37 - Die Ruhe vor dem Sturm

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Man könnte meinen, es war ein perfekter Morgen. Er hatte damit angefangen, dass Draco und ich den geschriebenen Brief zum Eulenturm brachten. Wir tankten die morgendliche Sommersonne, die sich gegen die düstere Atmosphäre wehrte und erlaubten uns, einige Male tief durchzuatmen.

Doch egal wie sehr wir versuchten zu vergessen in welcher Situation wir uns befanden, die Steine voll Reue und Furcht belasteten unsere Herzen schwer. Egal wie oft wir zu verdrängen versuchten, dass wir bereits zwei Mordversuche hinter uns hatten, so wurden wir von der Anwesenheit Dumbledores zurück in die Realität gezwungen.

Wir sahen den Schulleiter nicht oft über das Gelände von Hogwarts schreiten und dennoch sorgte seine Präsenz für einen bestimmten Geist. Er war mächtig und furchtlos.
Kein Wunder, dass wir bisher erfolglos waren.

Doch ich hatte das Gefühl, dass es nicht viel länger so sein sollte. Etwas sagte mir, dass wir diesen Kampf schon bald gewinnen würden und vielleicht könnten wir dann endlich frei sein.

"Du denkst schon wieder zu viel nach" flüsterte Draco und drückte meine Hand. Wir waren auf dem Weg zurück ins Schloss, denn für einen längeren Spaziergang hatten wir längst keine Kraft mehr. Wir waren zu erschöpft und ausgelaugt und kein Ort dieser Welt konnte uns diese Gefühle nehmen.

"Ich weiß", seufzte ich, "Es tut mir leid aber ich kann nicht anders. Ich - Ich kann einfach nicht mehr". Die Last der letzten Monate raubte langsam aber sicher meine Lebenskraft.

"Doch du kannst", versuchte er mich zu ermutigen, "Für mich. Für uns, Ruby". Ich machte Halt und wartete, dass er sich zu mir umdrehte. Seine Hand lag noch immer in meiner während meine Augen Blickkontakt mit seinen aufnahmen.

"Was ist? Warum schaust du mich so an?" fragte er nun mit einem weichen Ton in der Stimme. Ungewollt stieß ich ein schweres Seufzen aus und ließ meine Augen auf den Boden wandern.

"Hast du jemals darüber nachgedacht all dem zu entfliehen? Wir könnten all das hinter uns lassen. Wir könnten nach Amerika gehen und uns dort ein neues Leben aufbauen. Ein Leben zu dritt. Jeder Tag, den ich mehr erlebe, wünsche ich mir in einer sichereren Umgebung zu sein. Wir müssen keinen Menschen töten, Draco. Das sind nicht wir und man hat doch immer eine Wahl oder nicht?"

Kaum hatte ich das letzte Wort ausgesprochen, wurde ich von seinen zwei starken Armen in eine Umarmung gezogen. Ich schmiegte meinen Kopf an seinen Pullover und inhalierte den Duft, der mich jedes Mal aus der Realität riss. Doch nicht diesmal.

"Dafür ist es schon zu spät, Ruby. Wir stecken schon viel zu tief im Dreck, als dass wir jetzt alles hinschmeißen und wegrennen könnten. Und selbst das wäre zu gefährlich. Das weißt du. Sie werden uns finden. Beides birgt ein Leben in ständiger Angst, aber solang wir gehorchen, werden sie uns nichts tun" sprach Draco.

Ich lauschte mit spitzen Ohren und überdachte jedes seiner Worte in meinem Kopf, in der Hoffnung das zu hören, was ich hören wollte. Und als dies nicht geschah, riss ich mich von ihm los und schnalzte: "Das weißt du nicht. Mach mir keine Versprechen, die du nicht halten kannst".

Der Blondschopf stand beinahe starr. Seine Lippen öffneten sich und schlossen sich sogleich wieder. Ich schaute ein letztes Mal in seine Augen, bevor ich mich weiter in Richtung Schloss bewegte.

Etwa zehn Schritte später, hörte ich ihn rufen: "Du hast recht. Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts. Es könnte morgen alles vorbei sein. Es könnte aber auch sein, dass es nie vorbei sein wird. Ich weiß es nicht. Aber was ich weiß ist, dass sie mich töten müssen bevor sie dir weh tun. Ich könnte niemals ohne dich leben, denn ich liebe dich."

Ein Grinsen hatte sich unbemerkt auf meine Lippe geschlichen und erstreckte sich über mein Gesicht als ich mich zu der Liebe meines Lebens umdrehte. "Das ist nicht so romantisch, wie du denkst. Nur, damit du das weißt. Und jetzt komm, du Dussel" sagte ich und beobachtete, wie Draco mit jedem Schritt näher kam. Er legte mir seine Hand an den unteren Rücken und schob mich mit sich. Wir setzten unseren Weg fort.

"Das Letzte, was wir jetzt tun sollten, ist streiten. Das macht uns noch verwundbarer. Zusammen sind wir viel stärker" stellte ich mit ruhiger Stimme fest. "Hm", kam es von Draco, "kitschig". Ein kleines Grinsen zeichnete sich auf meinem Gesicht ab, während mein Kopf sich in seine Richtung drehte.

Doch ich sagte nichts. Und er auch nicht.

Wir genossen die Situationskomik, denn auch Worte hätten nicht mehr viel geholfen. Jetzt waren es nur noch unsere Taten, die über unsere Zukunft entscheiden konnten.

"Ich muss noch wohin. Sehen wir uns später?" fragte ich als wir vor dem Eingang der Großen Halle angekommen waren. Draco drehte seinen Körper näher zu mir, sodass wir Brust zu Brust standen. "Du musst also noch wohin" sprach er mir nach und zuckte mit seiner linken Augenbraue.

"Ja. Hast du ein Problem damit?" fragte ich und verschloss defensiv meine Arme vor der Brust. Ich wusste ganz genau, weshalb ich Draco meine Pläne verschwieg. Trotz allem konnte er seinen Stolz noch immer manchmal nicht ablegen.

Er begann langsam mit dem Kopf zu schütteln. Kurz darauf folgte ein misstrauisches "Nein". Er kämpfte mit sich, das sah ich ganz genau. Er war besorgt, schließlich hatte ich ihm in letzter Zeit nicht unbedingt Ruhe gelassen mit meinen Ideen und Impulsen. Doch er wollte mir auch meine Freiheit lassen. Er glaubte daran, dass, was auch immer ich mir schon wieder in den Kopf gesetzt hatte, ich es durchdacht hatte und mir der Risiken bewusst war.

Ich zwang mir ein Lächeln auf und sagte: "Gut. Dann sehen wir uns nachher". Nicht einmal ich konnte voraussagen, ob mein Plan so aufgehen würde, wie ich ihn mir ausgemalt hatte. Es war diesmal nicht direkt von mir abhängig. Und das bereitete mir Bauchschmerzen.

Ich drückte Draco einen letzten Kuss auf die Lippen, bevor ich mich langsam rückwärtsschreitend von ihm entfernte, bis ich versehentlich mit jemandem zusammenstieß. "Oh, entschuldige" murmelte ich und wandte mich endgültig ab als ich Draco den Rücken zukehrte und meinen Weg in das Treppenhaus ansteuert.

Meine Beine trugen mich bis in den vierten Stock. Hier war ich richtig, es musste sein. Ich umgriff den hölzernen Griff der Tür, hinter der die Bibliothek lag. Es war seelenruhig als ich hineintrat. So ruhig, dass man dachte man wäre hier falsch. Doch der Gedanke war irreführend.

Ich hielt meinen Atem an während ich einen Fuß vor den anderen setzte und immer wieder einen Blick in die Reihen warf. Meine Schritte stoppten als ich die braunen Haare entdeckte. Ich spürte mein Herz stolpern, mein Atem zittrig. Ich brauchte jetzt Selbstsicherheit, bloß durfte ich feststellen, dass selbst ein tiefer Atemzug nicht dazu beitrug diese zu finden. Es lag nun an mir.

Langsam aber gesteuert lief ich auf den Tisch zu, der nur von einer Seite besetzt war. Dicke Wälzer waren ausgebreitet. Während ich mich geschmeidig auf der anderen Seite des Tisches niederließ, warf ich einen Blick in das Buch.

"Zaubertränke, eh?" begann ich und verschränkte meine Hände ineinander.

"Offensichtlich" kam es nur schroff zurück.

"Woran hapert es denn?" fragte ich, in Versuchung ein Gespräch zu entwickeln.

"Ich suche einen Zauber- einen Fluch" kam die Antwort. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen hoch. "Entschuldige Granger, aber ich glaube in einem Zaubertränke Buch wirst du nicht fündig".

Nun hob sich der Kopf und zwei dunkelbraune Augen starrten in meine. "Ich weiß, was ich tue. Gibt es einen Grund für deine Kontaktfreudigkeit?" zischte sie, etwas bissiger als ich erhofft hatte.

Eigentlich wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt für selbstsicheres Auftreten gekommen, doch stattdessen fummelte ich mit meinen Händen an meinen Klamotten und schaute etwas eingeschüchtert nach unten. In meinem Hals steckte ein riesiger Kloß.

Mein Blick wanderte einmal kontrollartig nach rechts uns nach links, um sicher zu sein, dass niemand anwesend war, der in unmittelbarer Nähe saß und mithören konnte. Anschließend beugte ich mich weiter vor und sprach Worte, die meinen Mund bisher nur selten verließen.

"Ich brauche deine Hilfe"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 13 ⏰

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Verdammnis II d.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt