Romy drehte sich um und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort. Er schaute ihr zu, wie sie leise die Tür schloss. Er konnte sie kaum den Gang entlanggehen hören.
Er hätte es vorgezogen, wenn sie die Tür zugeschlagen hätte, er wusste damit umzugehen, doch dieser stille Vorwurf war ihm völlig neu. Er hörte, wie sich die Vordertür öffnete und wieder schloss, und zuckte bei dem Geräusch zusammen, stand steif und verletzt in der Stille, die ihrem Abgang folgte. Mit einer wütenden Bewegung wischte er mit seinem Handrücken die kalten Tränen weg, die sie auf seiner Wange hinterlassen hatte, und biss sich auf die Lippe, um das Kribbeln loszuwerden, das ihr Kuss hinterlassen hatte.
Düster blickte er zu seiner anderen Hand hinunter, und erblickte in ihr das Glas Whiskey. Er umklammerte es hasserfüllt fester, hob den Blick und starrte an die Wand, überlegte, das Glas gegen die weiße Farbe zu schmettern, wusste, er würde es nicht tun. Wusste, sie wäre nicht einmal sauer.
Der Gedanke an sie fiel auf ihn nieder wie ein Stein, und er ließ sich in den Stuhl zurückfallen, in dem er gesessen hatte, als Romy vor einer halben Stunde nach Hause gekommen war. Als er zum ersten Mal bemerkt hatte, das etwas sich geändert hatte, etwas, das völlig außer seiner Kontrolle lag. Er lachte verwirrt. Die gravierende Erkenntnis hatte darin geendet, dass er die Flasche Whiskey aus der hintersten Ecke des Schranks griff, die er einmal von irgendeinem Kumpel zum Geburtstag bekommen hatte. Er hasste Whiskey.
Sie hatte ihm still ein Glas gereicht, ein resignierter Ausdruck auf ihrem Gesicht, sich wohl bewusst, dass er wusste, dass ihre nächsten Worte die glückliche Beziehung in tausend Stücke zertrümmern würde. Dann, nach ihrer Enthüllung, hatte er den ersten Doppelten heruntergekippt wie Wasser, hatte sich nicht einmal um Eis gekümmert. Nach einem Hustenanfall, der ihn daran erinnerte, warum er Whiskey so hasste, und einem krächzenden „Warum?" hatte er sich einen zweiten eingeschenkt, war zum Kühlschrank gelaufen und hatte einige Würfel Eis in den Whiskey platschen lassen. Der schreckliche Nachgeschmack und das Brennen in seinem Hals waren das einzige, was ihn davon abhielt, den nächsten Doppelten zu kippen. Es war derselbe, den er immer noch in der Hand hielt.
Sie hielten ihn jedoch nicht davon ab, es nicht zu bereuen, dass er normalerweise keinen Alkohol trank, sodass er nun leichter sturzbesoffen werden konnte. Oder still sein Glas zu betrachten, während sie ebenso leise in ihrem Stuhl saß und hoffte, er würde sie verstehen.
Aber das tat er nicht. Er konnte einfach nicht verstehen, was mit dem hübschen, vergnügten Mädchen passiert war, in das er sich verliebt hatte, die fröhlich ihre Haare in allen möglichen Farben tönte, Türen zuschlug, und ihm sagte, er solle gefälligst seine Sauerei in der Küche sauber machen. Das Mädchen, das schimpfte und schrie wenn sie wütend war, auch wenn es ihm manchmal wehtat. Das Mädchen, dessen Grimasse er mit seinem Lächeln in einen sanften, lachenden Gesichtsausdruck verwandeln konnte, das seinen Schmerz mit einem einzigen Blick lindern konnte.
Das hatte sie eben nicht tun können. Romy...
Er stöhnte. Er hätte mit allem umgehen können, da war er sich sicher, allem, außer dem. Irgendetwas anderes wäre ihm lieber gewesen, egal was. Sogar Fremdgehen. Aber nicht das. Nicht das.
Mit zittrigen Fingern hob er das Glas an die Lippen und trank den Whiskey in einem Zug aus. Er ignorierte den schrecklichen Geschmack, der tief in seine Kehle und dann im sein Inneres drang, und griff erneut nach der Flasche. Er hielt kurz inne und runzelte betrübt und etwas berauscht die Stirn. So kannte er sich garnicht, und wenn er eins hasste, dann war es untypisches Verhalten. Doch der Gedanke ließ ihn nur erneut urplötzlich laut auflachen.
Zum Teufel nochmal, war sein letzter klarer Gedanke bevor er sich völlig hingab, an das tröstende, betrunkene Vergessen. Er wollte am liebsten nie wieder zurückkehren. Nicht zu dem. Nicht das...
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Seventeenth Snowflake
Mystery / ThrillerWas ist Realität, was Lüge? Was ist Gedanke, was Gift? In einer fremden, schneeweißen Welt ohne Regel und Gesetz sind diese Fragen die einzigen Dinge, die einen am Leben erhalten. Denn hier heißt es leben mit der Tortur der Gedanken oder ohne Ident...