwischen ging ihm aber die Kreativität für andere Verstecke aus.
Dass die Leichen früher oder später gefunden wurden, war ihm klar, er wollte nur nicht bei der Tat erwischt werden. Doch geeignete Orte zu finden, war schwerer, als man dachte. Erst gestern Abend saß er heulend auf seiner Terrasse, weil er nicht wusste wohin, mit dem leblosen Körper auf seiner Couch.
„Gut, dass die nette Oma von nebenan mir den Fluss empfohlen hat", dachte er, „sonst hätte ich den Idioten immer noch in meinem Wohnzimmer."
Seufzend nahm er die Schnur des Müllsacks wieder in die Hand und zog ihn weiter. Ein paar Minuten später kam die Brücke, die den Fluss überquerte, in sein Blickfeld. Erleichterung machte sich in ihm breit. Hier würde ihn niemand sichten können. Mit neuem Enthusiasmus ging er noch ein Stück gerade weiter, dann den Abhang zum Flussufer hinunter.
Seine Arme schmerzten etwas, aufgrund des Gewichts, das er hatte ziehen müssen, also setzte er sich und legte den Müllsack vor seinen Knien ab. Tief atmete er durch. Er schloss die Augen, reckte sein Kinn etwas und erlaubte sich, sich ein wenig Ruhe zu gönnen. Das Gefühl des Windes, der durch seine Haare strich, genoss er in vollen Zügen.
Es war niemand außer ihm hier und es war selten, dass er solche Momente hatte. Nach einer Weile öffnete er seine Augen wieder. Zeit, die Leiche in den Fluss zu werfen.
Er reckte sich etwas und lupfte den Sack etwas hoch. Seine Augen wanderten über den ruhigen Fluss, sein Kopf drehte sich mit zur Seite. Er erstarrte.
Mit großen Augen beobachtete er die Person. Der Mann trug, genau wie er selbst, schwarze Kleidung und saß auf dem Boden. Schockierender Weise hob diese Person auch einen schwarzen Sack und sah so aus, als ob er diesen ebenso in den Fluss werfen wollte.
Als der Mann sich kurz drehte, bemerkte dieser ihn. Angst kroch in ihm hoch. Hatte man ihn jetzt erwischt? Wäre das sein Ende? Musste er jetzt wegen den vielen Morden ins Gefängnis?
Einen Moment lang starrten sie sich beide gegenseitig nur stumm an. Und, man, sah der gut aus. Seinem Gegenüber fielen die schwarzen Haare leicht ins Gesicht, seine Oberarme waren muskulös und er hatte ein atemberaubendes Gesicht. Ein Traum jedes Mannes.
Dann kroch Panik in ihm hoch. Schwungvoll stand er auf, ließ die Leiche fallen, die geräuschlos in den Fluss rollte, drehte sich um und fing an, weg zu rennen. Hinter sich vernahm er Schritte. Bei dem Geräusch beschleunigte er seine, sein Verfolger allerdings auch.
Plötzlich griff jemand nach seinem Arm. Angsterfüllt versuchte er sich loszureißen, der Fremde verstärkte seinen Griff jedoch nur. Vor Schmerz zischte er auf und ließ sich umdrehen. Er blickte direkt in das Gesicht des anderen.
Kurz verlor er sich in dessen Augen, fasste sich aber schnell wieder und probierte, wütend auszusehen. „Lass mich los!", zischte er.
Sein Gegenüber hob eine Augenbraue. „Warum?"
Er blinzelte. „Warum wohl? Weil dein Griff weh tut!" Erst jetzt schien der Schönling das zu bemerken und senkte schnell seinen Arm. Schmollend rieb er sich über die schmerzende Stelle. „Und? Hast du jetzt vor, mich auszuliefern?"
„Dich- auszuliefern?"
„Ja, naja, an die Polizei."
„Wt- warum sollte ich das tun?", fragte der Fremde sichtlich verwirrt.
Er blinzelte. „Uh... weil du mich aufgehalten hast....? Und gesehen hast, wie ich eine Leiche verschwinden lassen wollte? Oder habe"
Wiedermal zog der andere die Augenbrauen hoch. „Du dachtest, dass ich,", er zeigte nach hinten zum Fluss, wo noch immer dessen Sack lag, „der selbst eine Leiche entsorgen wollte, dich der Polizei ausliefert?"
„Hätte ja sein können.", meint er, immer noch schmollend.
Erneut legte sich Stille zwischen die beiden. Innerlich klatschte er sich gegen die Stirn. Warum hätte der andere ihn zur Polizei bringen sollen- das ergab überhaupt keinen Sinn. Nicht, dass das, was er mal gedacht hatte, jemals Sinn ergeben hätte.
Der Schönling ergriff das Wort. „Also, da du ja allen Anzeichen nach jemanden umgebracht hast und ich nicht der Killer aus dem Fernsehen bin- kann ich dann davon ausgehen, dass du das bist?"
Er zuckte mit den Schultern. „Naja, ja. Das bin ich."
Der andere kicherte leicht. „Du bist also der Kabelmörder?"
„Was ist daran so witzig?"
„Oh, nichts. Du siehst mit deinen Augen nur eher aus wie Bambi, nicht wie ein eiskalter Killer."
Er verdrehte die Augen. Dass er nicht so aussah, wie ein klischeehafter Serienmörder, war ihm auch klar. Aber sein weiblicheres Aussehen war bei den Omis beliebt und brachte ihm oft kostenlose Süßigkeiten.
Der Schönling streckte ihm die Hand entgegen. „Darren Sinclair."
Kurz betrachtete er Darrens Hand, dann schüttelte er sie mit leichtem Druck. „Jesaja Cozerian."
„Also Jesaja... Lust, einen Kaffee trinken zu gehen?"
🍷💣
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Writing prompt challenge
Short StoryWriting prompt challenges Kleine One Shots von zwei Autorinnen, die was Besseres zu tun hätten, aber keine Lust drauf haben :)