Sturz

13 4 14
                                    

Die Stimmen meiner Mitschüler hallten wie von weit her in meinen Ohren. Ich nahm sie kaum wahr, sondern war vollkommen in meinen Gedanken versunken.
Die Sommerferien standen kurz bevor und alle waren Glücklich und freuten sich auf die bevorstehende Zeit. Alle außer ich. Denn ich konnte mich einfach nicht auf die Ferien freuen. Schließlich hatte ich einen verrückten und dazu auch noch trinkenden Vater, der keine Gelegenheit aus ließ mir das Leben zur Hölle zu machen.
Vielleicht würde ich mich ja sogar ein wenig auf die Sommerferien freuen, wäre meine Mutter noch am Leben. Doch sie war leider vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben. Seit dem gab es niemanden mehr der mich liebte und sich um mich sorgte.

Missmutig stieß ich die Eingangstür der Schule auf und trat mit der Aussicht auf sechs Wochen Ferien hinaus ans Freie. Am liebsten hätte ich mich sofort wieder umgedreht und wäre zurück in das große Gebäude gerannt, nur um von einem Lehrer gleich wieder nach draußen geschickt zu werden. Also gab ich mich lieber gleich meinem Schicksal hin und machte mich schweren Herzens auf den Weg nach Hause.

Zu Hause angekommen hätte ich mich liebend gern einfach in mein Zimmer eingesperrt, meine Kopfhörer aufgesetzt und die Musik ganz laut gedreht.
Doch da machte mir mein Vater einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Der hatte nämlich keineswegs vor mich einfach faulenzen zu lassen. Aber das hatte er ja noch nie vorgehabt. Und ich war mir ziemlich sicher dass er schon ganz genau geplant hatte wie er meine Ferien zu den schlimmsten meines Lebens machen könnte.
Denn kaum hatte ich das Haus betreten kam er auch schon die Treppe runter gestampft und schrie mich an ich solle gefälligst das Haus putzen und Essen machen. Ich machte mich gleich an die Arbeit um alles schnell hinter mich zu bringen, doch weit kam ich nicht mit der Arbeit.
Denn meinem Vater schien mal wieder irgendetwas nicht zu passen.
Er verpasste mir schon eine halbe Stunde später eine kräftige Ohrfeige, die mich zu Boden gehen ließ. Er hatte eindeutig mal wieder viel zu viel getrunken.
Eine weitere Ohrfeige ließ mich zusammen zucken. Dann ein Tritt in meinen Bauch. Stöhnend sackte ich nach hinten und mein Kopf schlug hart auf dem Boden auf. Gequält schloss ich die Augen und ließ alles mit mir geschehen.

Schließlich spürte ich wie mein Vater mich vom Boden aufhob und mich weg trug. Er trug mich die Treppe nach oben, das erkannte ich an dem Knarzen. Dann wurde klappernd etwas geöffnet und ein Luftzug hauste meine Haare.
Blinzeln öffnete ich die Augen und erstarrte. Wir befanden uns im dritten Stock am Fenster. Eine böse Vorahnung beschlich mich. Mein Vater wollte mich tatsächlich umbringen!
Er hatte das schon öfters versucht, doch bis jetzt hatte ich es immer geschafft zu entkommen. Doch dieses Mal würde ich es sicher nicht schaffen. Mein Schicksal akzeptierend schloss ich die Augen wieder und wurde tatsächlich mit Schwung aus dem Fenster geschleudert.

Ich fiel und fiel und...
Moment mal. Mein Sturz hatte gestoppt. Zögernd öffnete ich meine Augen und blinzelte ein paar mal schnell. Ich stutzte. Ich flog. Oder besser ich geleitete in der Luft. War ich jetzt tot? Oder flog ich etwa wirklich?
Ich wollte meine Arme und Beine bewegen, doch irgendetwas stimmte nicht. Verwirrt drehte ich meinen Kopf nach hinten und erschrak so sehr dass ich einen Rückwertssalto in der Luft machte.
Ich hatte Federn! Und Flügel! Schnell erholte ich mich wieder von dem Schock und begann mit den Flügeln zu schlagen. Das klappte aber nicht wirklich so wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich konnte ja noch gar nicht richtig fliegen.
Hilflos ruderte ich mit den Flügeln in der Luft und versuchte mich verzweifelt oben zu halten.
Und dann... stürzte ich doch ab.

Als ich die Augen aufschlug sah ich Augen. Moment mal, was? Über mir stand ein Mädchen und sah mir mit wunderschönen blauen Augen direkt in meine stink nochmalen braunen Augen. Schnell rutschte ich ein Stück zur Seite und kam taumelnd auf die Beine. Dabei bemerkte ich dass ich wieder ein Mensch war. Gott sei Dank!
Doch dann kam mir ein anderer viel wichtigerer Gedanke.
"Wieso lebe ich noch?", ich hatte gar nicht bemerkt dass ich die Frage laut ausgesprochen hatte, deshalb erschreckte ich mich ein wenig als das Mädchen mit den ozeanfarbenen Augen mit glockenheller Stimme auf meine Frage antwortete.
"Ich habe dich aufgefangen"
"Du hast... Was?", ich war entsetzt. Ein Mädchen hatte mir das Leben gerettet. Und dann noch so ein hübsches! Ich betrachtete sie einmal genau. Sie hatte lange schwarze lockige Haare, die ihr bis zur Hüfte reichten und ihre Haut war leicht gebräunt. Auch ihr Gesicht war einfach wunderschön. Leichte Sommersprossen, zarte Lippen, blaue Augen und eine niedliche Nase.
Ich konnte die Augen einfach nicht von ihr lassen. Sie stand da so elegant in einem weißen Kleid und den schicken, ebenfalls weißen, Schuhen. Und dann diese Augen. Sie war einfach perfekt.
"Naja, ich habe dich mit meinen Händen aufgefangen um dich mitzunehmen", sagte sie. Ich hatte meine Frage, die ja eigentlich gar nicht ernst gemeint gewesen war, schon wieder vergessen.
"Ähm,mitnehmen?", meine Stimme Klang etwas zittrig. Ihre Stimme dagegen war zart und hell wie die eines Engels als sie sprach.
"In eine Schule für Gestaltwandler wie uns"

Elementwandler Band 1 Die Schwinge des AdlersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt