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Es war schon halb drei in der Nacht, als ich meine Wohnung erreichte, mit schmerzenden Füssen vom vielen Laufen und einem brummenden Schädel. Auf halben weg nach Hause wurde ich von einem Regenschauer überrascht, mittlerweile glänzte der Asphalt nass im Licht der Strassenlaternen. Auch ich wurde nicht verschont, meine Haare trieften vor Wasser und meine Kleider hingen schwer an meinem Körper, tropften auf den Teppich vor meiner Wohnungstür. 

Es war eines dieser Spätsommergewitter die den Herbst ankündigten, die kalten grauen Tage, den Nebel, aber auch die farbigen Blätter und die Sonnenuntergänge, die den Himmel zum brennen brachten. Ich freute mich jetzt schon darauf, durch das trockene Laub zu laufen, zu hören wie es leise raschelte wenn ich einen Schritt machte. 

Eine nicht allzu lange Zeit später, lag ich in meinem Bett, warm zugedeckt und dachte über den heutigen Tag nach. Eigentlich war es ein guter Tag, wir hatten nicht viele Leute im Restaurant, auch wenn es ein Freitag Abend war. Deswegen hatte ich genug Zeit um die Rechnungen zu schreiben und alle Lieferungen zu bestellen. Morgen wird es weitaus mehr Ansturm geben, deshalb hatte ich mich Freiwillig gemeldet eine ganze Schicht zu übernehmen, anstelle der halben, die ich sonst immer hatte. Mir gefiel es dort zu arbeiten, es war zwar ein kleines Lokal, doch alle Mitarbeitenden waren nett und das essen war gut. 

Irgendwann flogen meine Gedanken zu dem jungen Mann, der mich auf dem Nachhauseweg bei der grossen Strasse aufgefangen hatte. Ich spürte wie meine Wangen heiss wurden, nur schon wenn ich daran zurückdachte. Wieso mussten immer mir solche peinlichen Sachen passieren? Es hatte schon gereicht, das ich vor aller Augen gestolpert und beinahe hingefallen wäre. Seufzend drehte ich mich um, vergrub mit einem wütenden Schrei meinen Kopf im Kissen. 

Auch wenn ich nicht sein ganzes Gesicht sehen konnte, war ich mir sicher das er wunderschön war. Diese braunen Augen, die mir so bekannt vorkamen, ich aber einfach nicht wusste wo ich sie hintun musste, dann seine Stimme, die so sanft war, das sie mir einen Schauer über den Rücken gejagt hatte. Ich seufzte erneut laut auf und schlug meine Decke ein wenig zurück. Wieso ging mir dieser junge Mann einfach nicht aus dem Kopf? Dabei kannte ich ihn überhaupt nicht. Mit diesem Gedanken fiel ich schlussendlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Am nächsten Tag wurde ich erst gegen Mittag wach. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, schickte ihre hellen Strahlen durch die halb zugezogenen Vorhänge und kitzelte mich in der Nase. Blinzelnd, noch ganz träge vom Schlaf setzte ich mich auf, nieste erst mal kräftig. Müde blickte ich mich in meinem Zimmer um, ich hatte lange geschlafen, das erste mal in letzter Zeit. Sonst war ich immer mit arbeiten oder lernen beschäftigt gewesen. 

Plötzlich hörte ich aus der Küche ein lautes Miauen, gefolgt von einem Fauchen, welches sich ein wenig kläglich anhörte. Seufzend liess ich mich zurück in mein Kissen fallen, während ich schon die ersten tapsenden Schritte vernahm. Sie kamen näher und näher, bis sich auf einmal das Bett ein wenig senkte und ein braun getigerter Kater auf meiner Decke stand, mich vorwurfsvoll aus seinen goldenen Augen ansah.

"Ich komme gleich, nur noch eine Sekunde", murmelte ich leise, strich Gustav vorsichtig durch sein weiches Fell. Meine Augen schlossen sich wieder von selbst und wäre nicht in diesem Moment mein zweiter Kater auf meine Brust gesprungen, wäre ich wieder eingeschlafen. Schmerzerfüllt zischte ich auf. "Herbert, kannst du nicht besser aufpassen?" Der schwarze Kater maunzte nur, bis ich aufgab und mich aufsetzte. "Für euch gibts auch nur Essen und Schlafen, oder?" Mit einem erneuten Seufzer schwang ich mich aus meinem weichen, gemütlichen Bett, schlich noch halb im Schlaf in die Küche, um den beiden ihr Futter zu geben. 

Eine Weile später sass ich frisch geduscht an meinem Küchentisch, trank meinen Kaffee und sah den beiden Kater zu wie sie die letzten Körnchen verschlangen. Die beiden waren mein ein und alles, ohne sie wäre ich wahrscheinlich schon längst vereinsamt. 

Schmunzelnd beobachtete ich wie Gustav Herbert zur Seite drängte und sich über sein Futter hermachte. Dann fiel mein Blick auf die Uhr. Langsam sollte ich mich fertig machen, wenn ich nicht zu spät zu meiner Schicht kommen wollte. Ich trank noch die letzten Schlucke von meinem Kaffee, stellte die Tasse in die Spüle, bevor ich mich auf den Weg ins Schlafzimmer machte um mich umzuziehen.

Leise klingelte das Glöckchen über der Eingangstür, als ich das kleine Restaurant betrat in dem ich arbeitete. Noch sassen keine Gäste an den holzigen Tischen, nur mein Chef, der sich in dem Moment zu mir umdrehte und mich breit angrinste. "Hey Nici, wie gehts? Wir haben für heute Abend echt viele Reservationen, darum wäre ich sehr froh und dankbar, wenn meine beste Mitarbeiterin den Service übernehmen würde", sagte Kai, sein Lächeln, hatte nun etwas schmeichelndes angenommen. Augenverdrehend antwortete ich:" Und hast du deine beste Mitarbeiterin schon gefragt, ob sie das auch will?" Es war typisch das sich dieser Trottel wieder einmal einschmeicheln musste, obwohl ich so oder so nicht nein gesagt hätte. 

"Und was sagt sie dazu?", fragte der blonde und klappte seinen Laptop zu. "Ist in Ordnung, ich machs." Grinsend streckte mir Kai zwei Daumen nach oben, zwinkerte mir charmant zu. "Danke dir Nici, manchmal wüsste ich nicht was ich ohne dich tun würde." Ein weiteres Augenverdrehen konnte ich mir nicht verkneifen, während ich meine Tasche in einem Fach hinter der Theke verstaute und mir eine der roten Schürzen umband, da die ersten Gäste gerade unser kleines Lokal betraten. Es war ein älteres Ehepaar, die beieinander eingehakt einen der zwei Personen Tische ansteuerte. Mit einem wehmütigen Lächeln, sah ich den beiden zu, wie der Mann seiner Frau den Stuhl zurecht rückte, das sie auch ja gemütlich sass, während sie ihn mit einem liebevollen Blick musterte. 

Sobald sie ihre Jacken ausgezogen hatten und die Speisekarten in den Händen hielten, trat ich zu ihnen an den Tisch und fragte mit freundlichem Lächeln:" Haben sie sich schon für etwas entscheiden können?" Der ältere Herr richtete sich ein wenig auf und sah seine Frau an, die ihm zunickte. "Wir hätten gerne zweimal die Miso Suppe, dann Bibimpap mit Kimchi und dazu Makgeolli." Seine Stimme war rau, vom Alter gezeichnet, dennoch herzlich, als er die Bestellung aufgab. "Kommt gleich", sagte ich und machte mich auf den Weg in die Küche, um den Zettel abzugeben. 

Im laufe des Abends kamen immer mehr Leute, Paare die auf ein Date gingen, Freunde die einfach gemeinsam zu Abend essen wollten und Geschäftsleute die hier ihre Meetings abhielten oder eine Beförderung feierten. Kerzen wurden angezündet, Stühle geholt und an die Tische gestellt und die Lichter gedämmt. Ich hatte alle Hände voll zu tun, denn auch wenn ich es schon gewohnt war, lief mir der Schweiss in Bächen herunter und ich hatte kaum mal Zeit um eine kleine Pause einzulegen, kurz zu verschnaufen. Gerade balancierte ich ein Tablett voll mit Gläsern durch die Leute, zu einem Tisch den ich gerade eben frisch gedeckt hatte, als ich ein Stuhlbein übersah. 

Ich stolperte, verlor mein Gleichgewicht und schwankte gefährlich. Mein Herz setzte aus, während der Boden immer näher kam. Im letzten Moment wurde ich wieder hochgerissen und befand mich auf einmal in einem Paar starken Armen. Schon wieder. 

Dann hörte ich ein klirren, die Gläser hatten weniger Glück als ich. In tausend Stücken lagen sie auf dem Boden, die Splitter glänzten im Licht der gedimmten Lampen. "Oh Scheisse", hauchte ich. Kai wird mich umbringen. Ich wollte mir durchs Gesicht streichen, merkte erst dann, das ich mich immer noch an jemanden klammerte. Mit zitterndem Atem sah ich nach oben, wo mich schon der nächste Schock erwartete. Ich blickte in zwei wunderschöne braune Augen, die mir leider mehr als bekannt vorkamen. Nur das ich heute sein ganzes Gesicht sehen konnte, welches mich sprachlos in seinen Armen liegen bleiben liess. 

"Da sind wir wieder."

Come and get your LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt