Unexpected

*8*

Cara und ich sitzen bestimmt schon eine ganze Weile hier auf dem Sofa und unterhalten uns, als Jannis und Marius endlich in die Wohnung stolpern. Und stolpern ist hier wirklich das richtige Wort dafür, denn sie kabbeln sich tatsächlich immer noch. Allerdings muss ich sagen, dass Jannis deutlich den kürzeren zieht.

Charlie, die bisher draußen bei Julian geblieben ist, kommt jetzt kopfschüttelnd durch die Tür nach drinnen. Nachdem sie sich das Ganze für einige Sekunden angeschaut hat, beschließt sie wohl dazwischen zu gehen. Als Marius Jannis gerade wieder in den Schwitzkasten nehmen will, stellt sie sich schützend vor ihn. „Du hörst jetzt endlich auf die kleine Nervensäge zu ärgern und hilfst stattdessen Julian beim Grillen." Dabei tippt sie Marius mehrfach auf die Brust und sieht ihm dabei fest in die Augen. Die Veränderung ist nur minimal, aber sobald Charlie Marius berührt ändert sich schon wieder seine Körperhaltung. Sie wird irgendwie, wie auch schon zuvor bei Charlie, weicher. Seine Hände legen sich um ihre Taillie und ziehen sie nah an sich ran. Er flüstert ihr etwas ins Ohr und die selbstbewusste Frau, kichert mädchenhaft, bevor sie ihre Hände um sein Gesicht legt und ihn sanft küsst. Als sie sich von ihm löst, nickt sie leicht in Richtung Terrasse und Marius geht, nachdem er ihr noch einen Kuss auf die Lippen gedrückt hat, ergeben nach draußen.

„Ihr zwei seid so...", will Jannis gerade loswerden, aber Charlie dreht sich schnell um und verpasst ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Halt die Klappe Jannis", grinst Charlie nur und geht dann ihrem Freund hinterher.

Cara neben mir fängt bei Jannis empörtem Gesichtsausdruck an zu Lachen und legt mir dann eine Hand auf den Arm. Diese Berührung veranlasst mich den Blick von Jannis abzuwenden, der sich jetzt den Hinterkopf reibt. „Ich glaube ich habe eine Idee was dir gefallen könnte. Und vielleicht kann dir sogar Charlie dabei helfen mal in die Richtung reinzuschnuppern, wenn du magst." „Wie meinst du das? Wir haben doch noch nicht mal angefangen über mein Studium zu sprechen?", so ganz komme ich hier heute mit. Wir haben uns eigentlich nur etwas über Caras und meinen Job unterhalten und... „Eigentlich haben wir schon die ganze Zeit darüber gesprochen. Es ist nur ab und zu besser, wenn man dabei nicht allzu lange nachdenkt. Das funktioniert am besten, wenn man gar nicht merkt, dass es genau darum geht. Daher... Du magst technische Daten und den Kontakt mit Kunden, deshalb wolltest du übergangsweise im Kundenservice arbeiten wolltest. Und das kann man eben nur gut machen, wenn man sich bis zu einem gewissen Grad in Menschen hinein versetzen kann und auch wirklich Interesse am Produkt selbst hat. Zu viel Kontakt ist dir aber nichts, weshalb Personalwesen, Soziale Arbeit oder etwas in die medizinische Richtung nicht unbedingt deins wäre und nur technische Aspekte wie bei einem Ingenieursstudium oder etwas in die diese Richtung willst du auch nicht, weil dir doch etwas an den Zwischenmenschlichen Beziehungen liegt. Du bist aber auch nicht so kreativ wie Jannis, heißt etwas in die Kunst-/Designrichtung fällt ebenfalls weg. Eine gute Mischung aus diesen Sachen wäre also gut für dich. Charlie arbeitet bei einem Pharmakonzern im Produktmanagement. Das klingt erstmal etwas trocken, aber dort hat man Kundenkontakt, muss sich daher gut in diese Menschen hineinversetzen können, aber auch das Produkt an sich verstehen. Dazu kommen noch jede Menge rechtlicher Themen, technische Details und sowas. Aber da kann dir Charlie später bestimmt mehr dazu erzählen. Ich könnte mir bei dir aber auch etwas in die medizinische Richtung vorstellen. Wobei du da selbst überlegen musst, ob dir der menschliche Faktor nicht doch zu stark ist."

„Und beim Produktmanagement wäre es welche Art von Studium?", frage ich dann einfach frei raus, weil ich so verblüfft bin, dass sie in so kurzer Zeit so viel über mich erfahren hat, aber anstatt Cara antwortet mir Charlie von der Terrassentür aus. „BWL mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb ist eigentlich am besten dafür geeignet. Da gibt's verschiedene Richtungen in die du gehen kannst, wenn du dich entscheidest, dass das genau das ist was du machen willst. Also wenn du Lust hast, kann du gern man einen Tag oder auch mehrere bei mir vorbei schauen und ich zeige dir was ich so den ganzen Tag mache." „Was extrem kompliziert ist, wenn du mich fragst", ruft Marius von draußen dazwischen. „Dich fragt aber keiner", ruft jetzt Jannis von der Küchenzeile zurück und schüttelt nur mit dem Kopf, „Was hast du dem denn heute morgen gegeben, Charlie? Der ist ja heute noch anstrengender als sonst." „Dann ist er ja bei dir in bester Gesellschaft", bekommt Jannis daraufhin als Antwort und Charlie geht grinsend zurück auf die Terrasse.