So kostbar wie Seide

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Wollte ich die Geschenke wirklich haben?

  Während ich mein nun schon zweites Kuchenstück nahezu verschlang, beäugte ich den mit einem rosafarbenen Seidentuch bedeckten Tisch mit Geschenken. Die Wölbungen des Stoffes ließen viele kleine, verpackte Schachteln erahnen, dessen Inhalt mich doch irgendwo ganz tief in mir auf eine merkwürdige Art und Weise interessierte. Kurz stockte ich in meiner Bewegung, die Gabel in meinen Mund zu stecken, als mich der Gedanke beschlich, dass ich schon viel zu lange mit diesen Vampiren verkehrte. So lange, dass sie sogar meine niedersten Feindseligkeiten zu Wünschen umkehrten. Gruselig, wie ich fand.

  Mein Blick schweifte zum wiederholten Male von dem Tischchen zu den sieben Personen, die mit mir an der übergroßen Tafel saßen. Vor jedem von ihnen türmte ein exakt aus der hochstöckigen Torte getrenntes Kuchenstück, noch immer waren diese  - bis auf zwei – so unangerührt wie vor einer halben Stunde, als Alice Kellnerin gespielt und jedem eines aufgetan hatte. Ich biss mir vorsichtig auf die Innenseite meiner Wange um nicht laut loszulachen bei dem durchaus bizarren Bild, das sich mir bot.

  Edward und Alice – sie hatten sich jeweils an einer Seite meinerseits platziert – nahmen ab und zu die Kuchengabeln in ihre Hände, streiften mit diesen kurz das Sahnehäubchen über der Aprikosenschicht und leckten sie widerwillig ab, ohne dabei ihr bezauberndes Lächeln zu verlieren, hinter dessen Maske sie einen angewiderten Ausdruck zu verstecken versuchten. Esme und Carlisle schauten ein paar Mal auf ihr Tortenstück, doch rührten es nicht an, lächelten mich derweil ebenso herzlich wie liebevoll an. Emmett und sogar Jasper dagegen aßen großzügigere Bissen ihres Kuchens, sie schienen sich langsam – und wieso auch immer – an den eigentlich für sie ekligen Geschmack der Menschennahrung zu gewöhnen. Nur Rosalie warf ihrem Teller missbilligende und vernichtende Blicke zu, als wäre die Porzellanscheibe schuld an meiner Existenz.

  „Und, Bella, schmeckt es dir denn?“, fragte Edward vorsichtig in die stille Runde.

  Ich schluckte meinen letzten Bissen hinunter und sah ihn fragend an. „Ähm … Ich habe gerade zwei Stücken gegessen, Edward.“

  „Das muss ja nichts heißen“, warf Emmett mit einem breiten Grinsen ein.

  Ich grinste zurück. „Erklär du mir erstmal, warum du so viel Kuchen isst, Emmett.“

  Edward neben mir schnaubte. „Er und Jasper haben eine Wette laufen.“

  „Soll ich euch verraten, wer gewinnt?“, fragte Alice und schmunzelte ebenfalls.

  „War nicht anders zu erwarten“, erwiderte Edward zusammenhangslos.

  Emmett sah beinahe bestürzt aus. „Was, werde ich verlieren?“ Sofort stopfte er sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund.

  „Ja, finde ich auch“, meinte Edward an Alice gewandt, „wie damals beim Armdrücken …“

  Als alle am Tisch sitzenden anfingen zu lachen, runzelte ich die Stirn.

  „Stopp mal, bitte!“ Ich hob meine Hände und sah einen nach dem anderen an. „Tut mir ja wirklich leid, aber könntet ihr euch eure merkwürdigen Konversationen für später aufheben, wenn ich nicht mehr da bin? Das wäre wirklich sehr nett, denn ich verstehe noch nicht einmal die Hälfte.“

  Na toll, dachte ich, als das schallende Gelächter fortgesetzt wurde. Jetzt war ich schon zu einer Lachnummer mutiert. Hervorragend.

  „Emmett wurde eine Zeit lang des Öfteren von Jasper beim Armdrücken geschlagen“, erklärte Edward mir dann freundlicherweise.

  Wie ich damals – oder bald? – in meinem Neugeborenendasein …

  Ich überspielte die Traurigkeit, die sich für eine Sekunde in mich geschlichen hatte. „Emmett? Aber, ist er nicht der Stärkste?“

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 27, 2015 ⏰

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Bis(s) zum Erwachen - Schatten der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt