Kapitel 1

1.3K 21 16
                                    

Aiden

"Aiden." Schwer atmend wache ich aus dem immer wiederholenden Alptraum auf. Es kann so nicht mehr weitergehen. 2:25 Uhr Morgens. Fuck it. Ich stehe auf laufe aus meinem Zimmer und gehe runter in den Trainingsraum.

Immer und immer wieder schlage ich auf dem Boxsack ein. Bis plötzlich meine Mom im Raum steht und mich mit einem bemitleidenen Blick ansieht. "Sieh mich nicht so an", sage ich hart. Sie säufzt. "Seit wann bist du hier unten?", fragt sie mich.

Doch anstatt ihr zu antworten widme ich dem Boxsack wieder meine volle Aufmerksamkeit. Bevor sie mich alleine lässt sagt sie leise: "Es ist nicht deine Schuld, vergiss das nicht."

Aber sie liegt falsch. Es ist meine Schuld und dafür hasse ich mich, mehr als ich jemals jemanden in meinem Leben gehasst habe. Einige Stellen an meinen Händen sind schon aufgeplatzt und bluten, aber meine Wut lässt nicht zu aufzuhören.

Irgendwann kann ich nicht mehr. Auch wenn ich wollte aber es geht nicht und ich breche zusammen. Ich verspüre einen tiefen Schmerz in meiner Brust und beiße mir auf die Zunge. Geweint habe ich jetzt vier Monate lang. Vier Monate jede Nacht. Bis ich irgendenwann eingeschlafen bin und die Alpträume mich wieder geweckt haben.

Mittlerweile verspüre ich aber keine Trauer mehr sondern einfach nur eine stille, schwarze Leere. Ich stehe langsam auf, gehe zurück nach oben und nehme eine kalte Dusche. Ohne sie fühlt sich alles so einsam an.

Wie gerne ich sie jetzt reden oder lachen hören würde. Oder weinen. Alles wäre mir egal solange sie bei mir wäre.

Ein klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. Ich drehe mich um und Ava steht in meinem Zimmer. "Wir wollten ins Krankenhaus fahren. Kommst du mit?", fragt sie mich.

Will ich mit? Keine Ahnung. Jedoch was wäre wenn etwas passiert und ich bin nicht dort. Schließlich bringe ich also ein kaum erkennbares nicken hervor. Daraufhin verlässt Ava mein Zimmer und ich setze mich kurz auf mein Bett.

Meine Atmung geht unkontrolliert und meine Hände zittern. Wie lange war ich jetzt schon nicht mehr dort? Drei Wochen. Vier. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern aber woran ich mich erinnere ist das ich den Anblick eine Zeit lang nicht ertragen konnte.

Es ging einfach nicht. "Aiden, komm." Ich schrecke auf. Bevor ich runter gehe balle ich meine Hände zu fäusten.

Der Weg zum Krankenhaus kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Vielleicht liegt es aber auch daran das niemand etwas sagt. Dad konzentriert sich auf das fahren, Mom ist in Gedanken versunken und Ava starrt die ganze Zeit aus dem Fenster. Und ich. Ich knibbele die ganze Zeit an meinen Fingern so wie sie es immer getan hat wenn sie nervös war.

Im Laufe der letzten Monate habe ich viele Dinge bemerkt die sie versuchte zu verstecken. Zum Beispiel wie sie immer erstarrt ist wenn ihre Mom zur sprache kam. Oder wie sie immer rot wurde wenn ich was unanständiges gesagt habe.

Doch ihr Lachen war das beste. Immer wenn wir etwas mit ihrem Dad unternommen haben hat sie das schönste und ehrlichste lächeln im Gesicht gehabt. Einmal habe ich sogar unbemerkt ein Foto von ihr und ihrem Dad machen können auf dem sie lacht.

Ich wollte es auch sehen wenn sie nicht mit ihm zusammen ist.

In diesen Momenten ist mir aufgefallen wie sehr ich sie liebe. Wie schlimm es mich erwischt hat und was ich vielleicht für immer verloren habe.

Werde ich jemals wieder so lieben können?, ist eine Frage die häufig in meinem Kopf rumschwirrt. Sie war die erste die mein Herz erobert hat. Die erste die mich so etwas hat spüren lassen.

Wieder spüre ich ein stechen in der Brust. Es wird von Tag zu Tag schlimmer. Es fühlt sich an als würde mein Herz plötzlich aufhören zu schlagen.

Gerade biegen wir auf den Prakplatz des Krankenhauses ab. Vielleicht bin ich ja doch nicht bereit, aber jetzt ist es zu spät.

Wir gehen rein und laufen schon den gewohnten Weg richtung Fahrstuhl. Ava drückt auf die 3 und die Türen schließen sich langsam. Es ist immer noch so ruhig das ich meine von allen den Herzschlag zu hören. Vielleicht ist es aber auch nur meiner der bei jedem Schritt näher zu diesem Zimmer lauter zu werden scheint.

Mit einem leisem Geräusch öffnen sich die Türen auf der 3. Etage. Sofort kommt einem der Geruch des Krankenhauses entgegen. Ich hasse diesen Geruch. Auf dem Gang ist es ziemlich leer.

Mom, Dad und Ava laufen vor mir und ich laufe ihnen wie ein kleines Entlein hinterher. Der Abstand zwischen ihnen und mir wird immer größer, denn je näher wir dem Zimmer kommen desto langsamer werde ich.

Sie gehen durch die Tür und ich bleibe davor stehen. Ich kann das nicht. Das war eine blöde Idee. Ich will mich gerade umdrehen und gehen da kommt Mom zu mir raus.

Sie hat Tränen in den Augen, lächelt und nimmt meine Hand. "Komm schnell." Sie zieht mich ins Zimmer und da liegt sie. Angeschlossen an tausende Geräte.

Mein Blick geht sofort zu Boden. Ich kann sie so nicht sehen. "Aiden?"

Mein Herz bleibt stehen. Diesmal fühlt es sich aber nicht nur so an es ist wirklich so. Das kann nicht sein. Ich schaue ihr ins Gesicht und mir laufen automatisch die Tränen.

"Elaine?", bringe ich irgendwie hervor. Ich falle auf die Knie und weine. Seit vier Monaten lag sie jetzt im Koma. Vier Monate die sich angefühlt haben wie Jahre. Jeden Tag dachte ich es passiert etwas, habe mir die schlimmsten Szenarien ausgemalt. Aber sie ist wach. Sie ist aufgewacht.

Mom und Dad helfen mir auf und ich laufe zu ihr. Ich nehme ihre Hand und küsse ihre Stirn. "Wie geht es dir? Wie fühlst du dich?", frage ich sie.

Elaine hebt ihre Hand und wischt meine Tränen weg. "Seit ich dich gesehen habe geht es mir besser." Sie lächelt. Dieses unfassbar schöne Lächeln. Das habe ich so vermisst. Eine Zeit lang sehen wir uns nur an.

Im Hintergrund kriege ich mit wie Mom, David anruft und ihm erzählt das seine Tochter aufgewacht ist. In der Zeit hat Ava einen Artzt geholt. Er hat uns gebeten den Raum zu verlassen da sie Elaine ersteimal untersuchen müssen.

Seit einer Stunde sitzen wir jetzt alle vor dem Zimmer. Mittlerweile sind auch David und seine Freundin angekommen. Als der Arzt aus dem Raum kommt springen alle auf. "Es geht ihr gut sie können jetzt zu ihr. Bitte geben sie ihr aber auch ein bisschen Ruhe. Sie lag schließlich vier Monate im Koma." Damit verabschiedet der Arzt sich und wir gehen rein.

Ich halte mich im Hintergrund denn David hat jetzt ersteinmal den Vorrang. Sie ist gerade aus einem Koma aufgewacht und sieht trotzdem aus wie der glücklichste Mensch auf Erden. Das schafft wirklich nur sie.

Zum Abend hin sind wir irgendwann alleine. Mom wollte das ich mit nach Hause komme aber ich kann Elaine jetzt nicht alleine lassen. "Was habe ich alles verpasst? Muss ich viel für die Uni aufholen?", fragt sie mich.

Ich lache auf. "Du bist gerade aus einem Koma aufgewacht und machst dir sorgen um deine Noten."

Sie starrt mich an. "Ehrlich gesagt war ich nicht in der Uni seit du hier liegst."

Sie starrt mich immer noch an diesmal aber etwas geschockter. "Warst du nicht. Aber warum?"

Ich lache wieder auf und schaue auf meine Hände. "Ich konnte einfach nicht Elaine. Ich konnte nicht. Der Gedanke das du hier liegst und jeden Moment etwas passieren könnte hat mich fertig gemacht."

Sie setzt sich leicht auf und nimmt wieder meine Hand. "Alles ist gut Aiden. Ich bin jetzt wach. Du brauchst dir keine Sorgen mehr machen."

Ich schaue sie an, bücke mich runter zu ihrem Gesicht und küsse sie.

Ich habe sie wirklich nicht verdient.

Love Trust AffectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt