Epilog

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Ich sehe sie. Sie sind überall, Männer und Frauen in grellen Uniformen und weinende Menschenaugen, die alle auf mich einreden. Ich würde gerne antworten, doch ich kann es nicht, denn das Atmen fällt mir schwer. Mit aller Kraft versuche ich mich aus meiner Zwangslage zu befreien, doch es ist hoffnungslos. Meine Taille klemmt zwischen zwei Sitzen fest, während mein gesamter Oberkörper zu Boden gepresst wird.
Ich spüre wie mir eine heiße Flüssigkeit über das Gesicht rinnt und wische sie mir mit der Hand weg. Es war mein Blut, welches mir über die Stirn floss. Die Glasscherben die sich in meine Arme gebohrt hatten schmerzten, wie tausend Nadelstiche. Um ehrlich zu sein zweifle ich daran, hier noch einmal lebendig herauszukommen.
Erst jetzt begreife ich in welcher Lage ich mich befinde. Ich hatte einen Autounfall, dabei hat sich das Fahrzeug mehrere Male überschlagen, bevor es endgültig auf dem Dach zum stehen kam.

Plötzlich spüre ich eine Hand die die meine streift. Ich bin nicht alleine, denn er ist hier.
Er der immer so ein sympathisches Lächeln hatte.
Er der immer die richtige Antwort kannte.
Es war dieser eine Junge der mir das Gefühl von Geborgenheit und Schutz gab, wenn ich mal zu schwach war. Genau wie in diesem Augenblick, in dem die Lage so hoffnungslos scheint, erfüllt er mich dennoch mit Zuversicht.
„Es wird alles wieder gut, wir bekommen das hin! Ich verspreche es...", wispert er und ich glaube ihm sofort.
Dann erstickt unendliches Schweigen und Dunkelheit meine Umgebung.

-
Bin ich tot?

Piep. Piep. Piep.
Das erste was ich wahrnehme ist dieses monotone Geräusch des Vitaldatenmonitors, wobei sich meine Umgebung so anhört, als befände ich mich Unterwasser. Alles ist so weit weg.
Panisch versuche ich meinen Körper zu fühlen, denn die Hülle in der sich mein Geist befindet erscheint mir fremd. Zu fremd.

Auf einmal steigt mir ein bekannter Duft in die Nase. Lässt mich für eine Sekunde mental inne halten. Es ist das Gemisch von Linoleum und Desinfektionsmittel. Krankenhaus. Der erste Begriff mit dem ich etwas anfangen kann. Klammernd halte ich mich daran fest, so als könnte er mir davor bewahren erneut in die tiefe Dunkelheit abzutauchen.
Was ist denn überhaupt geschehen?
Innere Unruhe breitet sich in mir aus. Lässt mich flach atmen. Dann lichtet sich der düstere Schleier, der sich über meinen Verstand gelegt hat.
Die Erinnerung an das Ritual sorgt dafür, dass das Blut in meinen Adern gefriert. Charon war aufgetaucht! Hat er es geschafft uns im letzten Moment noch daran zu hindern den Teufelskreis zu durchbrechen? Ich muss hier weg!
Das Signalton der Überwachungseinheit erklingt in immer kürzer werdenden Abständen. Mein Herz schlägt schmerzhaft gegen die Innenseite meines Brustkorbs.

In der Ferne ertönen schnelle Schritte, die mich dazu anregen, noch schneller die Kontrolle über die Materie wieder gelangen zu wollen. Warum kann ich mich nicht bewegen?
Ich höre wie sich eine Tür öffnet und nehme neue Geräusche wahr.
Stimmen. Es waren Stimmen. Ganz viele. Erst undeutlich, dann immer klarer werdend.

„Wir brauchen ein Beruhigungsmittel. Sofort", fordert eine zarte weibliche Stimme.

Der einzige Satz, den ich in dem ganzen Chaos verstehen kann.

Ich will schreien, sie so daran hindern mich ruhig zu stellen. Doch kein Ton entweicht meiner Kehle. Nicht einmal ein kleines Zucken meiner Mundwinkel gelingt mir.
Als ich dann spüre wie es unerträglich heiß an meiner Hand wird, weiss ich dass es zu spät ist. Diese unangenehme Hitze wandert durch meinen gesamten Organismus.
Panisch schlage ich meine Augen auf. Erkenne ganz viele unbekannte Gesichter. Ein Blick auf meine Hand verrät mir, dass die Ursache für diese Wärme bei einer Spritze liegt. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken, als ich erkenne in welchem Zustand ich mich befinde.
Überall treten merkwürdige Schläuche und Kabel an meinem Körper heraus. Lassen mich aussehen, als sei ich ein Forschungsprojekt. Der Anblick meiner knochigen blassen Hand treibt mir Tränen in die Augen.

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