Ein Rückzugsort
Als ich wieder aufwachte, fuhren wir noch immer. Yelena schlief noch am Beifahrersitz. "Soll ich mal fahren, du bist doch bestimmt müde?" Natascha lachte. Schon gut. Ich kenne deine Fahrkünste. Außerdem weißt du nicht, wo wir hin müssen und wir sind sowieso bald da."
Es fing bereits an, hell zu werden. Natasha musste die ganze Nacht durchgefahren sein. Wie fuhren einen Feldweg entlang. Durch den unebenen Untergrund wurde nun auch Yelena wach. Am Ende des Weges war auf dem Feld ein Hubschrauber abgestellt. Wir stiegen aus dem Wagen und ein Mann empfing uns. „Das ist aber kein Jet!", sagte Natasha zu ihm. „Mehr war nicht möglich. Mit mehr Geld und Zeit hätte ich etwas besseres organisieren können. Aber er fliegt." Er ließ eine Tasche auf den Boden fallen. Yelena stürzte sich förmlich auf die Tasche und holte einen Müsliriegel heraus. „Oh den solltest du nicht essen, der ist da schon lange drinnen!" In diesem Moment biss Yelena schon in den Riegel und verzog das Gesicht. "Etwas trocken."
Natasha holte dann drei weiße Anzüge aus der Tasche. Sie reichte Yelena und mir einen. „Ich hoffe er passt, du bist ja doch ein Stück größer als wir.", sagte sie, als sie ihn mir gab.
Während Natasha sich noch von dem Mann verabschiedete, stiegen Yelena und ich schon in den Hubschrauber. Ich zog mir mein Shirt über den Kopf und knöpfte meine Hose auf. „Starren ist unhöflich!", sagte ich ohne einen Blick in ihre Richtung zu wagen. Nachdem sie kurz sprachlos dastand, spürte ich wie Yelena ihren Blick wieder von mir abwandte. Ich war froh um die Stiefel, denn der Anzug war wirklich nicht für meine Größe gemacht. Ich war etwa einen halben Kopf größer und etwas muskulöser als die beiden Schwestern.Nachdem Yelena sich umgezogen hatte, kam sie in meine Richtung. Ohne etwas zu sagen, gab sie mir zwei Pistolen in die Hand und steckte ein Messer in meinen linken Oberschenkelholster. „Wozu?" Bevor ich meine Frage aussprechen konnte, antwortete sie: „Das wirst du wissen, wenn es soweit ist!" Wenn ich Natasha's Erzählungen glaubte, dann konnte ich mit diesen Waffen gut umgehen, doch die Frage war, ob ich das noch immer konnte. „Keine Sorge! Du kannst das bestimmt noch. Soetwas verlernt man nicht!", Yelena legte eine Hand auf meine Schulter.
"Hoffentlich hast du nicht verlernt, wie man so ein Ding fliegt, Schwesterchen." mit dem Spitznamen wollte sie Yelena offenbar ärgern, was auch seine Wirkung zeigte. Yelena ging nach vorne und setzte sich ans Cockpit. Natasha gab ihr dann die Zielkoordinaten.
„Das wird ein langer Flug. Mal sehen, ob der Tank ausreicht." "Wo fliegen wir eigentlich hin?", fragte ich jetzt über das Headset. "Zu einem alten Freund von mir. Er ist zwar kein Wissenschaftler, aber dort sind wir vorerst einmal sicher. Du bekommst deine Erinnerungen zurück und wir können in Ruhe einen Plan ausarbeiten." Ich fragte wie ich meine Erinnerungen zurückbekommen sollte. Natasha meinte, dass sie es nicht wisse. Vielleicht wüsste ihr Freund einen Weg.
Nach einigen Stunden landeten wir vor einem großen alleinstehenden Haus. Es war das einzige Haus in der Umgebung. Weit und breit konnte man kein anderes Gebäude sehen. Yelena sah Natasha fragend an und stellte den Motor ab. Natasha grinste. „Na kommt. Gehen wir rein." Wir folgten Natasha ins Haus.
Plötzlich hörte man Kinder schreien. Sie rannten in unsere Richtung. „Tante Natasha!" Ich sah Yelena erschrocken an. "Du hast Kinder?" Yelena warf mir einen entsetzten Blick zu und schüttelte den Kopf. Die Kinder umarmten Natasha und sie beugte sich leicht zu ihnen runter, um sie zu begrüßen. Ein Mann und eine Frau kamen um die Ecke. Er hatte einen Arm um die Frau gelegt. „Das sind unsere Kinder.", sagte sie und lächelte uns an. „Wer sind deine Freunde Natasha?", fragte der Mann. „Clint, das sind meine Schwester Yelena und eine alte Freundin, Liz." „Hallo", sagte er an uns gerichtet. Die Frau stellte sich als Laura vor und reichte uns die Hand zur Begrüßung. Sie bot uns Kaffee an und wir sagten zu.
Natasha erzählte Clint und Laura was passiert war und weshalb wir hierher gekommen waren. „Also könnten wir bitte ein paar Tage hierbleiben?" „Na klar Nat. Ihr könnt solange hierbleiben, wie ihr wollt." Er wirkte sehr nett. Und in seiner Gegenwart wirkte Natasha entspannter und irgendwie fröhlicher. „Und ich habe vielleicht eine Lösung für dein Problem Liz. Es wird jedoch ein bisschen dauern, bis du dich wieder erinnern kannst. Ich erkläre dir morgen alles genauer.", wandte sich Laura an mich. Ich nickte ihr zu und schenkte ihr ein Lächeln. Endlich gab es eine Aussicht auf eine Besserung meiner Situation. Ich hoffte, dass Laura Recht behielt und es funktionieren würde.
Natasha hatte vor einiger Zeit Klamotten hier gelassen, die wir uns vorerst ausborgen konnten, doch Clint schlug vor, dass er morgen in die Stadt fahren und welche für uns besorgen würde. Es wurde bereits dunkler, weshalb Clint die Kinder fertig fürs Bett machte. Ich saß gerade mit Natasha auf der Veranda. Wir unterhielten uns über unsere gemeinsame Vergangenheit, als auch über ihre Zeit bei den Avengers. Sie erzählte mir, wie sie Clint kennengelernt hatte und wie die beiden anschließend beste Freunde wurden. Es war schon irgendwie witzig, dass die Beiden sich so gut verstanden, sie waren von Grund auf verschieden. Einerseits waren sie sich sehr ähnlich und dann waren sie auch wieder komplett verschiedene Personen und Typen.
Natasha meinte, dass sie ins Bett gehen würde. Wir hatten die Zeit übersehen und es war bereits dunkel geworden. Als Natasha aufstand, kam Yelena aus dem Haus. Sie schaute uns mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. Natasha stoppte kurz und flüsterte ihr etwas ins Ohr als sie an ihr vorbei ins Haus ging. "Suka!", sagte Yelena daraufhin. Ich wusste was das bedeutete. Ich konnte zwar kein Russisch sprechen aber einige Worten kannte ich offenbar, weshalb ich grinsen musste. Was hatte sie bloß denn zu ihr gesagt?