„Ist es nicht verrückt", sagte Maddie, als wären die Worte eine völlig normale Begrüßung wie „hi" oder „wie geht's?", während ich darüber nachdachte, wie verrückt es war, dass ich mich das gesamte Wochenende gefragt hatte, worüber wir heute reden würden.
„dass die Zunge eines Blauwals so viel wiegen kann wie ein Elefant?"
Ich schmunzelte über ihre Themenwahl. Da ich aber nicht ihre erhoffte Reaktion zeigte, fügte sie hinzu: „Die Adern eines Blauwals sind so groß, dass ein Mensch in ihnen schwimmen könnte. Stell dir das mal vor!"
„Mit einem einzigen Schluck nimmt ein Blauwal etwa 80.000 Liter Wasser auf", sagte ich nun. „Das sind 500 Badewannen voll mit Wasser."
Jetzt zeigte Maddie die Reaktion, die sie sich von mir gewünscht hatte. „Woher weißt du immer solche Sachen?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ich lese viel. Ich kann mir Zahlen gut merken. Ich mag Blauwale." Erst nachdem ich die Worte gesagt hatte, merkte ich, wie dumm sie klangen. Kein siebzehnjähriges Mädchen würde freiwillig Zeit mit jemandem verbringen, der ein ungewöhnlich großes Interesse für Blauwale hat.
„Cool", erwiderte Maddie nur und schob sich ein gesamtes Stück Pizza in den Mund. Als hätte die Mensa am Freitag ihren Wunsch erhört.
„Ein Blauwalbaby trinkt jeden Tag etwa 200 Liter Milch", machte ich weiter, während ich mich im nächsten Moment fragte, ob das „Cool" von Maddie ironisch gemeint war. Doch dann sagte Maddie mit vollem Mund: „Wow, das ist ja eine ganze Badewanne voll mit Milch!" und ich dachte darüber nach, dass Maddie vielleicht nicht wie die anderen siebzehnjährigen Mädchen war.
Ich nickte und aß das letzte Stück meiner Salamipizza.
„Weißt du noch mehr über Blauwale?"
Daraufhin lachte ich. Ich wusste viel zu viel. „Im ersten Jahr nimmt ein Blauwalkalb, also das Baby, jeden Tag 90 kg Gewicht zu. Das sind fast 4 kg pro Stunde."
„Und wir hassen uns selbst, wenn uns die Waage anzeigt, dass wir einen halben Kilo zugenommen haben. Verrückte Welt."
„Verrückte Welt", wiederholte ich ihre Worte und fragte mich, ob sie es verrückt fände, wenn ich sie küssen würde.
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Ist es nicht verrückt?
Short StoryEine Frage, zwei Schüler, hunderte Mittagspausen. Und unzählige Gespräche darüber, wie verrückt diese Welt doch ist.