überall wo man ist, ist man fremd
hat kein zuhause, obwohl es eigentlich zwei sein sollten
für keines der beiden bin ich genug
bin zweigeteilt, und keine der hälften ist ganz, komplett
es passt nicht, hier bin ich
ausländerin; halb eingedeutscht, vielleicht nimmt man mich nur deshalb ernst, weil ich europäisch aussehe und ausgezeichnete zahlen am ende des schuljahres vorweisen kann?
die kassiererin sowohl die patriotische oma lächeln mich an, doch was, wenn sie meinen namen hören?
da bin ich eine von uns, bis ich meine Geschichte erzähle und von den anderen traditionen, von den ganz anderen visionen, iIllusionen.. bis meine mutter den hörer für mich abnimmt und nicht mal versucht, ihren akzent zu verstecken? bis ein lehrer mal wieder meinen namen falsch liest? ja, bis da bin ich einheimische.
bis da bin ich die literaturverehrende musterschülerin, die selbst schon ein eigenes verhältnis zu ausländern entwickelt hat. die für deutschland beim fußball ist, die schwäbisch reden kann und so geradlinig und richtig geworden ist, wie jeder hiergeborene.
in meiner familie gelte ich als die deutschlandfanatikerin. "bleib doch hier wenn du eine deutsche bist", könnte meine mutter zu mir sagen. sie hat recht, ich könnte alles einfach machen und hier bleiben. wie meine brüder einen deutschen pass bekommen. wieso aber habe ich die anfrage auf einen pass vor einem Jahr zurückgerufen?
vielleicht weil etwas mich ruft. etwas meine Hand beim ausfüllen des formulars stoppt. es gibt noch ein ich, weit weg von hier. dieses ich hindert mich, doch wieso?
wofür muss ich mein bisher aufgebautes und bis auf den Grund gegliedertes leben hergeben? für eine weit entfernte heimat, mit ihrer politik, mit ihrer armut?
bei meinem zweiten ich weit fort von hier fragt man mich, weshalb ich überhaupt komme? verständlich. wenn jeder zweite alles hergeben würde, um jenes trostlose land zu verlassen.
ich genieße privilegien. und doch liebe ich dieses öde, bemitleidbare land weit von hier. ich habe eine wahl.
und entgegen der logik ist meine entscheidung gefallen. "nein, ich bleibe nicht hier!", sage ich meiner mutter.
ab jetzt wird die hälfte von mir, die ich ausgesucht habe, mir, der ewig wandernden, suchenden, hoffenden, rastlosen, eine behausung schenken müssen.
meine hälfte wird früchte tragen, in unermessliche weiten expandieren und die andere verspeisen, sodass nur ein klitzekleiner krümel übrig bleibt.
eine winzige Erinnerung, die gelegentlich vor meine beschäftigten augen treten und mich inne halten lassen wird.
oh, werde ich nur denken. oh, meine ruhigen kinderjahre werde ich missen. sie waren gut aber zu wenig, jedes mal werde ich diesem funken erinnerung meinen rücken zukehren.
denn ich werde endlich ganz sein. vollkommen, komplett. unbeeinflussbar eigenständig.
und mit jedem weiteren umdrehen des schlüssels wird sich mein herzschlag beschleunigen, denn ich werde zuhause ankommen.
-> nicht sehr poetisch aber dafür umso mehr persönlich und aktuell, ein tagebucheintrag von mir vor gut zwei wochen :)
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overthinking the world
RandomMeine Gedanken und Gedichte aufzuschreiben hat sich als gute Idee erwiesen. Ein Platz für all den Müll, der täglich in meinen Kopf kommt - wird dir präsentiert als bunt vermischter Salat voller Gedanken. Lass es dir schmecken, Prost! 🥇#overthinking...