23 - Das Verschwinekabinett

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Der Unterricht war beendet, endlich. Die Minuten der letzten acht Stunden waren schleppend langsam vergangen und schon seit zwei Stunden kreiste die Müdigkeit um mich, bereit mich zu packen und zu Boden zu reißen. Doch ich bemühte mich, es bis zu meinem Schlafsaal zu schaffen.

Es wurde bereits allmählich dunkel und die meisten Schüler waren beim Abendessen, doch ich hatte keinen Hunger. Schon seit Tagen nicht. Etwas war in mir, was mich bedrückte. Ob es die Tatsache war, dass Draco und ich seit Tagen nicht geredet hatten? Vielleicht. Ob es das Gefühl von Einsamkeit war? Bestimmt. All meine Freunde waren den ganzen Tag bei mir. Jede Sekunde. Und dennoch fühlte ich mich schon nach dem Aufstehen allein.

Meine Schritten hallten gefährlich laut im Korridor wieder. Ich war irgendwo im siebten Stock und es gab nicht einmal einen Grund. Ich musste meine Beine vertreten und hier war so ziemlich der ruhigste Ort im Schloss. Leichte Lüfte wehten durch die Muster in der Wand und sonst herrschte Stille - bis jetzt.

Schnelle Schritte kamen aus der Nähe. Die Person hatte es scheinbar eilig und sie war nervös - das merkte ich an dem hektischen Atem. Überfordert schaute ich mich um und quetschte mich seitlich in eine Nische, denn es konnte sonst wer sein. Filch, ein Lehrer oder ein aufgebrachter Schüler. Ich wusste nicht wie die Situation ausgegangen wäre, wenn ich einfach dort stehengeblieben wäre.

Die Person kam näher und mein Herz klopfte mit der Zeit immer schneller. Ich presste mir eine Hand auf den Mund, um absolut still bleiben zu können und spitzte meine Ohren, um jeden gegangen Meter der Person nachvollziehen zu können. Sie kam näher und näher. Und dann blieb sie plötzlich stehen. Ich schluckte.

Vorsichtig schaute ich zu meiner rechten, wo meine Augen sofort in ein anderes Augenpaar schauten. Sie waren genauso ausdruckslos, wie vor vier Wochen. Sie strahlten nicht mehr diese Wärme oder Liebe aus, bei welcher ich mich so wohl gefühlt hatte. Aber ich wusste, dass sie nicht Schuld daran waren, denn dahinter steckte ein gebrochener Junge. Ein einsamer Junge.

Ich konnte nichts tun außer ihn anzustarren und er tat nicht mehr. Wir waren beide wie erstarrt. Seit Tagen hatten wir kein Wort gewechselt. Kein 'Guten Morgen'. Kein verklemmtes 'Ich liebe dich'. Nichts. Und nun standen wir hier. Allein.

Er öffnete den Mund, schloss ihn jedoch gleich wieder. Er wollte etwas sagen, doch er konnte vermutlich nicht. Was auch immer es war - ich wollte es wissen. Langsam nahm ich meine Hand von meinen Lippen und ließ sie schlaff hinunter hängen, doch keine Sekunde ließ ich von seinen Augen ab.

Er schluckte einmal schwer, bevor er sich aus seiner Starre löste und auf mich zu lief. Erschrocken wich ich zurück, doch mein Körper füllte die Nische bereits voll aus. Sanft streckte er seine Hand nach meiner aus und schob seine Finger zwischen meine, nur um sie dann fest miteinander verschließen. Ein Schauer lief über meinen Rücken.

Es war seltsam ihm nach Tagen wieder so nah zu sein. Seine Hand in meiner zu spüren. Doch in diesem Moment wurde mir bewusst, wie sehr ich es vermisst hatte. Seine Nähe. Seinen Geruch.

Seine Hand zog vorsichtig an meiner. Ich ließ es geschehen und trat aus der Nische heraus, doch plötzlich machte er Schritte rückwärts. Meine Beine bewegten sich im selben Rhythmus wie seine. Dann drehte er sich um und beschleunigte seine Schritte. Mein Herz klopfte schnell. Ich wusste nicht, wo wir hinliefen, doch ich vertraute ihm.

Wir bogen um einige Ecken und liefen schließlich einen sehr langen Korridor hinunter, an dessen Ende ein riesiger Wandteppich hing. Plötzlich blieb er auf der Stelle stehen und schloss seine Augen. Verwundert schaute ich ihn an, doch nichts daran schien komisch für ihn zu sein. Ein lautes Geräusch ertönte. Als würde jemand Möbel verschieben oder große Steine vom Astronomieturm werfen. Nicht, dass ich wüsste, wie das klingen würde.

Verdammnis II d.m.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt