Kurzgeschichten

Herbst

Es war wieder Zeit. Zeit für Mützen, Schals und Hoodies. Zeit für kuschelige Abende vor dem Kamin, eingehüllt in einer Decke mit einer Tasse dampfendem Kakao, veziehrt mit einem Sahnehäubchen, in der Hand und sanfter Musik im Hintergrund.

Sie hatte die Vorzeichen verpasst. Sie war zu vertieft in ihrem Job um zu merken, dass die Tage kürzer und kälter wurden, die Blätter an den Bäumen anfingen die Farbe von Feuer anzunehmen. Sie wusste nicht warum sie es plötzlich bemerkte. Waren es die kleinen Atemwölkchen, die von ihrer vor Kälte geröteten Nase aufstiegen, wie ihre eigenen persönlichen Nebelschwarden?
Sie konnte es nicht sagen. Es war als wäre sie auf einmal aus einen Traum erwacht. Oder doch eher eingeschlafen? Zwei Kinder rannten vor ihr auf dem Gehweg entlang. Ein Junge und ein Mädchen. Mit ihren behandschuhten Händen sammelten sie die buntesten Blätter auf. Begeistert zeigten sie sich gegenseitig ihre schönsten Funde. Wo ist die Zeit geblieben?
Sie konnte sich daran erinnern früher Kastanienmännchen gebastelt zu haben. Ihre kleinen Hände, bunt mit Farben, betasteten die Kastanien und staunten über ihre Glattheit. Mittags gab es dann Kürbissuppe und Abends dann einen Kakao mit Sahnehäubchen und Marshmallows.
Nun waren ihre Hände markelos und manikürt.

Die Kinder vor ihr rannten nun lachend durch das Laub. Orangerote Blätter wirbelten durch die Luft. Kindergelächter tanzte sich in ihr Herz und blätterte durch ihre Erinnerungen, als ob sie Bilder in einem Fotoalbum wären. Der Tag an dem sie Fahrradfahren lernte, die Nachmittage, die sie damit verbrachte, mit ihren Freunden im Park Fußball zu spielen, ihr erster Kuss und leider auch das danach folgende Drama mit ihrem ersten Freund. Alles Erinnerungen, die im Herbst zwischen bunten Blättern und kalten Tagen entstanden.
Plötzlich wirbelte eine Briese die Blätter über die Straßen des kleinen verschlafenen Städtchen in ihre Richtung. Bunte Farbkleckse tanzten um sie herum, wirbelten ihre Haare durcheinander, die blonden Strähnen, erleuchtet von der Sonne, die vom pefekten blauen Himmel schien, wirkten, wie goldene Fäden.

Die junge Frau fasste einen Entschluss. Die Ladentür des kleinen Kaffeshops klingelte leise als sie eintrat. Wärme umhüllte sie auf ihrem Weg zum Tresen und vertrieb die Kälte von ihren Fingerspitzen.
"Was kann ich Ihnen bringen?" Der junge Mann lächelte sie freundlich an. Seine Augen erinnerten sie an die Farbe von Kaffe.

"Eine heiße Schokolade mit Sahne und Marshmallows bitte."