~Kapitel 1~

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Mein Verhalten ist taktisch unklug, aber emotional notwendig...

~unbekannt~

„I hate you, I love you, I hate that I love you...", schrie mein Handywecker los. Genervt schnappte ich mein Handy und schaltete den Wecker ab. Die Stille war sofort sehr angenehm und ich überlegte, ob ich noch Zeit hatte, nochmal weiter zu schlafen. War doch eh eigentlich alles zu spät. Doch so durfte ich gar nicht erst anfangen zu denken. Da ich den Wecker schon auf 10 Minuten später gestellt hatte, musste ich wenn ich rechtzeitig in der Schule sein wollte jetzt aufstehen und mich fertig machen. Ich war eigentlich froh, dass die Sommerferien vorbei waren. Ich war zeitweise echt kurz davor gewesen, das alles zu beenden. Meine beste Freundin hatte mich zwar oft auf irgendwelche Shoppingtouren oder zum Strand geschliffen, aber ich war zu viel alleine gewesen. Das kam nicht gut. Meine Arme und Beine zierten die ein oder anderen Wunden und Narben. Deshalb entschied ich mich auch trotz der angesagten 25°C für einen langen, dunkelroten Pullover, schwarze Strumpfhosen und einen schwarzen Rock. Meine braunen, welligen Haare ließ ich offen und auf Make-up verzichtete ich. Ich sah nichtmal in den Spiegel, denn ich wusste, dass eh nichts mehr zu retten war. Ich würde nur wieder in das blasse Gesicht mit den matten hellblauen Augen sehen und mich fragen, warum ich noch hier war. Warum nicht ich hätte gehen können. Bevor ich das Haus verließ, schob ich schnell noch einen Block und ein paar Stifte in meinen schon ziemlich ramponierten Rucksack und warf noch eine Wasserflasche dazu. Auf Frühstück verzichtete ich.
In der Schule angekommen, setzte ich mich still auf den Platz in der hintersten Reihe neben meiner besten Freundin, Clea. Clea begrüßte mich kurz und war dann wieder still. Wir waren beide eher leise, doch sie konnte auch anders. Wenn sie aufgeregt oder nervös war, redete sie wie ein Wasserfall. Ich nicht mehr, seit diesem einen verdammten Tag. Als ich daran dachte, schossen mir wieder Tränen in die Augen. Ich biss mir auf die Lippe und drückte meine Fingernägel in meine Handinnenfläche. Der Schmerz tat gut und lenkte mich ab. Als die Tür zuschlug fuhr ich zusammen und richtete meinen Blick schnell nach vorne. Was ich sah, verschlug mir den Atem. Dort stand die wohl schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Sie hatte lange, wellige, blonde Haare und ihr Gesicht war perfekt geformt. Ihre Augen waren dunkel, aber die genaue Farbe konnte ich nicht erkennen. Ihre Lippen waren schön geformt, soweit ich das von hier hinten beurteilen konnte, von ihrem Körper ganz zu schweigen. Sie trug eine weiße, kurzärmelige Bluse und dazu eine blaue Jeans mit ein paar modischen Löchern. Um es kurz zu sagen, sie sah atemberaubend aus. Sie blickte kurz durch die Reihen. Bei mir verweilte ihr Blick etwas länger, aber vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Erst jetzt fiel mir die gespenstische Stille im Raum auf. Lag wohl an ihrer Ausstrahlung. Sie strahlte sehr viel Ruhe aus, aber auch Strenge. Endlich durchbrach sie die Stille und stellte sich vor: „Hallo zusammen! Ich bin eure neue Klassenlehrerin, Miss Green. Ich werde euch in Englisch, Sport und Geschichte unterrichten."
»Interessante Mischung«, dachte ich mir und sah sie erwartungsvoll an.
„Wer Fragen zu meiner Person hat, darf sie gleich stellen. Danach werdet ihr euch vorstellen, ich kenn euch schließlich noch nicht.", sagte Miss Green noch, bevor sie sich entspannt aufs Pult setzte.
Sofort schoss ein Arm in der Mitte in die Höhe. Niklas, der Schwarm aller Mädchen und ein totaler Spacko, fragte: „Sind sie Single?"
„Ich wüsste zwar nicht, was das dich angeht aber ja.", antwortete sie. Mit einem Zwinkern fügte sie noch hinzu: „Außerdem haben kleine, vorlaute Jungs überhaupt keine Chance bei mir. Generell stehe ich nicht auf männliche Wesen." Ihre Ausdrucksweise und dein Punkt, das sie gerade ganz klar gesagt hatte, dass sie lesbisch war, brachten mich zum Lächeln. Wenn man bedenkt, dass ich das nie tue, grenzt das an ein Wunder. Oder es liegt an der Schönheit vorne auf dem Pult...
Ein paar dumme Jungs meinten aufeinmal: „Lesben sind einfach ekelhaft! Warum dürfen Leute wie sie, überhaupt unterrichten!?" Ich sah Miss Green an, wie unangenehm ihr diese Aussage war, und ohne darüber nachzudenken sprang ich auf. Mein Stuhl kippte krachend nach hinten um, doch das störte mich in dem Moment weniger. „Menschen wie ihr sind ekelhaft! Heutzutage sollte man meinen, die Leute wären toleranter geworden und hätten sich weitergebildet. Aber ihr seid auf dem Niveau eines Neandertalers steckengeblieben! So eine Frechheit, bei euch könnte man glatt meinen, ihr hättet gar kein Gehirn! Euer Niveau hat im Keller noch Höhenangst!", schrie ich die dummen Jungs an. Plötzlich war mir bewusst, dass alle Blicke auf mir lagen. Ach richtig, ich hatte ja seit Ewigkeiten nicht mehr als ein bis zwei leise Worte von mir gegeben. Als ich sah, dass auch Miss Green mich seltsam ansah, wurde es mir zu viel. Ich lief geradewegs zur Tür und verließ beschämt das Klassenzimmer. Dann begann ich, rastlos durch die Gänge zu wandern »Toll hast du das wieder hinbekommen Lou... Warum hat mich dieser Kommentar der Jungs so aufgeregt? Und warum habe ich ausgerechnet in ihrer Anwesenheit geschrien...?! Ich hab nicht mehr geschrien seit... Okay nein! Daran will ich nicht denken... Am besten schreibe ich erstmal Mum. Obwohl, mist mein Block ist im Klassenzimmer und nen Stift hab ich auch nicht! Super, wirklich super... «
Ich überlegte gerade, was ich jetzt machen sollte, als es klingelte. Ich versteckte mich in einer Abstellkammer und selbst Clea fand mich nicht. 10 Minuten nach anfang der 3. Stunde, lief ich ins leere Klassenzimmer um mein Zeug zu holen. Zum Glück war niemand da und ich schrieb direkt den Brief an meine Mutter. Dann ging ich ans Fenster und kramte mein Feuerzeug heraus. Wie immer beobachtete ich fasziniert, wie das Papier von den Flammen zerfressen wurde. Kurz bevor die Flammen meine Finger verbrennen konnten, ließ ich den Brief los und sah zu, wie die Asche vom Wind davongetragen wurde.
„Hey, du heißt Lou, oder?", vernahm ich plötzlich eine Stimme von hinten. Erschrocken drehte ich mich um und ließ dabei mein Feuerzeug in meine Taschen. Mal wieder war ich froh, dass alle meine Kleider und Röcke Taschen hatten. Ich blickte nun direkt in zwei dunkelgrün-tiefblaue Augen. Miss Greens Augen um genau zu sein. Ihre Augen waren innen um die Pupille komplett dunkelgrün und wurden nach außen immer blauer. Ich war so fasziniert, dass ich sie bestimmt ein paar Minuten einfach nur angestarrt hatte. Doch auch sie schien ihren Blick nicht von mir lösen zu können. Schließlich war ich diejenige, die sich losriss und zu Boden starrte. Augenblicklich spürte ich die Hitze in meinem Gesicht.
„Lou... Ich-ich wollte mich nur bei dir bedanken.", stammelte Miss Green. Als ich sie fragend ansah meinte sie: „Dafür, dass du dich vorhin so für mich eingesetzt hast. Das war nicht selbstverständlich. Tut mir leid, dass du das machen musstest, ich war nur so getroffen, dass ich nicht wusste was ich antworten soll. Ich hätte ja auch was gesagt und die Jungs habe ich auch nach deinem Verlassen des Raums zum Direktor geschickt. Also Danke! Das-
Noch bevor sie weiterreden konnte, legte ich meinen Zeigefinger auf ihre Lippen und antwortete nur sanft: „Ist okay, wirklich. Ich-ich komm nur nicht so gut mit solchen Situationen klar, weshalb ich dann auch gegangen bin. Oh ähm und ich bin auch lesbisch und höre sowas wie 'Lesben sind ekelhaft' öfters, weshalb ich irgendwie in dem Moment völlig ausgerastet bin." »Oh man ihre Lippen fühlen sich echt weich an. Oh shit ich glaub ich hab zu viel gesagt. Und ich sollte wohl meinen Finger mal von ihren Lippen nehmen...« Ich nahm meinen Finger weg und ging erschrocken darüber, wie viel ich ihr anvertraut hatte ein paar Schritte rückwärts. Nur leider hatte ich das offene Fenster und meinen Rucksack am Boden vergessen. Ich stolperte über den Rucksack und wäre wohl aus dem Fenster die 5 Stockwerke nach unten gefallen, auf den Beton geklatscht und mausetod gewesen, wenn Miss Green nicht meinen Arm gerade so noch erwischt hätte. So fiel ich lediglich durch den zu starken Ruck ihrerseits nach vorne, in ihre Arme. Gott sie roch verdammt gut. Doch als mir bewusst wurde, wie nah ich ihr war, wich ich schnell wieder etwas zurück. Ich war ihr noch nah, aber es war für mich erträglich. Plötzlich weiteten sich ihre Augen. „Lou...", flüsterte sie nur. Ich folgte ihrem Blick und erschrak. Meine Ärmel waren hoch gerutscht und gaben den Blick auf ein paar meiner Narben und auch ein paar frischere Schnitte frei. Ich stammelte nur irgendetwas zusammenhangloses, bevor ich meinen Rucksack schnappte und weg rannte. »Fuck...«

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→Danke fürs Lesen des ersten Kapitels dieser Geschichte🤍
→Ich hoffe euch hat dieses Kapitel gefallen💫
→Ich freue mich riesig über Feedback, Verbesserungen, Anregungen, Ideen oder einfach nette Kommentare🌈
→ Danke an die wundervolle -littledragon- für das mega schöne Cover!🤍💫🌈

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