A Court of Thoughts and Feelings

Traditions Part Two

Meine Sicht war zwar etwas verschwommen, seit meinem letzten Kampf aber den scharfen Blick von Nesta, als der junge Illyrianer ihr einen simplen Dolch schenken wollte, entging mir auf keinen Fall.
Ihre fein gezupften Augenbrauen schossen nach oben beim Anblick der stumpfen und wenig eindrucksvollen Waffe.

„Ich finde er passt zu dir, Nesta. Simpel, schlicht und tödlich", ließ der junge Mann mit den blonden Haaren verlauten.

„Simpel und schlicht, du weißt, wie man eine Frau beeindruckt", murrte Nesta und warf die Waffe, die sie dem jungen Mann aus der Hand gerissen hatte, mit einem beeindruckend präzisen Wurf zurück zu ihm. Nur Haarscharf verfehlte der Dolch seine linke Gesichtshälfte und landete einige Meter entfernt in einem dicken Baumstamm. „Können wir das ganze langsam hinter uns bringen, ich würde so langsam gerne zum Interessanten Teil des Tages übergehen."

Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, bei ihrem ungeduldigen Tonfall. Aber welcher Mann wäre ich, wenn ich meiner zukünftigen Frau und Seelenverwandten auch nur einen Wunsch verwehren würde.

„Keine Sorge, Sweetheart. Ich mache es schnell und schmerzhaft."

„Das hast du auch schon vor einer halben Stunde gesagt und trotzdem sitze ich mir hier den Hintern platt."

Was sollte ich sagen, ich nahm mir gerne Zeit, um meine Nebenbuhler auseinander zu nehmen. Jedes Mal aufs Neue gingen meine Instinkte in einen Overdrive wenn ich daran dachte, dass mir jemand Nesta wegnehmen will. Und es war mehr als ein Vergnügen mich persönlich jedem Mann zu stellen, der glaubte er könnte sich zwischen mich und meine Seelenverwandte stellen.

Jede Wunde, jeder vergossene Tropfen Blut war es mir Wert, ich war sogar Stolz darauf.

Der Blonde Illyrianer war für heute mein letzter Gegner und besonders schwer machte er es mir auch nicht. Er hatte auf einen Waffenlosen Kampf bestanden, zu dem ich gerne zustimmte.
Mein Inneres Biest schnurrte bei der Vorstellung ihm seine Knochen zu brechen, das laute Knacken zu hören und sein Fleisch zu zertrennen.

Nach wenigen Minuten hatte ich den jungen Mann mit zwei mehrfach gebrochenen Beinen Kampfunfähig gemacht und hörte seine wimmernde Aufgabe.
Genugtuung flutete meinen Körper, als ich über den am Boden liegenden Körper stieg und zu Nesta herüberlief, die immer noch gelangweilt auf ihrem mit weißen Blumen geschmückten Holzthron saß-

„War das schnell genug für dich, Liebes?", fragte ich, bevor ich vor ihr zum Stehen kam und meine Blutverschmierte Hand nach ihr ausstreckte.

„Akzeptabel ", antwortete sie, zögerte aber keine Sekunde ihre zarte Hand in meine zu legen. „Aber wenn du Blut auf mein Kleid schmierst, zeige ich dir wie man jemanden in Rekordzeit zur Strecke bringt."

„Es würde mir nicht im Traum einfallen", murmelte ich und half ihr beim Aufstehen.

Nesta sah in meinen Augen immer aus wie eine verdammte Göttin. Egal ob sie in meinem T-Shirt in der Küche stand und Toast verbrannte, in Lederkluft voller Schweiß, Blut und Dreck vom Training nach Hause kam oder so wie jetzt in einem schönen Kleid die Köpfe aller Männer verdrehte. Nesta war die Schönste Frau im Raum, ohne eine Ausnahme.

Um nicht doch ein paar Flecken auf ihrem weißen Kleid zu riskieren, trat ich lieber einen Schritt zurück. Ferye, Mor und Elaine schwirrten sowieso um sie herum und verscheuchten mich, um endlich eine Dusche zu nehmen.

„Komm schon, Cass. Wir treffen die anderen in der Hütte, für die Zeremonie." Azriel war es, der mich schließlich am Oberarm packte und von dem Haufen schnatternder Weiber wegzog.

Nachdem ich mich von Nestas Anblick losreißen konnte, oder besser Azriel und Rhys mich bis ins Haus gezerrt haben, hatte ich erstmal eine lange heiße Dusche genommen.
Es waren die ersten Minuten heute, in denen ich mich wirklich entspannen konnte. Die Kämpfe waren eher nervlich als Körperlich anstrengend gewesen. Der Gedanke, dass jemand mir Nesta wegnehmen will, kratzte an meinen innersten primitiven Ängsten und jagte mir jedes Mal einen eiskalten Schauer über den Rücken.