~Kapitel 3~

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„Ich bin nicht halb so schön wie du...”

Hatte sie das grade wirklich gesagt? Hatte sie mich soeben als schön bezeichnet? Ich starrte sie einfach nur an und nach einer halben Minute die sich für mich anfühlte wie Stunden ließ sie mich los und stand auf. „Ich lege dir ein paar Sachen raus, die dir passen müssten. Das Bad ist hinter der Tür dort, eine Zahnbürste ist in der Schublade unter dem Waschbecken und Shampoo darfst du gerne von mir nehmen. Achso und Privat darfst du mich Ruby nennen!”, sagte sie schnell, bevor sie zum Kleiderschrank eilte, ein paar Sachen herausnahm und sorgfältig übereinanderlegte. Dann sah sie mir nochmal in die Augen und verließ zügig das Zimmer, welches vermutlich ihres war. Ich stand langsam auf und begab mich in Richtung Badezimmer. Die rausgelegten Klamotten nahm ich mit. Nachdem ich mich kurz geduscht und meine Haare geföhnt hatte, putzte ich mir die Zähne und schlüpfte anschließend in ihre Sachen. Die Hose war mir etwas zu groß, doch mit dem dazugelegten Gürtel ging es. Ich vermied es meiner Körper anzusehen, da ich wusste wie knochig und vernarbt er war. Als nächstes zog ich mir ein hellblaues Tshirt an, was früher vermutlich zu meiner Augenfarbe gepasst hätte. Ich zog die bereitgelegte Jacke nicht an, schließlich hatte Ruby Teile meiner Narben schon gesehen, also war der Rest auch egal. Schließlich fuhr ich mir einmal durch meine braunen, welligen Haare und verließ das Bad. Ich lief aus dem Schlafzimmer und folgte dem Geklapper von Geschirr. Ich betrat die Küche und sah mich um. Ruby stand am Tisch und stellte ein paar Frühstücksutensilien darauf. Mir fiel auf, dass ihr Po in der engen Jeans die sie trug gut zur Geltung kam. Dazu trug sie ein bauchfreies, sehr enges Crop Top. Sie sah echt heiß aus. »Shit Lou hör auf an sowas zu denken...«
Innerlich verpasste ich mir eine Ohrfeige. So in Gedanken versunken merkte ich nicht, dass sie sich inzwischen umgedreht hatte und mich abwartend ansah.
„Äh sorry aber was haben sie-entschuldige, hast du gesagt?”, fragte ich und wurde definitiv knallrot.
„Ich habe nur gesagt, dass ich nicht wusste was du sonst frühstückst, weshalb ich einfach von allem etwas raus gestellt hab. Achso und du bist von der Schule für heute entschuldigt.”, erwiderte sie lächelnd. Sie musterte mich von oben bis unten und blieb schließlich an meinen Armen hängen. Sie runzelte die Stirn und sagte dann, ich solle ihr folgen. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa, nachdem sie das mehr oder weniger befohlen hatte. Sie verschwand kurz und kam dann mit Verbandszeug wieder. Sie nahm meinen ersten Arm sanft in ihre weichen Hände und reinigte zuerst vorsichtig alle frischeren Schnitte. Dann verteilte sie sanft eine Salbe auf den Schnitten und verband den Arm schließlich. Das selbe wiederholte sie mit dem zweiten Arm. Sie sah mich ein paar Sekunden prüfend an, bevor sie bestimmt sagte: „Hose aus!”
Ich sah sie irritiert an und eine Spur sanfter ergänzte sie: „Du denkst doch nicht, dass ich bei dem Aussehen deiner Arme nicht davon ausgehen würde, dass deine Beine ähnlich aussehen?”
Ich nickte geschlagen, zog langsam meine Hose aus und entblößte ein paar weitere, unteranderem entzündete, Schnitte. Sie sog scharf die Luft ein, machte sich aber sofort auf den Weg um nochmehr Verbandsmaterial zu holen. Als sie zurückkam hatte ich mich an die Sofalehne gelehnt und meine Augen geschlossen. Sie begann wieder damit, die Wunden zu reinigen, doch es war schmerzhafter als bei meinen Armen, da mehr Schnitte entzündet waren. So zuckte ich mehrmals merklich zusammen und sog scharf die Luft ein. Letztendlich entfuhr mir sogar ein leises Wimmern, als sie den tiefsten Schnitt verartzete. Ich wurde rot und öffnete meine Augen, um ihre Reaktion zu sehen. Sie sah mich wieder besorgt an. Warum kümmerte sie sich überhaupt um mich? Es konnte ihr doch eigentlich egal sein, was mit mir war. Doch das war es anscheinend nicht, denn inzwischen hatte sie meine beide Beine fertig versorgt. Ich sah sie wieder an und versank einen Augenblick in ihren Augen. Dann räusperte sie sich und ich zuckte zusammen und wurde wieder rot. Gott ich hatte mich echt nicht im Griff, wenn ich im Umkreis dieser Frau war.
„Du solltest die Schnitte öfters verarzten. Und Lou? Bitte mach es nicht mehr.”, sagte sie während sie mich eindringlich musterte. Plötzlich stand sie auf und verließ zügig das Wohnzimmer. Ein paar Sekunden später kam sie wieder und reichte mir einen Zettel. In ihrer schön geschwungenen Schrift stand dort ihr Name und ihre Handynummer.
„Wenn was ist kannst du mir jederzeit schreiben oder anrufen...”, ergänzte sie. Ich sah sie dankend an und steckte den Zettel sorgfältig ein.
„Danke, wirklich. Ich sollte wahrscheinlich jetzt gehen, nochmals danke für alles. Das-das bedeutet mir sehr viel. Wann soll ich ihnen ihre Sachen wieder geben?”, fragte ich und sah noch ein letztes mal in ihre faszinierenden Augen.
„Du kannst sie erstmal behalten und wir schauen dann, okay?”, sagte sie lächelnd. Ich nickte dankbar und verließ, bevor sie noch etwas sagen konnte, ihre Wohnung. Draußen sah ich mich erstmal um und erkannte, dass hier ganz in der Nähe eine Bushaltestelle war. Also lief ich los und sah nach, wo genau ich war. Geld für den Bus hatte ich nicht mehr. Ich durchsuchte die Taschen der Jeans von Miss Green, und fand tatsächlich einen 10€ Schein. Ich schwor mir, ihr das Geld wiederzugeben und schaute nun etwas erleichterter, wo ich jetzt genau gelandet war. Ich war am Rand der Stadt und musste in die Mitte. Die 10€ sollten dafür aber reichen. Ich nahm den nächsten Bus und fuhr schnurstracks nach Hause. Dort angekommen zog ich mir die Schuhe aus und warf mich auf mein Bett. Ich war zur Abwechslung überhaupt nicht traurig oder fühlte mich leer, was wohl an ihr liegen musste. Ich war sogar etwas gut gelaunt. Also beschloss ich, nochmal aus der Stadt raus zum Berg zu fahren, um meinen Rucksack zu holen. Ich musste endlich meiner Mutter wieder schreiben. Irgendwem musste ich das Geschehene ja erzählen. Ich schnappte mir eine etwas dickere Jacke und etwas Geld und machte mich auf den Weg.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 19, 2023 ⏰

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