Kapitel 1: Der Versicherungsvertreter

17 5 0
                                    


Die sengende Hitze der glühenden Augustsonne, brannte durch das geschlossene, trübe Fenster in Aurelius kleines Dachappartement hinein.

Schweiß lief ihm von seinen kurzen schwarzen Haaren über seine Stirn, und es kam ihm so vor, als hätte er seit Tagen keinen einzigen Hauch frische Luft eingeatmet. Auf dem Wohnzimmertisch stand ein beinahe leeres Weinglas, welches von der Katze an den Rand des Tisches geschoben wurde. „Lily, wenn du willst, dass ich putzen muss, dann mach nur weiter so. Dann brauchst du dich heute aber nicht mehr zu mir zu legen", sprach Aurelius an seine Katze gewandt. Lily sah ihn an, hüpfte elegant auf seinen Schoß und stupste mit ihrer rosa Nase gegen Aurelius karamellfarbenen Handrücken. Schnurrend ließ sie sich auf seinem Schoß nieder und Aurelius griff neben sich auf den Wohnzimmertisch und holte sein Rotweinglas in die Hand. Genüsslich roch er an dem Glas, verzog dann aber angewidert das Gesicht. Das Glas stand bereits seit einigen Tagen auf dem Tisch und der Inhalt hatte inzwischen einen herben Geruch angenommen und war übersäht mit schwarzen Katzenhaaren. Beleidigt sah er zu seiner Katze hinab, die immer noch schnurrend, wie zu einem schwarzen Fellball zusammengerollt auf ihm lag.

„Manchmal frag ich mich wirklich, warum ich dich überhaupt aufgenommen hab. Dann wär mir einiges erspart geblieben", sagte er schmunzelnd zu seiner Katze, die kurz darauf ein leises Gurren von sich gab, als würde sie ihm antworten.

Seit Aurelius sich seine erste Katze angeschafft hatte, gab es keinen Ort in seinem Appartement mehr, der nicht mit roten oder schwarzen Katzenhaaren beschmückt war.

Kaum hatte sich Aurelius auf seinem grünen Sofa zurückgelehnt, schellte das Telefon. Mit einem Satz war Lily aufgesprungen und auf ihrem Kratzbaum verschwunden. Auch Aurelius hievte sich langsam von seinem Sofa hoch, denn er ahnte bereits, wer am anderen Ende der Leitung auf ihn wartete. Schon seit mehreren Wochen häufte sich die Arbeit im Geschäft und Aurelius wurde ständig dazu beordert, nach dem Rechten zu schauen. Doch er hatte schon seit einigen Jahren die Motivation an seiner Führungsposition verloren. Eigentlich ja sogar schon zu dem Zeitpunkt, als er die Buchhandlung damals von seinem Vater übernommen hatte.  Alle Nase lang meldete sich jemand, der irgendein diverses Problem hatte, wofür er wieder den Kopf hinhalten musste.

Er nahm den Hörer in die Hand und drückte genervt auf die grün blinkende Taste des Telefons.

„Ziebert?", meldete er sich mit seinem Nachnamen. Am anderen Ende des Hörers meldete sich eine aufgeregte Stimme: „Relius, du musst kommen. Hier ist so ein komischer alter Typ, der behauptet, dass wir noch eine riesige Rechnung an ihn zu zahlen haben und der will sein Geld hier und jetzt mitnehmen."

„Was ist das für ein Typ? Hat der auch einen Namen?", wollte Aurelius in genervtem Tonfall wissen.

„Namen weiß ich jetzt nicht genau. Warte mal kurz", erwiderte er. „Hey, Lou. Wie heißt der Mann?", schrie er in den Hörer hinein. Aurelius riss sich das Telefon vom Ohr und bereute bereits zutiefst, dass er überhaupt ans Telefon gegangen war.

„Korner. Theodor Korner. Der ist von irgend so einer Versicherung", meldete sich die Männerstimme nach einigen Sekunden.

„Ist mir nicht bekannt. Ich zieh mich an, wasch mich und dann komm ich." Aurelius legte auf und ließ den Hörer auf den Tisch sinken. Dann ging er an seinen Kleiderschrank, nahm sich eine Jeans und ein weißes Hemd heraus und zog es an, bevor er in das kleine Badezimmer verschwand. Das Appartement war nicht sonderlich groß und bestand nur aus einem richtigen Raum mit Badezimmer. Und auch das Badezimmer war so klein, dass das Waschbecken, eine kleine Badewanne und die Toilette gerade noch hineinpassten. Mit seinen Händen wusch er sich kühles Wasser durch sein verschwitztes karamellfarbenes Gesicht. Das kühle Wasser fühlte sich angenehm an und er ließ es an der heißen Luft trocknen.

„Lily, Django, ich muss nochmal los. Bin spätestens in ein paar Stunden wieder zuhause", rief er seinen Katzen zu, die beide außer Sichtweite waren und er ließ die Haustür ins Schloss fallen.

Wie er erwartet hatte, war der Fahrstuhl  außer Betrieb und Aurelius schleppte sich genervt die insgesamt 35 schmalen hohen Stufen, bis ins Erdgeschoss hinunter. Die hellen Strahlen der Sonne, die durch das Milchglasfenster der Eingangstür, in den kahlen Flur des Erdgeschosses  hineinfielen, ließen ihn in einem leichten Gelbton erstrahlen. Auf der Straße tummelten sich viele Menschen, die alle auf dem Weg in die U-Bahn waren. Der warme Wind wehte durch die Baumkronen der Mandelbäume auf der rechten und der Kirschbäume auf der linken Seite des Weges und ließen ein rauschen ertönen, wie das, des Meeres, welches er in seinem letzten Urlaub gehört hatte.

Die U-Bahn war überfüllt mit Menschenmassen, die bei diesen quälenden Temperaturen ins Freibad unterwegs waren, wobei ein beißender Geruch von kaltem Schweiß in der sowieso schon stickigen Luft lag. Es versuchten sich immer mehr Menschen in die Bahn zu quetschen, sodass die Türen nicht mehr von selbst schließen konnten. Im hinteren Abteil hörte man ein Baby schreien und eine kleine blonde Frau mit Hornbrille versuchte den zusteigenden Menschen, verständlich zu machen, dass es keinen Sinn hatte, wenn sich jeder am Bahnsteig Wartende, in diese Bahn quetschen würde. Einen Augenblick spielte Aurelius mit dem Gedanken, die Bahn zu verlassen und auf die nächste zu warten. Dann hätte er mehr Zeit gehabt und hätte sich nicht sofort in seine Buchhandlung begeben müssen, aber er sah ein, dass es unmöglich war, sich gegen den Strom in Richtung Ausgang zu bewegen. Also stellte er sich schließlich neben einen groß gewachsenen alten Mann, der skeptisch mit seinen, durch die bunt getönten Scheiben, rötlich schimmernden Augen auf Aurelius hinabsah.

Der Mann wirkte auf den ersten Blick auffallend ungewohnt. Er hatte keine Haare, doch sein langer grauer Bart, dessen zwei Zöpfe unten zu einem zusammenliefen, wirkte irgendwie einzigartig. Sein Kinn schien durch den langen Bart noch spitzer und länger, als es sowieso schon gewesen war. Aurelius versuchte sich die Blicke des Fremden nicht anmerken zu lassen und senkte seinen Blick auf den schwarz-weiß gepunkteten Boden, wo er die großen Schuhe des Mannes sah, die aus grobem Leder waren und lilafarben glänzten.

Die Luft in der Straßenbahn wurde von Minute zu Minute stickiger, aber dem alten Mann neben Aurelius, schien das alles nichts auszumachen. Er stand völlig Regungslos neben ihm und auf seiner Stirn stand nicht die geringste Schweißperle.

„Nächste Station: Mewenen", ertönte die grelle Stimme des Lautsprechers undeutlich und Aurelius quetschte sich durch die Menschenmassen zum Ausgang durch. Dann hielt die Bahn quietschend an und die Türen schwangen auf, dann verließ er zügig die U-Bahn. Selbst der Bahnsteig war so übersät mit Menschen, dass er sich zum Ausgang durchzwängen musste. Als er endlich oben angekommen war, blickte er tief durchatmend umher. Ein schwarzer Transporter hupte hinter einem dunkelgrünen Kleinwagen, der stehen geblieben war, da an der Straße die Ampeln gerade auf Rot umschlug. Die Fußgängerampel sprang auf grün und Aurelius überquerte die vielbefahrene Straße, am Fußgängerüberweg der Mewener Straße, blieb aber auf der anderen Seite für einen Augenblick stehen, bevor er sich in Richtung Buchhandlung bewegte. Dann stemmte er sich mit der Schulter gegen die schwere Eingangstür und betrat das Geschäft, das ihn mit einem hellen Klingeln in Empfang nahm. 


______________

 Da ist es also. Das erste Kapitel meines Fantasy-Mehrteilers. Ich hoffe, dass erste Kapitel hat euch neugierig gemacht und ihr bleibt weiter dran. Begleitet Aurelius auf seiner baldigen langen Reise und sicher nicht immer einfache Zeit in die magische Welt.

1180 Wörter

Die Flucht der Drachen - Aufbruch aus TarakonaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt