Meine Wohnung lag in kompletter Dunkelheit. Ich genoss den ruhigen, einsamen Abend. Eisiger Schneeregen schlug gegen das Fenster und übertönte das Rauschen meines Radios. Puschii lag in Frieden auf meinem Schoss und schlief, während ich Zeitung las. Das war auch nur möglich, da meine Augen perfekt an die Dunkelheit angepasst waren. Dies war nur eine der vielen Fähigkeiten die man als Schattenwesen genoss. Ausser meiner Katze und dem Essen war ich der einzige in diesem Apartment. Generell hatte ich keine Verwandte und keine Lust auf Menschenfreunde. Warum auch? Mehr als achtzig Jahre lebten die doch eh nicht. Plötzlich klingelte es an der Tür, zweimal und schnell hintereinander. Ein Schwall mörderischer Wut überkam mich. Wer wagte es mich zu stören? Dennoch blieb ich ruhig, schaltete langsam das rauschende Radio aus, scheuchte Puschii weg, hievte mich vom Sofa hoch und schlenderte zur Tür. War es der Pizzabote? Der hätte eigentlich schon vor zwei Tagen kommen sollen, tja, vielleicht hatte er es sich ja doch noch anders überlegt. Doch dann roch ich sie und ihr beissender Lavendelgeruch. Ruckartig blieb ich stehen. Der Duft meiner Sekretärin drang durch das Schlüsselloch meiner Tür. Ich sollte vielleicht anmerken, dass die Lavendel Sekretärin zugleich auch meine Nachbarin ist. Mit einer schnellen Bewegung öffnete ich die Tür.
Im Treppenhaus lag komplette Finsternis. Jemand sollte die Lampen hier echt mal reparieren. Bis auf Daija's schneller, ruckartiger Atem war es totenstill. Ihre Augen waren vor Furcht weit aufgerissen und ihre Haut so blass wie Schnee. "Kann ich dir helfen?", die Worte rutschten mir raus, ehe ich darüber nachdenken konnte. Es war nicht immer einfach so zu tun, als ob sie mich interessierte. "Jemand ist in meiner Wohnung." Presste sie leise hervor und schaute verstört den Korridor hinunter, zu ihrer Wohnung. Die Tür war offen. Ihr ganzer Körper zitterte vor Aufregung. Ich zog sie vorsichtig am Arm in meine Wohnung und schloss die Tür hinter uns. Dann knipste ich das Licht an. Ich musste sie irgendwie beruhigen. "Ganz ruhig. Atme erst einmal durch. Wie kommst du darauf, dass jemand in deiner Wohnung ist?" Sagte ich mit weicher Stimme. Ihr Puls verlangsamte sich ein bisschen. "Ich habe Schritte gehört, schnelle, klare, Schritte. Es war ganz bestimmt kein Tier. Bitte du musst mir helfen!" Ich versuchte mein Seufzen nicht allzu genervt klingen zu lassen. So viel zu meinem ruhigen Abend. "Ruf doch einfach die Polizei. Die wissen was zu tun ist." Plötzlich polterte es hinter der Tür. Sie zuckte zusammen. Ihre Hände hatten sich vor Schreck in meinen Pullover gekrallt, doch als sie es realisierte zuckte sie sofort zurück. Ihr Blick senkte sich, ihr Herz schlug schneller. Was soll das? Es schien fast so als ob diese Frau Drama in Person war. Auch wenn es nicht ihre Schuld war, dass sie auf mich stand. "Ich kann die Polizei nicht rufen," dann fügte sie leise hinzu: "hab meine eigenen Gründe." Ich schwieg. Sie hatte also auch ihre kleinen Geheimnisse. Mir war es nur recht, die Polizei bedeutete sowieso nur unnötigen Stress. "Nun gut, ich schau es mir mal an. Bleib du hier, ok?" Ungläubig sah sie mich an. "Ich glaube es ist keine so gute Idee, wenn du da alleine rein gehst." Wortlos schob ich mich an ihr vorbei und öffnete die Tür. "Was hat ein Mann wie ich schon zu verlieren?" Mit einem Grinsen schloss ich die Tür hinter mir. Zielstrebig ging ich auf das offene Apartment zu. Etwas in mir hoffte innig, dass da jemand war. Dann hörte ich ihn auch schon. Den Herzschlag eines adrenalinerfüllten Einbrechers.
Jetzt musste ich ganz leise sein. Ich wollte ihn doch nicht verschrecken. Lautlos liess ich mich in die Wohnung gleiten und schloss leise die Tür. Alles in der Wohnung war wie in schwarze Tinte getaucht. Genauso wie ich es wollte. Dann hörte ich ein Atmen. Der Einbrecher war zweifellos im Schlafzimmer. Ein Mann, mittleren Alters, Blut Typ A und definitiv ein Vodka-Fan. Er war allein. Lautlos lief ich zum Schlafzimmer. Der Schein seiner Taschenlampe streifte hektisch umher, als ich mich hinter den Schrank gleiten liess. Der Typ stank nach Schweiss und Alkohol. Daija war vielleicht nicht die schönste Frau, die mir je begegnet war, doch dafür war sie nicht auf den Kopf gefallen. Irgendwas in mir war froh, dass sie in Sicherheit war. Das hätte sonst böse enden können. Was dachte er wer er war, mit seinen Adidas Hosen und fake Lacoste Schuhen? Dafür war ich nun umso heisser darauf diesen Typen sterben zu sehen. Mit einem Ruck schoss ich vor, riss ihm die Taschenlampe aus der Hand, packte ihn am Kragen und schleuderte den Dreckskerl quer durch den Raum. Sein schmerzerfüllter Schrei wirkte wie Benzin auf mein Feuer. Noch bevor er richtig auf die Beine kam, schnellte ich auf ihn zu und riss ihm mit der rechten Hand einen seiner Arme aus dem Schultergelenk. Mit der linken packte ich sein hässliches Gesicht und schleuderte ihn Kopf voran zu Boden. Die Geräusche, die er von sich gab, waren zu schmerzerfüllt, als dass man sie als Schreie hätte bezeichnen können. Sein Körper wand sich nun ängstlich unter meinem. Verzweifelt zog er ein Messer aus der Jackentasche und versuchte vergeblich mich damit zu verletzen. Mit aller Kraft drückte ich ihn zu Boden, immer fester und fester. Ich fühlte mich so angenehm leer. Gezwungenermaßen musste ich ihm ein herumliegendes T-Shirt in den Mund stopfen, um seine Schreie zu unterdrücken. Dann war es soweit, das ersehnte Knacksen. Sein Brustkorb war durchgebrochen. Zufrieden schlug ich seinen Kopf noch ein paarmal heftig gegen den Boden, sicher war sicher. Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Das wunderbare Gefühl, das ich jetzt verspürte, war besser als jede Droge; es war pure Macht. Zu schade, dass ich ihn noch nicht kosten durfte, vielleicht musste ich Daija noch erklären, warum er wie ein Haufen Matsch aussah.
"Jefim?" erklang es plötzlich leise von der Haustür. Mein Herz schlug auf einmal zehn Mal schneller. Seltsam. Irgendwas stimmte heute echt nicht mit mir. Ohne zu zögern riss ich das Fenster auf und warf das Arschloch aus dem siebten Stock. Da stand sie auch schon im Türrahmen. Mit meiner Hausschere bewaffnet starrte sie verstört auf die Blutlache in den Raum. "Oh mein Gott. Bist du in Ordnung?! Ich habe Schreie gehört, was ist passiert?" fragte sie. Ich bemühte mich durch gespieltes auf und ab Atmen so auszusehen, als ob mein Körper sich gerade ernsthaft angestrengt hätte. Mit wenig Erfolg. "Er ist gerade aus dem Fenster entkommen. Er war hier drin und ich wollte ihn sachlich konfrontieren, da hat er mich attackiert." Sie schaltete das Licht an und stürzte auf mich zu. "Bist du verletzt? Warum ist hier so viel Blut?" für einen Moment sah ich ihr sprachlos in die Augen. Machte sie sich gerade ernsthaft Sorgen um mich? Erst nach ein paar Sekunden konnte ich mich wieder von der Starre losreissen. "Alles gut, mir fehlt nichts. Er hatte ein Messer, ich konnte es ihm entreissen und mich damit wehren." Wir blickten beide auf das Messer, das noch immer blutverschmiert am Boden lag.
Der Wind pfiff durch das offene Fenster und auf einmal war der ganze Raum eiskalt. "Wir müssen das unbedingt sofort reinigen. Blut hinterlässt hartnäckige Flecken." Glaub mir ich kenn mich aus.- Hatte ich noch sagen wollen, beschloss aber es lieber nicht zu tun. Hektisch sprintete sie aus dem Raum und kam schon nach ein paar Sekunden mit Lappen und Besen in der Hand zurück und wir machten uns ans Putzen. Während wir ihr Schlafzimmer von den Überresten des ungewollten Gastes befreiten, schien sie sich ein bisschen zu beruhigen. Die ganze Zeit über verlor keiner von uns ein Wort. Ihr Herz schlug nicht mehr ganz so wild, doch ihre Hände zitterten immer noch. Was machte ich hier eigentlich? Ich opferte meine Zeit für dieses schwache kleine Menschlein. Und doch war da etwas Spezielles an ihr, etwas was mich faszinierte, schon lächerlich wie tief ich gesunken war. Als wir fertig waren setzte sie sich erschöpft auf das Bett. "Danke. Ich weiss nicht was ich ohne dich gemacht hätte." sagte sie nach einer Weile leise. "Kein Problem, hatte sowieso keine Pläne für heute Abend." Ich liess meine Stimme absichtlich ein wenig wärmer als sonst klingen, denn sie wirkte noch immer als wäre sie in Schock. Nachdenklich sah ich sie an. Sie wollte offensichtlich nicht, dass jemand, besonders die Polizei auf sie aufmerksam wurde. Vielleicht war diese Frau doch interessanter als ich dachte. Ich liess meine Augen durch ihr Schlafzimmer schweifen und ein schwaches Grinsen entfuhr mir. Alles war voller kleiner Andenken an Reisen und Menschen, unzählige Postkarten und Bilder überfüllten die Wände und auf ihrem Nachttischchen stand eine pinke Lampe in Form einer Katze. Jetzt wo ich genauer darauf achtete, bemerkte ich auch den leicht süsslichen Duft der sanft durch die Luft trieb. Es war, als ob sie in ihrer eigenen kleinen Märchenwelt lebte. "Schön hast du es hier", warf ich ein. Sie schmunzelte verlegen. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten und erst jetzt bemerkte ich, dass sie aussah als wäre sie um Jahre gealtert. Die kleine Katzenförmige Uhr an der Wand zeigte 01:00Uhr. Es wäre wohl am besten ich würde jetzt gehen, ich musste mich so schnell wie möglich um den Leichnam kümmern. "Ich glaube du solltest jetzt schlafen. Morgen müssen wir wieder früh im Geschäft sein. Versuch das heute zu verarbeiten." Die Wärme aus meiner Stimme war verflogen, doch sie schien das gar nicht mehr zu merken, denn ihre Augen konnte sie nur noch mit Mühe aufhalten.
Es war als ob ihre Haut im Mondschein schimmerte als ich mich von ihr verabschiedete. Ihre halbgeschlossenen braunen Augen glänzten mir schläfrig nach als ich durch ihre Tür hinaustrat. Kaum hatte ich ihre Wohnung verlassen, stürzte ich die Treppe zum Hauteingang hinunter. Das karge Licht einer Strassenlaterne schien schwach durch die zerschlagene Glasscheibe der Haupteingangstür. Eine Reparatur war echt nötig. Es wütete ein kleiner Schneesturm, als ich heute schon zu zweiten Mal in die Nacht hinaustritt. Nach nur wenigen Sekunden hatte ich ihn auch schon gefunden. Der Einbrecher, oder das was von ihm übrig war, lag zerschlagen auf dem Vorplatz des Gebäudes. Wir schienen allein zu sein. Vorsichtshalber hielt ich mich in der Dunkelheit versteckt, als ich langsam auf den traurigen Haufen zuging. Als ich seinen Duft in der eisigen Luft roch, lief mir das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte Glück, denn ganz zerfetzt war er nicht. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Zum Glück gab es keine Überwachungskameras in unserem Viertel und der Schnee würde blutige Spuren genug überdecken, so dass sie niemand bemerkte. So schnell ich konnte sprintete ich die Treppe wieder hoch, ging in meine Wohnung und holte einen großen Plastiksack. Puschii sah mich verständnislos an als ich an ihr vorbei zischte. Wieder unten angekommen packte ich den Körper hastig in den Beutel und schleppte alles zu mir in die Wohnung hinauf.
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Farbige Schatten
RomanceJefim Sorokin ist ein ganz normaler Anwalt mit einem ganz normalen, monotonem Alltag. Naja fast, mal so abgesehen davon das er schon hunderte Jahre alt ist und Menschen zum Frühstück geniesst. Kurz gesagt, er ist ein Dämon. Dies klingt für die meist...