Das Monster im Wald

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Draußen im Wald, zwischen tanzenden Feen und edlen Elfen, zwischen hohen Bäumen, die den Waldboden von jeglicher Sonneneinstrahlung abschirmen, da lebt das Monster. Auf weichem, smaragdgrünem Moos hat es sich seinen Thron gebaut. Efeu umrankt die spitzen, gesplitterten Knochen aus denen der Thron besteht. Umringt von hohen Tannen und Steinkreisen, eine ganz normale Lichtung. Aber pass auf. Solltest du jemals die Lichtung mit dem knöchernen Thron betreten, wirst du sie nie wieder verlassen. Das Monster wird dich zu sich locken, nein nicht mit Gewalt, überwältigt von seiner grausamen Schönheit wirst du ihm freiwillig folgen, in seine klauenbesetzten Hände wirst du fallen, dem feinem Lächeln, gleich einem Raubtier mit scharfen Zähnen, wirst du verfallen, während die Feen um dich herumtanzen, dein Schicksal belachend, so wie bei schon so vielen vor dir.

So hüte dich vor dem Monster im Wald, nehme stets Salz und Eisen mit, trage immer etwas Rotes und drehe deine Klamotten um, wenn du ihn betrittst, denn dann hast du vielleicht eine Chance zu überleben.

Die Wahrung seiner Großmutter, hallte in seinem Kopf wieder. Der Wald ragte hoch vor ihm auf, eine Mauer, nein, eine Grenze zwischen dieser und der Anderswelt. So hatte es seine Mutter immer gesagt. Bedrohlich blickten die Bäume auf ihn hinab. Dunkelheit schien durch sie hindurch zu wabern. Er spürte ihre feindseligen  Blicke, hörte ihr Wispern und Lachen, gleich einer Briese in den Zweigen. Sehen konnte er sie jedoch nicht. 

Die Bäume schienen zu wachsen, ragten immer höher über ihn auf. Es war klar, dass der Wald ihn nicht willkommen heißen wollte, so wie er seinen kleinen Bruder willkommen geheißen hat. Vier Tage waren es jetzt schon. Vier Tage seit der kleine mit kupferroten Haaren bedeckte Kopf seines Bruders in diesem Wald verschwand. Verzweifelt hatte seine Mutter die örtliche Polizei angefleht, damit sie einen Suchtrupp losschickten. Niemand war lebensmüde genug das Reich der Feen zu betreten. Weswegen der junge Mann nun vor sieben Metern hoher Kiefern stand, zweifelnd, und bemüht das Richtige zu tun.

Es war seine Aufgabe gewesen an jenem Tag auf seinen Bruder aufzupassen. Er lag stattdessen high in seinem Zimmer, froh dem Stress und der Verantwortung für wenige Stunden zu entfliehen.  Nicht mehr zu denken, nicht mehr zu fühlen. Nun musste er den Preis dafür zahlen. 

Er holte einmal tief Luft, und betrat den Wald. Schlagartig wurde es still, so als konnten sie es nicht glauben, dass er diesen Schritt tatsächlich gewagt hatte. Seine roten Stiefel sanken leicht in das grüne, weiche Moos des Waldbodens, aus dem Nebelschwaden begannen aufzusteigen. Sein Atem wurde auf einmal zu weißen Wölkchen und er begann zu frieren. Das warme Futter nach außen gekehrt, zog er seine Jacke enger um sich. Den Kopf trotzig erhoben betrachtete der junge Mann den Wald. Einzelne Sonnenstrahlen, gebrochen durch das dichte Blattwerk der umstehenden Bäume, ließen die hauchzarten Tröpfchen, die das Moos benetzten, in allen möglichen Farben glitzern. Eine unwirkliche Schönheit, die nicht von auch nur einen Mucks unterbrochen wurde. Die Ruhe vor dem Sturm. 

Er verstärkte seinen Griff um das kleine Säckchen mit Salz und begann seinen Weg zur Rettung seines Bruders. 

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