Kapitel 2

189 26 10
                                    

Vorsichtig strich ich über den weichen Stoff des Kleides, der eine ähnliche Farbe, wie die einer Koralle besaß. Das Wickelkleid besaß keine Ärmel und ging fließend wie ein Wasserfall bis zu meinen Knien. Der V- Ausschnitt war nicht zu groß und betonte meinen schlichten Diamanten, der an einer Silberkette hing, dazu hatte ich noch ein prachtvoll funkelndes Armband um mein Handgelenk an. Durch einen breiten schlichten schwarzen Gürtel wurde meine Figur betont und der Stoff floss luftig bis über meine Knie. Meine langen Beinen waren glatt rasiert und steckten in schwarzfarbenen Keilabsatzschuhen.

Meine kastanienbraunen Haare waren von Natur aus wellig und fielen mir über die Brust. Ich hatte einen schwarzen Haarreif auf, der weder billig noch kindisch wirkte. Meine braunen Augen wurden durch nudefarbenes Make- Up, zwei Lidstrichen und Mascara betont. Meine Lippen waren zu meinem Glück auch schlicht in einem Nudeton gehalten.

Meine Nägel waren ordentlich und gleichmäßig in der selben Farbe, wie mein Kleid lackiert. Ein Wunder, das unser Hausmädchen genau die passende Farbe gefunden hatte aber ohne hätte sie wahrscheinlich gar nicht mehr unser Haus betreten dürfen.

Alles in allem sah ich wie ein Model aus einer Modezeitschrift für Teenager und hochnäsigen Damen. Aber bei uns hatte Aussehen sowieso oberste Priorität und war für unseren Alltag sehr wichtig. Außer Haus musste man tadellos aussehen und sich dementsprechend auch so benehmen. Meine Mutter allerdings hatte mich so erzogen, das ich sogar im Haus immer perfekt rumlief. Es könnte ja vorkommen, dass uns ein angesehener Besucher spontan besuchen würde und es würde gar nicht gehen, wenn ich dann mit Jogginghose, T-Shirt und ohne Schminke da stehen würde. Das wäre ein No-Go für meine Eltern und würde für mich nur Konsequenzen tragen.

Also besaß ich weder Jogginghosen noch sonst irgendetwas, dass weit, schlapperisch, billig oder gemütlich war, außer natürlich meine Schlafsachen aber die zählen nicht!

In meinem Kleiderschrank in meinem Zimmer befanden sich hauptsächlich Kleidung für die Schule und zum Rausgehen. In unserem Keller allerdings, der sehr modern und hell war und fast als Wohnung reichen könnte und den ich mit meiner Mutter teilte, befand sich etwas schickere Kleidung, die ich meistens am Wochenende trug. In gewisser Weise war es also ein sehr großer Raum mit unmengen an Markenkleidung. Trotzdem waren alle meine Sachen extrem vornehm und genauso extrem teuer. Ein gefundenes Fressen für jeden Verbrecher, der dringend Geld brauchte.Aber wünscht sich sowas nicht jeder?

Manchmal war es mir erdrückend so etwas schickes anzuhaben. Es war wie eine Last und jede Minute wird diese Last schwerer und schwerer. Man hatte das Gefühl in diesen adretten Kleidungstücken zu ersticken. Man durfte nichts schmutzig machen oder kaputt reißen, nicht wegen des Geldes sondern wegen des Ansehens. Wenn du dich blamierst, blamiert sich die ganze Familie und das war unakzeptabel.

Natürlich fühlte man sich manchmal, wie eine Prinzessin! Reich, wunderschön und begehrt...

Aber fühlte sich die Prinzessin genauso, wie diese drei Adjektive es beschreiben? Vielleicht die ersten Wochen aber dann sehnte man sich nach mehr. Nach Freiheit, die so unerreichbar wie der Mount Everest war und auch blieb! Ich konnte noch nicht mal meine Meinung sagen ohne Angst zu haben einen strengen Blick von meinen Eltern zu bekommen. Mein Selbstbewusstsein, sowie meine innere Stärke waren sehr schwach.

Völlig in Gedanken sah ich immer noch mein Spiegelbild an, das von außen perfekt aussah aber von innen alles anders als perfekt war. Jeden Tag hörte ich den Satz: " Du bist wunderschön!" tausendmal aber für mich hatte dieser Satz keinen Wert mehr. Die Menschen, die dies sagen waren falsche Menschen und der Satz war mehr als eine Lüge. Ich konnte nie länger als ein paar Sekunden mich im Spiegel ansehen. Die Perfektion in Person sah anders aus. Nicht wie ich. Nicht so wie ich mich fühlte. Perfektion bedeutete doch auch innerlich perfekt zu sein. Perfekt zu Denken, zu Funktionieren, ja wenn man es genau betrachtet sogar perfekt zu Atmen. Wie lächerlich das klang...

PerfectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt