1. Kapitel

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Es ist mal wieder einer der Tage. Eigentlich einer der Tage die die Leute als schön empfinden würden. Es ist verdammt sonnig. Wolken sind fast gar keine zu sehen, was selten in Pikinstaal ist. Und mir ist das auch lieber so. Mit den niedrigen Gebäuden und den schlichten, galtten Straßen von Pikinstaal entstehen fast gar keine Schatten. An solchen Tagen gehe ich vorzugsweise gar nicht raus. Zu wenige Schatten um den eigenen zu verstecken. Reflexartig schaue ich auf meinen Schatten runter. Er wippt auf und ab und Fuchtelt fröhlich mit den Armen umher.

"Warum bist du so?" Murmele Ich.

"Mali? Der Laden läuft nicht von allein, dein Bruder könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen!" Ruft meine Mutter von unten. Ich schaue aus dem Fenster. Im Moment ist die Straße leer. Wenn ich mich beeile könnte ich unbemerkt in zum Laden eilen ohne auf meinen Schatten achten zu müssen. Ich erhebe mich stöhnend von meinem Stuhl am Fenster und laufe die Treppen runter. Unten drückt mir meine Mutter einen Korb in die Hand. Sie ist eine alte Frau mit nicht allzuwenig Fett auf den Rippen. Doch man sollte sie nicht unterschätzen. In ihren früheren Tagen war sie Mitglied der Barren, eine Gruppe hochqualifizierter Kämpfer und Kämpferinnnen die zum Schutz des Kaisers zuständig waren. Und das merkt man ihr noch heute an.

"Gib das deinem Bruder, er soll es heute abend zu Arelius bringen. Da sind Nägel und Schießpulver für die Demonstration heute Abend drin, also lass dich damit nicht erwischen." Sagte sie.

"Ja, Mach ich."

Ich schlüpfe in meine Schuhe und schaue vorsichtig aus der Tür. Die Straße ist noch immer wie leer gefegt. Ich greife den Korb fester und stolper aus der Tür. Mein Schatten tanzt mir lebhaft hinterher. Nach ein paar Sekunden bin ich auf der anderen Straßenseite und betrete unseren Laden. Erik steht gelangweilt an der Kasse, doch als er mich sieht kommt leben in ihn.

"Ach, lassen sie sich ausnahmsweise auch mal hier Blicken? Die Waren im Lager räumen sich nicht von selbst auf!"

"Bring das Onkel Arelius heute abend." sage ich und stelle den Korb auf den Tresen.
Erik greift in eine Schublade und wirft mir den Schlüssel zum Lager zu. Als ich an ihm vorbei zum Lager gehe werfe ich einen Blick auf seinen Schatten. Sieht ganz normal aus. Wenn Erik sich allerdings bewegt, dauert es eine Sekunde bis sein Schatten seinem Beispiel folgt. Und auch dann sind seine Bewegungen lustlos und genervt. Ein besonders fauler Schatten.
Dennoch besser als ein tanzender. Damit erregt man nur Aufmerksamkeit der Scheden. Die halten ausschau nach Menschen mit besonders auffälligen und lebhaften Schatten. Die Schatten sollen angeblich die wahren Charakterzüge der Menschen widerspiegeln. Große Emotionen - vor allem Fröhlichkeit - wurden allerdings mit dem Beginn der Amtszeit von Eliba als Kaiserin verboten. Die Scheden wurden ins Leben gerufen, mit der Aufgabe alle Menschen mit besonders starken Emotionen und auffälligen Schatten einzufangen. Nach einigen Monaten waren die Gefängnisse bis zum Rand voll. Als Strafe für zu viele Emotionen stand der Tod. Nach einer Woche fingen die Exekutierungen an. Langsam leerten sich die Gefängnisse.
Das Volk war verstört. Zumindest die die übrig waren. Denn viele waren das nicht. Deswegen war es früher noch normal das die Straßen leer waren. Bis heute ist das Volk allerdings wieder gewachsen und sogar größer als je zuvor geworden. Leere Straßen sind hier eher selten.

Ich schließe die Tür zum Lagerraum auf. Große regale und Schränke stehen an den Wänden oder mitten im Raum, bis zum Rand gefüllt mit Konserven Dosen. Konserven sind eigentlich das einzige was wir verkaufen, außer manchmal frischen Käse. Den kriegen wir von unserer Tante wenn sie uns mal besuchen kommt. Sie besitzt den größten Bauernhof in Pikinstaal, wenn man vom Bauernhof der kaiserlichen Familie absieht. Die Bürger werden allerdings gezwungen jede Woche mindestens einmal Produkte von dort zu kaufen, sonst droht eine Geldstrafe. Früher träumten viele menschen davon, hier in Pikinstaal zu wohnen. Weil man hier frei sein konnte. Heute versuchen fremde so gut wie möglich Diese riesige aber trotzdem triste Stadt zu vermeiden.
Ich sehe mich im Lager um. In der hinteren Ecke stehen noch die verschlossenen Kisten der letzten Lieferung. Die Regale sind zwar fast voll, für die paar Kisten sollte es aber grad noch reichen. Ich ziehe mein Messer aus der Hosentasche und mache mich an den Kisten zu schaffen. Als sie offen sind begutachte ich den Inhalt. Eingelegter Thunfisch und Essiggurken. Welch Gaumenschmaus.
Im selben Moment bimmelt die Glocke über der Eingangstür. Mehrere Kunden betreten den laden. Ich erstarre. Das sind Scheben. Der Klang iherer metallenen Schuhsohlen ist unverwechselbar.
Sie wenden sich an meinen Bruder.

„Befindet sich Mali Augustus Vermont hier? Es liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor."

SchattenspielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt