Seine Fingerkuppen berührten meine Haut. Strichen sanft meinen Arm entlang. Langsam. Zentimeter für Zentimeter. Bahnten sich ihren Weg über meine Schulter. Meinen Nacken. Meinen Hals. Berührten meine Wange. Umkreisten meine Unterlippe. Ich legte den Kopf in den Nacken. Meine Haut bebte. Zitterte. Bestimmt sah ich ihn an. Seine verschwitzten schwarzen Haare hingen ihm in einzelnen Strähnen ins Gesicht. Seine Haut glänzte im schwachen Licht der Scheinwerfer. Sein angespannter Kiefer zuckte.
Der Bass durchzog meinen Körper. Drang in jede Zelle meines Körpers ein wie ein Blitz. Explodierte. Die laute Musik dröhnte in meinen Ohren. Im Hintergrund vernahm ich das Klirren einiger Flaschen. Eine Gruppe Mädchen kicherte. Verschwand. Es roch nach abgestandener Luft, Schweiß und Alkohol. Mein Körper begann sich zu bewegen. Ich bewegte meinen Fuß nach links. Dann wieder nach rechts. Zurück. Nach vorne. Schnell. Im Takt der Musik. Drehte die Hüfte. Umgriff seine Hand. Gab mich der Musik hin. Alles um mich herum begann sich zu drehen. Vollkommen verschmolz ich mit der Musik. Blendete alles um mich herum aus. Es gab keine Zeit mehr. Die Welt schien still zu stehen. Es gab nur noch mich und die Musik. Ich war nun ein Teil ihrer Kunst. Sie war ein Teil von mir. Mein Tanz drückte sie aus. Jeden Klang. Jedes Wort. Jeden Beat. Jede Melodie.
Er zog mich näher zu sich. Mein Kopf berührte seine Brust. Die warme Haut hinterließ einen angenehme Gänsehaut auf meinem Nacken. Seine Hand strich meine Schulter entlang. Sanft umfasste er den Saum meines Kleides. Streifte es hinunter. Wenige Zentimeter. Der kühle Stoff strich meinen Arm entlang.
Gemeinsam eilten wir zum Hinterausgang des Saales. Drückten die Klinke der schweren Tür hinunter. Hastig huschten wir in den engen, nur spärlich beleuchteten Gang und ließen die Eisentür hinter uns mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Ihr Hall durchzog die Gänge. Jeden Flur. Jedes Zimmer. Wie ein böses Omen. Bedrohlich. Laut. Düster. Die Deckenbeleuchtung flackerte. Blitzte auf. Summte. Dann war wieder alles dunkel. Schweigend gingen wir die kühlen Gänge entlang. Ich fröstelte. Die Musik wurde nun immer leiser. Der Bass war kaum noch spürbar. Ab und an konnte ich noch Stimmen hören. Lachen. Gekicher der Mädchengruppe. Doch mit jedem Meter wurden die Geräusche leiser, bis sie schließlich vollkommen verstummten. Totenstille. Nur er und ich.
Wir erreichten den Hinterhof. Es war stockdunkel. Er reichte mir seine Hand. Vorsichtig umgriff ich die warmen Finger und ließ mich von ihm leiten. Er kannte diesen Weg. Er war ihn schon oft gegangen. Wir gingen eine wackelige Stahltreppe hinauf. Ich schluckte. Umfasste das Geländer. Fest. Das kalte Metall bohrte sich in meine Finger. Schmerzte. Hinterließ ein unerträgliches Brennen auf meiner Haut. Der eisige Herbstwind wehte durch meine Haare. Hob mein Kleid an. Meine Beine zitterten. Gemeinsam stiegen wir die Treppe hinauf. Erreichten nach einer Ewigkeit endlich den Eingang. Helles Licht strahlte mir ins Gesicht. Ich schloss die Augen. Ließ mich von ihm führen. Hastig durch die Gänge ziehen. Wir stoppten vor einer Tür am Ende des Flures. Nach mir schloss er die Tür. Drehte den Schlüssel im Schoss.
Ich hatte Michael im letzten Sommer kennengelernt. Seitdem trafen wir uns regelmäßig und schliefen miteinander, mindestens einmal in der Woche in einem der Hotels der Stadt. Heimlich. Versteckt von seiner Familie. Seinen Kollegen. Seinen Freunden. Wir nahmen den Hintereingang. Ich fuhr mit dem Taxi. Huschte durch die Flure. Versteckte mich in den dunklen Ecken der Gänge. Seine Freundin war ich nicht. Wir waren nie eine Beziehung eingegangen. Er traf sich nicht nur mit mir. Mindestens zwei andere Frauen hatte er, davon hatte er mir erzählt, mit denen er sich abwechselnd traf.
Er hatte mich angesprochen. Es war ein warmer Sommerabend gewesen. Der letzte Samstag im Monat. Etwa gegen einundzwanzig Uhr. Ich saß in einem Café am Rande der Stadt. Meine Fotokamera in der rechten Hand. In der linken Hand ein Notizbuch, in dem ich meine neuen Projektideen festhielt. Die Fotografie war bereits seit dem Grundschulalter mein größtes Hobby. Ich fotografierte einfach alles. Mich. Familienmitglieder. Freunde. Meinen Hund Charles. Blumen. Ich wollte Fotografin werden. Meine Traum verwirklichen. Ein erfolgreiches Leben führen. Eine Menge Geld hatte ich bereits in meine Karriere investiert. Hatte mir teure Ausrüstung gekauft um die besten Schnappschüsse schießen zu können. Auch meine Heimat hatte ich verlassen. Ich war umgezogen. Tausende von Kilometern weg von meinem Geburtsort.
Nun war ich also hier. Los Angeles. LA. Die Stadt der Schönen und Reichen. Hollywood. Gala. Ich wohnte in einem kleinen Appartement am Rande der Stadt. Zwar hatte ich nicht viel, doch das nötigste war vorhanden. Ein Bett. Ein spärlich ausgestattete Küche. Ein Badezimmer. Ich war bescheiden. Ich war glücklich.
Ich verließ das Hotel wenige Stunden später. Noch immer war es eisig kalt. Fröstelnd schob ich mein Kinn in den wärmenden Saum meines Mantels. Verschränkte die Arme vor dem Bauch. Es begann zu regnen. Erst leicht. Dann immer stärker. Tropfen für Tropfen prasselte der Herbstregen in mein Gesicht. Erneut schloss ich die Augen. Dann setzte ich mich in Bewegung. Ich rannte. Flüchtete. Den nassen Asphalt entlang - hinein in das Dunkel der Stadt.

DU LIEST GERADE
DRUGS. LVL UP
Novela Juvenil"Vor dir steht die Tür in diese Welt. Es gibt nur einen Schlüssel. Du hältst ihn in der Hand. Warum trittst du nicht ein?", schulterzuckend drehte sie das Champagnerglas in ihrer Hand. Ich zögerte. Du gehörst nicht dazu. Du bist ausgeschlossen. Eins...