Julian's Sicht:
Meine Lunge brannte, doch genau dieses brennen gibt mir das Gefühl wirklich zu leben. Ich zog den salzigen Geruch der Nordsee in mir auf. Der Mittlerweile schon so vertraute Geruch, all das fühlt sich wie ein zu Hause an. Wenn ich an die Zeit zurück dachte, an den Punkt bei dem ich vor einer Entscheidung stand, die mein ganzes Leben verändert hat. Die Entscheidung, an Kai's Seite zu bleiben, oder ihn gehen zu lassen. Wenn ich genau daran zurück dachte, war es das einzig Richtige diesen Schritt, diese Entscheidung mit ihm zusammen gemacht zu haben. Ein Lächeln huschte mir über die Lippen. Ein einziger Gedanke an diesen Jungen und mein Herz schlug doppelt so schnell, ein angenehmes Kribbeln, dass sich wie tausend Schmetterlinge in meinem Bauch anfühlt, überkam mich und ich fühlte mich einfach nur gut. Heute ist dieser Junge ein Teil meines Lebens, ein Teil ohne den ich nicht mehr leben konnte und nicht mehr leben wollte Was hatte dieser Kerl nur mit mir gemacht?Inzwischen stand ich und blickte die Sanddünen hinunter. Das Meer erstreckte sich nur wenige Meter vor mir und glitzerte leicht im Licht der Sonne. Wie ich diesen Platz liebte. So oft sind Kai und ich hier spazieren gewesen, haben uns an diesen Platz gesetzt und gewartet bis die Sonne untergegangen war. All diese wundervollen Erinnerungen kamen in mir auf, doch eine Erinnerung hatte sich in mein Herz gebrannt, die ich nicht so schnell vergaß. Es war der Tag an dem Kai und ich sechs Monate zusammen waren. An diesem Tag hatte ich ihn mit einem Frühstück und anschließend einem Strandspaziergang überrascht. Was wir beide an diesem Tag leider nicht bedacht hatten. Es sollte regnen. Und so kam es auch, als wir genau an dieser Stelle zu stehen gekommen waren, regnete es wie aus Eimern. „Das klart auf! Ich weiß das!", hallt Kai's voller Überzeugung klingende Stimme mir immer noch im Kopf. Doch es klarte nicht auf, es schüttete immer und immer mehr. Und dann, Kai's Freude.
Wie ein kleines Kind, dass noch nie in seinem Leben den Regen gesehen hat. Noch heute muss ich darüber Lachen, wie sehr er sich doch über diesen verdammten Regen gefreut hatte. Ich allerdings hatte schlechte Laune. „ich wollte doch das der Tag perfekt wird." Er kam einen Schritt auf mich zu, nahm sanft meine Hand in seine. „Es ist perfekt, das alles hier ist perfekt.", er kam mir noch etwas näher, hauchte mir blitzschnell einen Kuss auf die Wange, plötzlich entfernte er sich von mir und rannte die Sanddünen zum Strand hinunter. „Fang mich doch." rief er mir entgegen. Völlig perplex stand ich da. Doch wenige Sekunden später begriff ich worauf er hinaus wollte und rannte ihm durch den strömenden Regen hinterher. „Na warte!", schrie ich und kam ihm Schritt für Schritt näher. Bis ich mit ihm auf gleicher Höhe wahr. Langsame kamen wir beide zum stehen, langsam legte ich meine Hände um seine Taille, drehte ihn zu mir, so das er mir direkt in die Augen sehen konnte.
„Hab dich..", hauchte ich ihm entgegen und stupste mit meiner Nase leicht gegen seine. Es regnete immer noch, doch das hatte ich komplett ausgeblendet. Ich war nur noch auf den Jungen mit den frechen dunkelbraunen Locken und dem einzigartigen und zu gleichen Zeit so bezaubernden Lächeln, der vor mir stand fokussiert. Und dann verließen diese magischen drei Worte wie aus dem Nichts meinen Mund. „Ich liebe dich..", ein sanftes Lächeln umspielte Kai's Lippen, seine Augen leuchteten auf und zogen mich in ihren Bann, doch aus dem so sanften Lächeln wurde ein freches, beinahe verführerisches. „Sechs Monate zusammen und du wirst so kitschig?" fragte er mich und kam mir verdammt nahe. „Ich habe so viele Seiten an mir, die du noch nicht kennst..", flüsterte ich ihm ins Ohr und kam ihm noch etwas näher. Verdammt! Diese Nähe machte mich verrückt! Er machte mich verrückt! Noch einmal lächelte er mich an, dann legte er seine Lippen endlich auf meine. Ich hatte ihn wieder bei mir, war ihm wieder so nahe.
Immer und immer wieder berühren sich unsere Lippen, spielten ein sich schon bekanntes Spiel miteinander. Ich wollte, dass dieser Moment nie endete, doch leider endete er. Kai löste sich schwer atmend von mir, lehnte seine Stirn gegen meine und genoss die immer noch bestehende Nähe zwischen uns beiden. „Ich liebe dich auch du Idiot..", hauchte er mir entgegen und sah mir direkt in die Augen.
Das Kreischen einer Möwe reiste mich aus meinen Gedanken, oder besser gesagt aus der „Reise in die Vergangenheit." Wie lang stand ich schon hier? Einige Minuten müssten vergangen sein, einige Urlauber hatte den Strand verlassen. Und auch ich entschied mich zurück in das kleine Haus von Kai und mir zurück zu gehen. Ich stöpselte mir meine Kopfhörer in die Ohren und machte mich auf den Rückweg, zurück zu ihm, zurück zu Kai. Dem Jungen ohne den ich heute nicht mehr konnte.