Die Grippe

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Der Kamin knisterte, die Flammen loderten. Das fahle Licht erhellte den dunklen Raum. Ich saß an meinem Schreibtisch und begrüßte die Wärme, die vom Feuer ausging. Meine eingerosteten Knochen und Glieder sollten sich wieder munter stimmen.

Zwei Wochen waren es her, seitdem ich von meinem Schnupfenfieber auskurierte. Meine Genesung habe ich allein meiner Frau Luise zu verdanken. Sie pflegte mich fortdauernd, brachte mir Holunderblütentee gegen das Fieber, Schnupfen und Husten, Zitronenöl, machte mein Bett und sorgte dafür, dass ich mich schonte.

Luischen war eine fleißige Frau, die untentwegt ihr Bestes gab. Sie hatte ein ruhiges, angenehmes Wesen und stets trug sie ein sanftes Lächeln auf den Lippen.

Dieses sanfte Lächeln... Wo war es geblieben? In den letzten Tagen verhielt sie sich eigenartig - anders als sonst. Kaum hatten wir gemeinsam zu Abend gegessen, verabschiedete sie sich ins Bett - sagte rau "Gute Nacht" und wendete mir den Rücken zu. Über den Tag hielt sie sich beschäftigt - unaufhörlich. Erledigte Hausarbeiten - ging einkaufen.

,,Auf Wiedersehen Wilhelm, mach nicht so lange."

Ich schaute rauf, als ich meinen Arbeitskollegen von mir verabschieden hörte. Ich entgegnete ihm, dass ich so langsam ein Ende finden werde und wünschte ihm noch einen schönen Abend. Es war bereits Feierabend und mit voranschreitender Zeit wurde das Büro immer verlassener bis alle Lichter ausgingen.

Draußen war es stockfinster. Es war eine kalte, dustere Winternacht. Der Schnee bedeckte die ganze Stadt - hüllte sie in ein Weiß ein.

Zu Hause angekommen, stellte ich meine Tasche ab, warf meinen Mantel und Hut an den Kleiderhaken und zog die Schuhe aus.

,,Ich bin wieder da." ,rief ich in die Wohnung, doch es ertönte keine Antwort. Etwas verunsichert darüber, stolperte ich durch die Flure. Es waren keine Lichter an, bis auf in einem Raum. Es war die Küche. Vermutlich war dort Luise anzutreffen und so ging ich hinein. Tatsächlich. Sie stand dort am Herd und rührte in einem Topf herum. Ich begrüßte sie mit einer Umarmung und schlung meine Arme um ihre Taille.

Als Antwort brachte sie mir einen grimmigen Blick entgegen. Schreckliche Augenringe zeichneten ihr Gesicht, sowie nach unten gezogene Mundwinkel. Kaum wieder zu erkennen, starrte sie mir in die Augen. Ihre Haut war fahl, ihre Haare zerzaust. Ich ließ wieder von ihr ab und erkundigte mich darüber, ob etwas nicht stimmte. Sie meinte es sei nichts, sie sei nur müde.

Am Esstisch herrschte eine angespannte Stimmung. Die Luft im Raum war dick, die Öllampe flackerte fürchterlich und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie ihren Geist aufgeben würde. Immer wieder lunste ich zu Luise herüber. Sie saß nur da in gekrümmter Haltung und schlürfte angestrengt ihre Suppe. Trotz meiner verzweifelten Versuche, ergab sich kein Gespräch am Tisch.

Im Bett wandte sie mir den Rücken zu und murmelte ein kaum hörbares "schlaf gut". Ich lag da, auf der anderen Seite und starrte an den Kleiderschrank. Ich war beunruhigt. Ich konnte nicht still liegen und wälzte mich von einer Seite zur anderen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und saß mich auf die Bettkante. Mein Blick war immer noch auf den Kleiderschrank gerichtet. Ununterbrochen fixierte ich seine Türen, als wäre es die prächtigste Aussicht, die ich je zu sehen bekam. Meine Gedanken ließen mich nicht in Ruhe und so stand ich auf - lief in der Wohnung umher.

Mit eiligen Schritten ging ich auf und ab. Mit jeden weiteren Gedankengang wurden sie schneller. Meine Gedanken rasten - ratterten in meinem Kopf. Bei dieser Qual, die mir keinen Seelenfrieden ließ, wurden meine Schritte immer schwerer. Immer schwerer und träger, als sei es eine Plackerei.

Es zog mich in die Küche. Ich wollte mir ein Glas Wasser holen. Das kalte Nass rutschte meinen Rachen hinunter - ganz angenehm. Es erfrischte nicht nur meinen trockenen Mund, sondern meinen ruhelosen Kopf. Ich stellte das Glas am Tresen ab und sammelte mich. Ich musste meine Gedanken ordnen.

Luise. Diese beklommene Stimmung begleitete uns Tag ein Tag aus. Ich kannte dies gar nicht. Ihre fröhliche Ausstrahlung, ihr sanftes Lächeln und ihre freundliche Stimme - das alles war verloren. Verloren und kam mit den Tagen nicht zurück. Ganz im Gegenteil. Es wurde immer angespannter. Ich schluckte. War es die Luise, die ich kannte?

Mein Blick fiel auf das angeschnittene Brot. Die Luise, die ich kannte, verhielt sich nicht so abweisend. Die Luise, die ich kannte war herzlich und unbeschwert. So eine bedrückende Aura, die einen anfauchte, umgab sie kaum. Mein Blick fiel auf das Brotmesser. Es war nicht die Luise, die ich kannte. Es war nicht sie. Es war jemand ganz anderes.

Mit einem Schlag war meine innere Unruhe wie weg geweht und es herrschte eine Stille in meinem Herzen. Eisige Stille. Es herrschte Stille in meinem Verstand. Ich griff zum Brotmesser. Ganz entschlossen.

Ich würde mir die Luise zurückholen, die ich kannte.

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