Epilog

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"Klopf Klopf." Manuel seufzte leise und setzte sich langsam auf, während er die Maske abnahm. Patrick klang nüchtern. Oder zumindest nüchterner, als die letzten drei Tage.

Das lag aber vermutlich nur daran, dass Manuel am Vorabend, als Patrick mal wieder eingeschlafen war, in einer Nacht und Nebel Aktion, die letzten Flaschen mit Alkohol geöffnet und in den Abfluss geschüttet hatte.

Deswegen war Patrick jetzt schon wach und vor der Schlafzimmertür und nicht betrunken auf dem Sofa. Ihm fehlte der Nachschub, es wäre töricht anzunehmen, dass er freiwillig nüchtern war.

"Manu?" Patrick klopfte erneut an die abgeschlossene Tür. "Ich hab Kaffee gekocht." Seine Stimme klang freundlich, wenn auch etwas müde. Manuel legte die Schlamaske auf den Nachttisch und erhob sich, weil sein bester Freund tatsächlich nüchtern schien.

"Ich komme." Rief er Richtung Tür und atmete tief ein und aus. Dann ging er zu der Tür und schloss sie auf.

Als Patrick eintrat, schwankte er nicht. Die Tasse in seiner Hand war mit tief schwarzem Kaffee gefüllt und roch verlockend.

"Für dich." Sagte er mit einem vorsichtigen Lächeln. Manuel nahm die Tasse entgegen und ging zurück zu seinem Bett, um sich darauf nieder zu lassen. Patrick blieb etwas verloren in der Tür stehen und strich sich durch die Haare.

"Musst du heute arbeiten?" Fragte Patrick in die Stille. Manuel nahm einen Schluck des heißen Getränks und schüttelte müde den Kopf. Er hatte sich vor drei Tagen krank gemeldet, weil er Patrick nicht allein hatte lassen können.

Davon wusste sein Freund wohl nichts mehr. Kein Wunder. Er war so betrunken gewesen, dass Manuel bezweifelte, dass er sich noch an überhaupt etwas erinnerte.

"Wie geht es dir?" Fragte er leise, als Patrick nicht weiterfragte. Der zuckte mit den Schultern. "Ich hab mir eine Tablette gegen die Kopfschmerzen genommen. War das in Ordnung?" Manuel nickte und sagte nicht, dass Patrick in den Kopfschmerzen selbst Schuld war.

Wenn Patrick ausnahmsweise halbwegs nüchtern war, dann redeten sie nicht über den anderen Zustand.

Manuel wusste nicht, was Patricks Motive dafür waren, aber er selbst hatte keine Lust, sich die wenigen erträglichen Minuten auch noch zu versauen.

"Darf ich mich zu dir setzen?" Manuel nickte erneut und nahm einen weiteren Schluck. "Wir müssen reden." Erklärte Patrick, während er zu ihm kam und sich mit etwas Abstand zu ihm auf die Matratze setzte.

"Über was?" Manuel rutschte das Herz in die Hose, er versuchte sich das nicht anmerken zu lassen. Patrick fuhr sich durch die Haare und seufzte.

"Meine Mutter hat mich angerufen." Sagte er leise. Manuel wendete den Blick ab und sagte nichts. Er wusste ohnehin, was kommen würde. "Sie hat mir von eurem Gespräch erzählt." Ergänzte Patrick.

"Und du bist nicht sauer?" Fragte Manuel und stellte fest, dass er die Finger fest um die Tasse geklammert hatte. Patrick seufzte leise. "Ich war sauer. Sehr sauer sogar. Aber jetzt bin ich nicht mehr sauer."

Einige Momente lang war es still, sie warteten beide darauf, dass der andere weiter redete, dann erbarmte sich Patrick.

"Sie hat mir erzählt, dass sie dir gesagt hat, dass du mich rauswerfen sollst." Manuel nickte. "Aber das hast du nicht." Manuel nickte erneut.

"Du hast mir gesagt, dass du mich rauswerfen würdest, wenn ich mich betrinken würde. Hast du aber nicht. Nicht einmal, als ich alle Grenzen überschritten habe."

Manuel wusste nicht, auf welche Situation Patrick genau anspielte. Es hatte in den letzten Tagen und Wochen zu viele gegeben, die jetzt in Frage kamen. Letztendlich war es auch egal.

"Und das wirst du auch nicht, oder?" Patricks Frage riss Manuel aus seinen Überlegungen, er sah auf. Biss sich auf die Unterlippe und schüttelte langsam den Kopf. Nein, er würde Patrick nicht rauswerfen.

"Warum nicht?" Manuel hatte keine Antwort auf Patricks Frage. Er zuckte hilflos mit den Schultern und biss sich auf die Unterlippe. "Naja... Wir sind Freunde. Du machst grad eine schwere Phase durch, da kannst du jede Hilfe brauchen. Außerdem, wo sollst du sonst hin?"

Patrick seufzte leise und stützte das müde Gesicht in die Hände. "Ich habe dir weh getan." Sagte er dann. Das konnte Manuel bestätigen. Sein Handgelenk war schon wieder blau.

"Psychisch und physisch. Und ich werde es wieder tun." Manuel nickte langsam. "Du wirst auch wieder damit aufhören und dann wird wieder alles wie früher. Es ist nur eine schwere Phase und die stehen wir gemeinsam durch." Sagte er mit fester Stimme. Seine Hände zitterten so sehr, dass er die Tasse wegstellte, um nichts von dem Kaffee zu verschütten.

"Manu." Patrick wendete ihm den Blick zu. "Das ist keine Phase. Und wenn es eine ist, dann ist sie schon mehrere Monate lang."

Manuel stellte seine Tasse zur Seite und griff Patricks Hand. "Was soll das heißen?" Wollte er wissen. Patrick richtete den Blick gen Boden und schloss kurz die Augen.

"Das soll heißen, dass sich nichts ändern wird." Obwohl Manuel mit der Antwort gerechnet hatte, machte sie ihn sprachlos.

"Es wird sich nie etwas ändern, Manuel." Patrick klang so ernst wie nie zuvor. "Du wirst weiter zur Arbeit gehen und wenn Du nach Hause kommst, dann bin ich da und vielleicht habe ich etwas gekocht, aber wahrscheinlich bin ich betrunken. Wir werden streiten, du bist müde und ich bin betrunken und wir werden noch mehr streiten."

"Sag so etwas nicht." Sagte Manuel etwas unwirsch und drückte Patricks Hand. "Sei nicht blöd. Wir bekommen das alles wieder hin. Ich werde bei mir auf der Arbeit nachfragen, ob die noch Küchenhilfen suchen und wenn du einen Job hast, wirst du auch weniger trinken." Patrick seufzte leise und zog seine Hand weg.

"Ich habe meine Sachen gepackt." Sagte er. Manuel blieben die Worte im Hals stecken. "Was soll das heißen?" Stieß er krächzend hervor. Patrick lächelte traurig und stand auf. "Ich habe mich selbst in eine Klinik eingewiesen, weil du es nicht gemacht hast."

Er ging zur Tür und Manuel folgte. Er packte Patricks Handgelenk und hielt ihn fest.

"Du willst einfach gehen." Patrick nickte. "Einfach ist das nicht." Sagte er dann. "Aber meine Mutter hat mir die Augen geöffnet. Ich bin gekommen, weil ich deine Hilfe brauchte. Du hast mir geholfen, Manu, dich trifft an der Situation keine Schuld. Aber was du getan hast, ist nicht das, was ich brauche."

Einem inneren Impuls folgend neigte Manuel sich zu Patrick und küsste ihn dann doch nicht.

"Kann ich dich besuchen kommen?" Fragte er leise und versuchte irgendwie zu verarbeiten, was er da gerade gehört hatte. Patrick nickte und zuckte zugleich auch mit den Schultern. "Weiß ich nicht. Wenn ich telefonieren darf, dann rufe ich dich vielleicht mal an."

"Soll ich dich begleiten?" Fragte Manuel weiter und griff Patricks Hand. Er wollte nicht, dass sein Freund ging. "Nein. Ich schaff das schon." Gab Patrick zurück.

Er löste sich von Manuel und schob ihn sanft zurück ins Schlafzimmer.

"Tschüss, Manu."

Manuel stand einfach da und sah zu, wie Patrick sich weg drehte und das Schlafzimmer verließ.

Die Wohnungstür fiel mit einem leisen Klacken ins Schloss und Manuel war wieder allein.

Broken Bottles ~ Kürbistumor Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt