1 Chance auf Veränderung

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Sie zögerte kurz, sollte sie es wirklich wagen?

Ich muss es versuchen, das war schon immer ein Traum von mir, dachte sie und klickte rasch auf den Button „intern bewerben"

Sie beantwortete alle Fragen, schrieb ein kurzes Bewerbungsschreiben und einen Motivationstext und versendete alles an die Zentrale in Karlsruhe.

„Vielen Dank für Ihre Bewerbung,

wir werden uns in wenigen Tagen bei Ihnen melden!"

erschien auf ihrem PC-Bildschirm und in ihrem Magen fühlte sie ein leichtes Flimmern.

Sie, das war Lin, Kurzform von Linda, obwohl ihr Name ja eigentlich schon ziemlich kurz war, hatte sich der Spitzname relativ schnell bei ihren Freunden in die Köpfe eingebrannt.

Sie war zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre jung, lebte in der Nähe von Stuttgart, genauer in Ludwigsburg. Ihre Hobbys waren die Fotografie, Musik, Bücher und das Westernreiten auf ihrer Paint Horse Stute „Pocos Purple Rain".

Lin hatte in den letzten Jahren eine kleine Leidenschaft für das MCU, das Marvel Cinematic Universe, entwickelt. Ihr Kleiderschrank und ihre Wohnung war mit einigem an Fan Merch gefüllt. Deswegen wurde sie oft von vielen etwas belächelt, aber das war ihr reichlich egal.

Seit 8 Jahren war sie nun schon in einer Beziehung mit Simon, sie hatten sich während ihrer Ausbildung auf einer Party kennengelernt. In den letzten Monaten hatte sich zwischen den beiden aber irgendetwas verändert, was es genau war konnte Lin zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht wirklich fest machen.

Lin arbeitet seit 11 Jahren bei der erfolgreichsten Drogeriemarkt-Kette in Deutschland, seit 2 Jahren leitete sie bereits ihre eigene kleine Filiale.

Jetzt schrieb der Drogerie-Riese eine Stelle aus, bei der sie einfach nicht widerstehen konnte, sich zu bewerben. Dm wollte mal wieder expandieren, dieses Mal aber über den „großen Teich" nach Amerika, nach New York.

Sie hatte immer auf eine solche Chance gewartet und ohne es vorher mit Simon zu besprechen, schickte sie die Bewerbung ab, denn man musste bestimmt schnell sein, wenn sie bis morgen warten würde, wäre die Stelle bestimmt schon weg, dachte sie.

Sie hoffte so sehr, dass sie diese Stelle bekommen würde. Es würde einfach alles in ihrem Leben verändern. Natürlich hatte sie auch Angst bei der ganzen Sache und eine Menge Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum.

Was würde aus ihrer Beziehung werden?

Würde Simon überhaupt mit ihr mit gehen?

Könnte sie Purple mitnehmen?

Würde sie das alles überhaupt bewältigen können, als Mädchen vom Land?

Fragen über Fragen, Gedanken über Gedanken. Es würde sich bestimmt bald alles klären. Bis dahin musste sie wohl oder übel einfach geduldig sein und warten. Aber vor allem musste sie es Simon schonend und in aller Ruhe beibringen.

„Dann hau doch ab!" schrie er sie an. Sie hatte ihm noch nicht mal alles erklären können, da ging er schon an die Decke. Er war in letzter Zeit immer sehr schnell genervt und hatte eine unglaublich kurze Zündschnur. Wegen jeder Kleinigkeit fing er einen Streit mit ihr an. Er blieb oft bis spät in die Nacht hinein im Büro und um die Beziehung bemühte er sich auch schon lange nicht mehr. Noch vor ein paar Monaten war das anders, er war fürsorglich, brachte ihr sonntags immer Kaffee ans Bett und behandelte sie in jeder Situation wie eine Königin. Doch seit Lin befördert wurde und nun etwas mehr wie er verdiente, war wohl sein Ego etwas geknickt.

„Schatz, ich dachte eigentlich du könntest mit mir mitkommen. Deine Firma hat doch auch einen Sitz in New York oder?" Lin versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.

„Na klar, ich gebe mein ganzes Leben hier für dich auf, nur damit du glücklich bist. Außerdem, weißt du genau, dass ich die Amis und ihr Land nicht mag."

Seine Aussage traf sie härter als gedacht und ihre Augen füllten sich bereits mit Tränen.

„Aber eine Fernbeziehung wird bestimmt hart für uns beide werden, außerdem habe ich mich ja erstmal nur beworben, ich habe die Stelle noch gar nicht und du machst schon so ein Fass deswegen auf?"

Simon schüttelte den Kopf und drehte sich um, jetzt stand er mit dem Rücken zu ihr. „Das hat doch alles keinen Sinn mehr." Presste er leise durch seine Zähne, aber Lin hatte es trotzdem gehört.

„Was meinst du damit?" ihre Handinnenflächen wurden feucht, worauf wollte es hinaus?

Er sah aus dem Küchenfenster, lehnte sich gegen die Arbeitsfläche und stützte sich mit den Händen darauf ab.

„Lin, ich werde nicht mitkommen, wenn du die Stelle bekommst und selbst wenn du sie nicht bekommst, macht das Alles doch wirklich keinen Sinn mehr mit uns, ich hätte dir das schon viel, viel früher sagen sollen. Du passt nicht mehr in mein Leben und ich möchte auch nicht mehr in deines passen. Ich habe eine andere Frau kennen gelernt, auf der Arbeit vor einiger Zeit und naja, ich habe seit ca. zwei Monaten eine Affäre mit ihr. Leb dein Leben ohne mich weiter und ich lebe meins mit ihr weiter."

Das war alles was er an diesem Abend zu ihr sagte, bevor er seine Jacke nahm und ging.

Lin weinte die ganze Nacht durch, wie konnte er ihr nur so etwas antun, wie konnte er nur so kalt zu ihr sein?

Es war jetzt 6 Tage her, seit Simon ihre Wohnung verlassen hatte, seine Sachen hatte er geholt, als sie auf der Arbeit war, seinen Schlüssel hatte er ihr in den Briefkasten geworfen.

Jetzt hoffte sie umso mehr, dass sie die Stelle bekommen würde, weit weg von ihm und den Erinnerungen an ihn.

Lin war gerade nach Hause gekommen, als ihr Handy klingelte, es war die Nummer der Zentrale in Karlsruhe, die freundliche Stimme von Fr. Bitterwolf erkannte Lin sofort.

„Hallo Fr. Schneiders? Ich rufe an wegen Ihrer Bewerbung für die Stelle in New York. Sie sind in der engeren Auswahl und wir würden Sie gerne am Donnerstag zu einem Gespräch in die Zentrale einladen. Passt es Ihnen, wenn sie um 15:00Uhr in die Zentrale kommen?"

„Hallo Fr. Bitterwolf, das sind ja tolle Nachrichten, ja ich werde auf jeden Fall da sein." Rief Lin freudig aus.

Die beiden unterhielten sich noch ein paar Minuten und nachdem Lin aufgelegt hatte fing sie vor Freude an in ihrer Wohnung rum zu hüpfen.

Sie hatte mit einem eher mulmigen Gefühl das Gespräch verlassen, es war leider nicht so verlaufen, wie Lin es sich erhofft hatte, bei solchen Gesprächen spielten ihre Nerven einfach immer verrückt und sie fing oft an zu faseln und sich zu verhaspeln. Tief im Innern hatte sie die Stelle schon abgehakt.

Doch es kam anders.

Lin bekam die Stelle der Filialleitung für die Filiale in New York, zusammen mit einem ihrer alten Kollegen. Timo hatte sie ausgebildet, was ein cooler Zufall, dachten sich beide, als sie erfuhren, dass sie die Filiale zusammen leiten würden.

Lin musste in den nächsten 4 Wochen so vieles organisieren und vorbereiten. Für ihre Wohnung fand sie schnell einen Nachmieter und sie hatte sich dazu entschlossen Purple mit zu nehmen, dies war zwar etwas kostspielig, aber sie konnte ihre Stute ja nicht einfach dalassen, geschweige denn, verkaufen.

Dm kam für die Flüge und Unterkünfte aller New York Mitarbeiter auf, also musste sie sich darum nicht kümmern.

Deep Blue EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt