Um mich herum war es schwarz. Die Dunkelheit klaffte wie ein großes schwarzes Loch in meinem Zimmer und drohte, mich zu verschlingen. Nur das grüne Licht meines Radioweckers ließ mir ein Stück meiner Realität.
Alles war verschwommen. Ich wollte die Augen öffnen aber bekam sie nur halb auf. Angst.
Ich wollte mich hinsetzen aber eine unfassbar starke, unsichtbare Kraft fesselte mich an mein Bett. Panik.
Ich atmete schneller, meine Gedanken rasten. Ich konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Sie kamen und gingen. Ich versuchte mich an einem fest zu klammern aber sobald ich meine Hand ausstreckte um ihn zu halten, löste sich der Gedanke auf und verschwand in der Dunkelheit.
Und dann spürte ich es. Ich hörte es atmen, rauschen. Ich spürte seine Anwesenheit in meinem ganzen Körper. Ich spürte seine Gedanken als wären es meine. Ein Gefühl was über Panik hinaus ging machte sich in mir breit: Todesangst. Ich wollte meine Augen schließen aber ich war wie gelähmt. Ich bekam keine Luft. Er war jetzt ganz nah an meinem Ohr und zischte mir grausame Dinge zu ohne zu sprechen und doch halten seine Worte in meinem Kopf wieder und verwandelten sich in die Realität.Leiden, Geisteskrankheit, Tod.
Geister, Monster, Dämonen.
Freunde, Fremde, Feinde.Aus Worten wurden Gedanken aus Gedanken wurden Bilder und aus Bildern erntstand die Realität. Ich sah alles. Ich wollte das nicht sehen. Eine Träne floss über meine Wange. Ich sah meine größten Ängste vor mir, ich spürte meine tiefsten und dunkelsten Emotionen. Ich wollte endlich raus. Ich wollte schreien und schlagen aber alles was sich bewegte war mein kleiner Finger.
Es lachte hämisch und gemein. Ich hatte es noch nie gesehen aber wusste, wie es aussah. Es hielt mich gefangen in seinem eisernen Griff. Ich war sein Spielzeug. Es benutzte mich. Ich konnte nichts tun. Ich konnte es nur zu lassen und hoffen, dass es bald ein neues Spielzeug findet.
Ein letztes Mal nahm ich all meine Kraft zusammen. In mir entstand ein Krieg zwischen mir und ihm. Wir bekämpfen uns bis aufs Blut. Bis zur totalen Erschöpfung.
Es funktionierte. Die Dunkelheit löste sich auf. Der erdrückende Schleier löste sich und ich sah wieder klar.**06:47**
Meine Uhrzeit. Ich konnte sie sehen.
Ich setzte mich in meinem Bett auf und sah mich um. Es war alles in Ordung. Keine grausamen Dinge mehr, keine Angst, keine Panik, keine Todesangst. Und das wichtigste: Es war nicht mehr hier. Er war mit der Dunkelheit verschwunden. Und für heute war ich sicher.Ich stand auf und ging ins Bad um mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich schlich über den Flur und sah mich unsicher um. Seid dem Es zu mir kam hatte ich Angst vor der Dunkelheit. Panik. Todesangst. Der Flur war dunkel. Und lang. Eine Kombination, die nach einer schlafparalyse nicht wirklich schön war. Ich tastete nach dem Lichtschalter. Verdammt. Wo war er? Meine Hand tastete sich von oben nach unten an der kalten Raufasertapete aber konnte keinen Lichtschalter finden. Mein Herz fing an zu Rasen. Augenblicklich schüttete Mein Körper Adrenalin aus. Was, wenn das einer dieser Albträume ist, in denen das Licht nicht funktioniert und gleich steht irgendwas grausames vor mir? Es war viel zu real, das würde ich niemals durch halten. Nicht jetzt. Nicht nach dieser Nacht. Ich fing an zu zittern und schaute mich panisch um. Nichts. Da!
Der Lichtschalter. Ich schloss die Augen und drückte drauf. Das Licht füllte sofort den Flur, der jetzt gar nicht mehr so lang schien. Ich atmete erleichtert auf. Meine Herzschlag beruhigte sich wieder. Kein Albtraum. Keine Schlafparalyse. Nur ich.Und ich war wach.
Übermüdet und unkonzentriert saß ich am nächsten Morgen in der Schule. Ich ging in die 10.Klasse einer Realschule in einer Kleinstadt. Diese Nacht hatte mir mal wieder den letzten Nerv geraubt. Meine Augenlider waren schwer wie Blei und egal wie sehr ich versuchte, meinem Lehrer zu zuhören, es klappte einfach nicht. Ich fiel dauernd in Sekundenschlaf und wachte dann jedesmal mit einem Schreck wieder auf. Ich hatte Glück dass mein Lehrer einer dieser Menschen war, die verstanden, dass auch Schüler mal einen schlechten Tag oder eine schlechte Nacht haben konnten. Viele Lehrer sahen in ihren Schülern ja nur Maschinen. Sie prügelten uns das Wissen regelrecht ein und das meiste davon konnten wir uns sowieso nicht merken, da es so schnell in unsere Köpfe musste, dass keine Zeit dafür war das Thema überhaupt zu verstehen. Also setzten die meisten von uns auf „Bullemie-lernen" welches für Klausuren und Tests sicher sehr nützlich war, nicht jedoch für das Langzeitgedächtnis.
Aber so war Herr Gilbert nicht. Herr Gilbert war ein Mann mittleren Alters mit freundlichen Augen und halbglatze. Er unterrichtete Naturwissenschaften und erinnerte mich ein bisschen an einen zerstreuten Wissenschaftler. Er vergaß ständig Dinge. Wann wir den nächsten Test schreiben, bei welcher Klasse er gerade unterrichten sollte oder wo er das letzte Experiment abgestellt hatte, was manchmal ziemlich fatal war, aber weder ihn noch seine Schüler sonderlich störte. Er hatte nur eine Regel: Steh zu deinen Taten.
Die meisten von uns waren schlau genug dies auch zu tun. Wenn jemand Mist gebaut hatte und zu Herr Gilbert ging um zu beichten, dann setzte sich Herr Gilbert für eine Strafminderung ein und schaffte es meistens, dass der Übeltäter ohne Strafe davon kam. Leugnete aber jemand seine Taten, dann war Herr Gilbert gar nicht mehr freundlich. Er hasste es angelogen zu werden und kam heraus, dass jemand tatsächlich auf diese Idee gekommen war, dann machte Herr Gilbert kurzen Prozess. Um das zu erklären: Schlug der Schulleiter 1 Woche nachsitzen vor, machte Herr Gilbert 4 Wochen daraus und gab den Eltern des Täters einen umfangreichen Bericht über die Taten ihres Kindes. Viele feige Schüler möchten ihn deswegen nicht, denn sie wollten natürlich keine Bestrafung für das, was sie getan hatten und schon gar keine 4 Fache. Zugeben wollten sie ihre Fehler schon gar nicht. Also redeten sie schlecht über ihn, was mich jedesmal wütend machte. Herr Gilbert war der fairste Lehrer, den ich jemals hatte. Selbst wenn wir privat Probleme hatten, half er uns. Und das tat er auch bei mir.
Als ich mir das zweite Mal meinen Kopf lautstark an der Tischkannte stieß, weil ich ihn dummerweise im Schlaf nicht oben halten konnte, kam er zu mir und fragte, ob alles okay bei mir war. Ich schaute mich verwirrt um. Die ersten paar Sekunden war alles verschwommen und ich sah nur die Umrisse seines Körpers. Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder. Ob alles okay bei mir war? Das war wirklich eine gute Frage. War es „okay" das man aufwachte und quasi gelähmt war? War es „okay" dass man halluzinierte? Und das wichtigste: Sollte man das seinem Physik-Lehrer unter die Nase reiben? Wohl kaum. Herr Gilbert war wirklich lieb aber ich glaube, hätte ich ihm das erzählt, hätte ich schneller eine Zwangsjacke an meinem Körper als ich Spaghetti Bolognese sagen kann.
Also nickte ich nur schwach und lächelte.
„Schlecht geschlafen", krächzte ich ihn an. Oh verdammt. Ich hatte den ganzen Tag kaum geredet und jetzt klang ich auch noch, als hätte ich drei Schachteln Zigaretten auf einmal geraucht.
Herr Gilbert zog seine Augenbraue hoch und schaute mich misstrauisch an.
„Okaaaay..aber wenn es dir nicht gut geht, dann sag bitte Bescheid.
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Paralyzed
Misterio / SuspensoSchlaf sollte erholsam sein. Schlaf sollte friedlich und schön sein. Schlaf sollte so vieles sein, was er nicht ist. Nicht für mich. Anabelle kämpft mit Schlafparalysen. Grausame Hallozinationen zwischen Schlaf und Bewusstsein. Doch zwischen der Re...