Gefleckter Schierling

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Gänsehaut überkam mich, als sein heißer Atem über meine nackte Haut strich. Seine ädernen Hände strichen meinen Körper entlang. Langsam rutschten sie an meinen Oberschenkeln hoch und krochen ungeniert unter meinen Rock.

,,Ich weiß, du willst es doch auch..." ,hauchte er in mein Ohr.

Ekel und Abneigung überkamen mich, als seine Wärme sich mir mehr und mehr aufdrängte. Ich konnte seine Zärtlichkeit nicht annehmen. Doch... War es wirklich Zärtlichkeit?

Mein Herz pochte und es fühlte sich so an, als hätte es kaum noch Platz in meinen Brustkorb. Es schlug und schlug. Es schlug und wollte nur noch eins: Herausspringen.
Es wollte so herausspringen wie ein Fisch, der gerade an einem Angelhaken hing und nur zurück ins Wasser wollte.

,,Sag es mir."

Ich konnte nicht. Ich konnte nicht und er wusste es. Er wusste es, denn er hielt meine Hangelenke fest. So fest, sie taten schon weh.

,,Schülersprecherin?"

Verwirrt horchte ich auf.

Ein kleines Mädchen stand vor mir. Ich schüttelte mich und schärfte meinen Blick, um wieder zu mir zu kommen. Eine Schülerin. Vermutlich aus dem ersten Jahr.

,,Ist alles in Ordnung? Du standest so verloren da und hast in die Leere gestarrt."

,,Ja..." ,antwortete ich knapp. ,,Ja." ,lachte ich. ,,Alles ist in Ordnung."

Erleichtert entschuldigte sich das Mädchen dafür, dass sie mich störte und ging wieder ihre Wege.

Wo war ich gerade? Im Schulkorridor.

Wieso hatte ich dieses Bündel Kräuter in meiner Hand? Ich konnte mich nicht mehr erinnern...

Zumindest dachte ich das für einen Sekundenbruchteil, bis ich ihn sah.

Still schaute er zu mir. Still. Seine grünen Augen durchbohrten mich. Diese smaragdgrünen Augen. So schön, doch so grün wie Gift.

Als ob nie etwas geschehen war, ging er an mir vorbei. Ich schaute ihm noch hinter her, bis er in den nächsten Flur verschwand.

Ich blickte auf das Kräuterbündel in meiner Hand.

Gefleckter Schierling.

Mit einem Lächeln drückte ich das Gut an meine Brust. Es war ein Lächeln der Erleichterung. Ein Lächeln der Glückseligkeit. Ein Lächeln eingehüllt im Schleier der Vergänglichkeit und eine Träne kullerte meine Wange herab. Eine Träne, so warm. So warm wie die letzten Sonnenstrahlen eines frühen Abends.

Der Stängel, die Blätter... So grün wie das Gift.

Es wäre das letzte was ich sehen werde.

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