Kapitel 2 Das Zuckerherz

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Als ich das Zuckerherz betrat, kam mir aus jeder noch so kleinen Ecke ein starker Zuckergeruch entgegen. Vermischt mit Schokolade, Marshmallows, Lollis und haufenweiser anderer atemberaubender Süßigkeiten. Auf der linken Seite fand man die verschiedensten Marshmallows in den unterschiedlichsten Farben, von Pink bis hin zu schwarz. Der Geschmack reichte von Erdbeere bis hin zu scharfer Lakritze.

Bei dem Gedanken an Lakritze wurde mir schlecht. Nicht unbedingt weil sie scharf war, sondern eher wegen der Süße darin. Es war ein Mix aus fünfzig Prozent Süße und zu fünfzig Prozent Schärfe. Diese Kombi war doch nicht mehr normal. Aber wer war schon normal. In Adamas gab es sehr viele Hexen und Zauberer die diese Sorte Marshmallows mochten. Die Lakritzmarshmallows brachten mit den Herzlollis und Schokoladen Kaugummis sogar den meisten Umsatz. Bei den Lollis und Kaugummis verstand ich das ja noch, die waren wenigstens in allen Geschmacksrichtungen verdammt lecker.

Wie immer ging ich erst zu Dulcia, um ihr Hallo zu sagen. Sie hatte mich bereits gesehen gehabt, als ich noch vor der Tür gestanden hatte. „Hallo Dulcia", in meiner Stimme war klar und deutlich zu hören, dass ich mich wie ein kleines Kind freute, wieder bei ihr zu sein. Hier in unserem kleinen, zuckersüßen Schlaraffenland. Mein Herz machte einen Salto, als ich mich kurz umschaute, während Dulcia meine Begrüßung erwiderte. „Na Lucita, wie gehts dir heute?", sie lächelte mich herzhaft an und hielt mir dabei einen pinkfarbenen Lolli entgegen. Eindeutig die Geschmacksrichtung Zuckerwatte. Dulcia wusste ganz genau was ich am liebsten aß und genau das, liebte ich so sehr an ihr. Niemand kannte mich so gut wie sie es tat. Und traurigerweise gehörten meine Schwestern ebenfalls zu der Kategorie. Alle fünf kannten mich so gut, dass ich nicht mal ein Tagebuch schreiben musste. Manchmal war das etwas lästig. Zumindest bei meinen Schwestern. Bei Dulcia störte es mich nicht. „Danke, mir geht es gut. Hast du wieder etwas neues kreiert?", fragte ich ganz aufgeregt und vergas dabei vollkommen sie nach ihrem Befinden zu fragen. Bevor Dulcia allerdings antworten konnte, schob ich noch fix die Frage hinterher:"Wie gehts dir?". Es war mir etwas unangenehm gewesen, aber meine Freundin wusste, dass ich das nicht mit Absicht gemacht hatte. „Lieb, dass du fragst. Mir gehts gut. Hab nur wieder Überstunden schieben müssen, weil so viele Bestellungen eingegangen sind und das macht einen ganz schön müde. Da ist leider nicht so viel Zeit für neue Kreationen", sie machte eine kurze Pause und als sie meinen Gesichtsausdruck sah, fuhr sie fort: „Sei nicht traurig. Ich hab so viele Ideen, dass ich fast einen neuen Laden eröffnen könnte". Ich musste schmunzeln. Noch einen Laden mit Dulcias zahlreichen Süßigkeiten, das würde bedeuten, wir hätten dann zweimal „Das Zuckerherz". Meine blauen Pupillen formten sich zu kräftigen, ja fast dreidimensionalen, Herzen. Ich stellte mir schon vor, dass ich ihre Kollegin wäre und den anderen Laden schmeißen würde, da riss mich Dulcia aus meinem Tagtraum. „Liebes, das wird aber nicht passieren. Und hör auf zu sabbern. Die Leute gucken schon", ihre warme, nach Zucker riechende, Hand legte sich sanft auf meine linke Schulter. Na toll, nicht mal ein bisschen träumen durfte man. Vielleicht bestand dann die Möglichkeit, dass mich die Anderen nicht mehr nur als den größten Tollpatsch der Stadt sehen. Tja, nun war aber diese kleine Hoffnung verflogen.

Ich steckte mir meinen pinkfarbenen Lolli in den Mund und lies in aller Ruhe den traumhaften Geschmack von Zuckerwatte wirken. Himmel Herr Gott war das lecker. Wenn ich alleine in dem Laden gewesen wäre, dann hätte ich genau jetzt aufgestöhnt. Dieser Geschmack konnte echt mein Verlangen stillen. Egal nach was, Zuckerwatte stillte es. „LUCITA!", Dulcia brüllte mir förmlich ins Ohr. Ich zuckte zusammen und die anderen Kunden ebenfalls. „Bist du wahnsinnig", mein Herz raste so schell, dass ich dachte es würde mir gleich aus meiner Brust springen. Zusätzlich fühlte sich mein Hals so an, als ich hätte ich einen dicken Kloß darin. Ich musste mehrmals schlucken bis sich dieses Gefühl endlich legte. „Nein, bin ich nicht. Aber ich hatte schon keine Ahnung wie oft deinen Namen gesagt. Da kannst du selbst alle anderen hier im Laden fragen", sie deutete auf ihre zahlreichen Kunden. Unter denen überwiegend junge Hexen sich befanden. Bevor ich auch nur meinen Mund aufmachen konnte, nickten sie mir beziehungsweise Dulcia zustimmend zu. Einige grinsten sogar breit und ich spürte eine Hitze in mir aufsteigen. Bis hoch in mein Gesicht. Ich konnte spüren wie ich knallrot anlief. Klasse, das hatte mir grad noch gefehlt, seufzte ich, während ich mich so drehte, dass ich nur noch Dulcia sehen konnte und die Anderen nur noch meinen Rücken sehen konnten. „Gib mir bitte noch zwanzig von diesen Lollis. Ich brauch dringend Nervennahrung", ich reichte ihr den leeren Stiel von meinem Lolli über den Tresen. „Du kannst gerne fünf haben, aber keine zwanzig. Das ist viel zu viel Zucker für so ein zierliches Mädchen wie du es bist. Außerdem brauch ich noch welche für meine Kunden", lachte Dulcia. „Aber ich bin doch eine Kundin von dauert", trauerte ich theatralisch. „Nein, du gehörst eher zur Familie", fuhr sie fort, während sie dabei mit ihrem linken Auge mir zuzwinkerte. „Fein, dann nehm ich eben nur fünf", schnaufte ich mit einem kleine prusten im Unterton. Meine Freundin verschwand kurz durch den Vorhang, der das Muster einer Zuckerstange hatte, nach in ihr Lager. Ein paar Minuten später kam sie mit fünf Lollis in der Geschmacksrichtung Zuckerwatte wieder. Am liebsten wäre ich über den Tresen gesprungen und hätte sie wie eine Verrückte abgeknutscht, auch wenn es nur fünf Lollis waren. Innerlich lachte ich grad so doll, dass ich mich nicht mehr einkriegte. Es wäre viel besser gewesen, wenn ich es hätte richtig umsetzen können und nicht nur innerlich. Das fühlt sich oft so, als würde man in einer Hülle festgehalten werden, die keine Grimassen oder dergleichen verzieht. Ein absolut schrecklicher Gedanke. Nur leider fühlte ich mich genau jetzt so. Gefangen in meinem eigenen Körper. Schlagartig änderte sich wieder meine Stimmung innen mir. Das einzige positive daran war, dass ich nicht mehr ganz so hibbelig war.

Adamas (City of Diamonds)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt