Schritt für Schritt

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Wie.. sie wird heute entlassen? Dabei hätte ich sie so gerne näher kennen gelernt..
,,Das freut mich echt für dich. Wie kommt es dazu?'' fragte ich mit einem Lächeln auf meinem Gesicht, aber in Wirklichkeit machte es mich nicht glücklich. Natürlich freute ich mich für sie, sie kann endlich wieder nach Hause. Die Arme war länger hier als ich. Aber andererseits.. hätte ich gerne Kontakt zu ihr gehabt.
>,,Danke. Sie trauen mir jetzt zu, wieder nach Hause zu gehen. Sie finden ich bin nicht mehr verrückt'' antwortete sie und lachte. Verrückt war sie keines Wegs. Sie war atemberaubend, interessant und wunderschön. Ich muss schon sagen, sie hatte mir irgendwie gefallen. Ich kannte sie noch nicht wirklich aber dennoch raubte sie mir den Schlaf. Ich dachte verdammt viel über sie nach, dabei kannte ich sie kaum. Eigentlich kannte ich nur ihren Namen und den Grund wieso sie hier ist. Nicht den Grund wieso sie das alles getan hat, nicht ihr Alter oder wo sie überhaupt her kommt.
,,Verrückt? Du doch nicht.'' ich musste schmunzeln. ,,Hey glaubst du, wir können den Kontakt irgendwie halten? Keine Ahnung wenn ich mal hier rauskommen sollte vielleicht..'' das schmunzeln verging und mein Herz schlug wie verrückt. Was ist, wenn sie nicht wollte?
>,, ja, gerne. Hast du ein Handy? Dann geb ich dir meine Handy Nummer und du kannst mir schreiben, wenn du raus bist.'' antwortete sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sie hatte ja gesagt! Fand sie mich auch.. interessant? Oder wollte sie einfach nur nett sein?
Ich sagte ihr, dass ich ein Handy besitze, und gab ihr ebenfalls meine Handynummer, damit sie mir schonmal schreiben konnte, falls ich den Zettel verlieren würde.
Sae–byeok blieb noch eine Weile bevor sie fuhr. Sie mochte mich scheinbar wirklich, denn ich war der Grund wieso sie blieb.
Wir unterhielten uns über alles mögliche. Ich fand raus, dass sie ein Jahr älter war als ich, und dass ihre Lieblingsfarbe blau war. Deshalb wählte sie damals blau und nicht rot. Außerdem erzählte sie mir von ihren Schulden, und ihrer Familie. Was sie mit dem Geld tat, als sie gewonnen hatte. Ich wusste jetzt, dass sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zusammen wohnte, und dass die beiden vorher gar nicht bei ihr waren. Sie hat ein großes Herz, ich hoffte, dass ich irgendwann auch einen Platz darin haben werde.

Es war mittlerweile schon 17 Uhr, sie musste jetzt leider gehen, da sie einen weiten Heimweg hatte. Der Abschied fiel mir etwas schwer, ich wusste nicht, wann und ob ich wieder was von ihr hören würde. Deshalb ging ich in mein Zimmer, als sie die Anstalt verließ. Ich wollte allein sein.
Ich war nicht tot traurig, immerhin kannte ich sie erst zwei Tage. Aber etwas traurig war ich schon. Ich hatte die Hoffnung, eine Freundin gefunden zu haben, aber die Freundschaft hielt nicht lange. Oder wer weiß, aber eine Pause hatte sie, bevor sie überhaupt begann.

Am nächsten morgen, nach dem Frühstück, hatte ich wieder ein Gespräch mit dem Therapeuten. Er wollte mich von jetzt an immer früh sprechen, wieso weiß ich nicht genau. Vielleicht damit er sich über den Tag viele Gedanken machen konnte? Keine Ahnung. Ich hab keine Psychologie studiert.
Heute wurde ich schon was offener. Ich habe ihm erzählt was passierte, aber keine Details. Er war sehr erstaunt darüber, denn ich habe monatelang kein einziges Wort gesagt.  Er hatte Gestern zum ersten Mal meine Stimme gehört. Und in zwei Sitzungen erfuhr er fast alles. Aber nur fast. Ich hatte Sae–byeok auch nicht jedes Detail erzählt. Alles drum und dran, was nichts mit dem Tag selber zutun hat, auch nichts herzzerreißendes, aber wichtige Punkte.
Wie zum Beispiel, dass meine Mutter ihr gesamtes Vermögen auf mich vererbte, da mein Bruder eines Tages verschwunden ist, da er ein Junkie war und nicht mehr klar kam, und meine Schwester zusammen mit meiner Mutter in den Himmel flog.

Meine Mutter hatte mehr Geld, als ich erwartete. Ich wusste nicht, dass sie reich war. Dementsprechend war das eine große Überraschung als das Geld dann auf meinem Konto war, aber keine positive. Ich habe das Geld lange nicht angepackt. Ich war lange obdachlos, beziehungsweise hab bei meinem Ex Freund geschlafen, bevor er mich betrogen hatte, aber laut Staat war ich es. Und in der Nacht wo er mich so hinterging, schlief ich im Krankenhaus. Und sobald ich wieder gesund war, schlief ich dort, wo ich jetzt immernoch schlafe.
Arbeiten konnte ich auch nicht. In meinem Beruf hatte ich viel mit Menschen zutun, und das ging einfach nicht mehr. Nichts ging mehr.
Mittlerweile hatte ich anders darüber gedacht. Meine Mutter hat uns nichts von dem Geld gesagt und selber nichts davon angerührt, da sie wollte, dass wir Finanziell nie wieder Probleme haben werden, wenn so etwas passiert. Oder damit sie uns helfen kann wenn wir in der Patsche steckten. Das stand aufjedenfall in einem Brief, der mir erst vor ein paar Wochen geschickt worden ist. Sie haben unsere alte Wohnung geräumt und ihn in einer Kiste in ihrem Kleiderschrank gefunden.
Ich wollte, sobald ich hier raus bin, eine Wohnung mit dem Geld mieten und damit erstmal um die Runden kommen, bis ich wieder arbeiten konnte. Das Geld reichte zwar für eine Früh Rente, aber ich konnte es nicht übers Herz bringen mein Leben lang auf der Tasche meiner Mutter zu hängen.
>,,Ich bin sehr erstaunt, Seoyoung. Danke dass du mir erzählt hast, was passiert ist. Reden hilft, findest du nicht? Wenn du so weiter machst und mir Stück für Stück mehr erzählst, wird es dir bald besser gehen und dann kannst du auch wieder nach hause'' sagte der Therapeut zu mir. Ich kannte seinen Namen nicht. Er hatte ihn mir mal erzählt aber den hab ich in der selben Sekunde wieder vergessen.

Hoffentlich log er mich nicht an. Ich musste endlich hier raus.

Nummer 67Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt