Robert guckte auf seine Uhr. 13:22 Uhr. Er hatte also noch knapp eine halbe Stunde. Er saß an seinem Schreibtisch und wollte eigentlich ein paar Sachen abarbeiten, ein paar Mails beantworten und seine Rede für heute Abend durchgehen. Aber er hatte sich lieber die Flasche Whisky, die der Lindner ihm zu den erfolgreichen Gesprächen geschenkt hatte, aus dem Schrank genommen und sich ein gutes Glas eingeschenkt. In einem Zug leerte er das noch halb volle Glas und musste zugebe, dass Christian genau wusste was er da verschenkte. Stark genug, aber nicht zu stark und leicht fruchtig. Bestimmt unverhältnismäßig teuer, aber so einer wie Christian konnte es sich eben leisten.Als Robert sich gerade die Flasche erneut in die Hand nahm, um sich wieder was einzuschenken, hielt er kurz inne. Seit wann trinkt er Whisky? Und seit wann trinkt er auf der Arbeit? Eigentlich kannte er genau die Antworten. Nach dem heutigen Tag würde auch der letzte Stützpfeiler in seinem Leben weg brechen. Auch wenn Annalena und er sich in den letzten Wochen nur wenig um die Partei gekümmert haben, und er in diesen Wochen wahrscheinlich der schlechteste Parteivorsitzende war, wollte er den heutigen Tag nicht. Sie waren ein Team. Vier Jahre lang haben sie gemeinsam diese Partei geführt, haben gerungen, haben geredet, haben auch gestritten, aber im Endeffekt haben sie gemeinsam diese Partei zu so guten Wahlergebnissen geführt. Sie waren ein sehr gutes Team. Und heute Abend wird es vorbei sein. Aus mit den Dreamteam, Aus mit lustigen Momenten auf gemeinsamen Wahlkampftouren, Aus mit dem gemeinsamen Büro, was sie sich eigentlich schon seit der Amtseinführung nicht mehr teilten, aber es war immer da, sie hatten immer die Möglichkeit sich dahin zu verziehen, wenn sie einen Moment Ruhe brauchten. Egal ob sie dort alleine waren oder zusammen. Auf jeden Fall würde dieser Parteitag das Aus für Annalena und Robert bedeuten. Ja, sie würden noch 20 Tage Vorsitzende sein, und ja, sie geben ja nur ihren Vorsitz und nicht ihre Zusammenarbeit und Freundschaft auf, aber Robert weiß, dass danach nichts mehr so sein würde wie vorher. Ihn erinnerte es ein bisschen an die Versprechungen, die man seinen Freunden nach dem Abschluss macht, dass man sich auf jeden Fall treffen muss und unbedingt telefonieren würde. Auch daraus wurde nichts.
Robert füllte sein Glas nochmals mit dem Whisky und leerte auch diesmal das Glas in einem Zug. Er spürte das leichte Brennen in seinem Hals. War der Whisky vielleicht doch nicht so gut? Schmunzelnd betrachtete er noch einige Sekunden das Glas in seiner Hand, bevor er aufstand und sich zu dem kleinen Schrank in seinem Büro begab, wo einige Ersatzhemden hingen. Er streifte sich ein schlichtes weißes Hemd über, was eigentlich gar nicht zu seiner aktuellen Gefühlslage passte, begann die Knöpfe zu schließen. Wegen der langsam einsetzenden Wirkung des Alkohols, dauerte es etwas länger als sonst, aber er meisterte diese Aufgabe innerhalb weniger Sekunden. Ehe er sein Büro jedoch verließ, drehte er sich nochmal zu seinem Tisch und holte eine kleine Schachtel aus einer Schublade hervor. Diese legte er vorsichtig in seine Tasche und verließ anschließend den Raum in Richtung Westlobby.
Als er dort ankam, war er zu früh, was bei ihm tatsächlich nicht so oft vorkam. 13:43 Uhr. Er müsste jetzt noch knapp eine Viertelstunde rumstehen und warten, also holte er sein Handy aus seiner Hose und begann darauf rumzutippen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Lutz van der Horst, wahrscheinlich im Auftrag der Heute-Show, auf irgendeinen Kollegen zu ging und irgendwelche Fragen stellte. Er hoffte innständig, dass er nicht auch noch zu ihm kam.
Plötzlich hörte Robert ein „Na, Kollege, was machst du denn hier so alleine?" und sah auf. Vor ihm stand Christian Lindner, der ihn freundlich anguckte.
„Nichts" nichts antwortete Robert leicht angenervt. Eigentlich hatte Christian gar nichts gemacht, aber auf seine gute Laune und den Smalltalk hatte Robert, wie auf so vieles gerade, einfach keinen Bock. Christian war verwundert, wollte schon eine weitere Frage stellen, aber da sah er, dass sich Lutz van der Horst den beiden näherte. Weil er sah, dass Robert offensichtlich keine Lust auf Reden hatte, ersparte er ihm die Fragen des Komikers und lies sich stattdessen „ausfragen". Als er endlich weg war, drehte sich Christian zu Robert und guckte ihn an. Er sah schlimm aus, schlimmer als bei den Koalitionsverhandlungen. Wie ein Schiffswrack, was vor hunderten Jahren unter ging und nun über die Jahre in den Tiefen des Ozeans vor sich ihn rottete.
„Alles gut bei dir?" erkundigte er sich also.
„Ja wieso?"
„Ach, du siehst nur so fertig aus", antwortete er besorgt.
„Ne, alles gut", erwiderte Robert und wollte, dass dieses Gespräch endet. Er wollte nicht über seine Probleme reden. Erst recht nicht mit dem Lindner.
Christian ging einen Schritt näher an Robert ran. Er stutze und schaute ihn erschrocken an. Sogar durch seine Maske konnte er den leichten Alkohol-Geruch, der von Robert ausging, riechen.
„Robert, hast du getrunken?" fragte er fassungslos.
„Äh... ja, aber nur ein bisschen. Dein Whisky ist echt gut, woher hast du den?" Robert versuchte sich rauszureden und von sich abzulenken.
„Willst du mich verarschen? Seit wann trinkst du bitte auf der Arbeit?" stellte Christian die Folgefrage nicht weniger entsetzt.
„Ach, tu doch nicht so, als würdest du nie Trinken. Das machen doch sowieso alle hier" gab er gereizt zurück.
„Bist du komplett bescheuert? Nenn mir einen seriösen Politiker in diesem Parlament, der sich während der Arbeit besäuft." Christian konnte sich kaum noch zurückhalten. Was war denn bitte in Robert gefahren? Außerdem konnte er sich nicht daran erinnern, dass Robert jemals Whisky getrunken hat, weshalb er damals auch nur wenig begeistert von seinem Geschenk war.
„Ja keine Ahnung, Karl sieht doch auch nicht immer ganz nüchtern aus.", probierte sich Robert an einem Witz und scheiterte kläglich.
Gerade als Christian wieder ansetzen wollte, sah er, wie Robert seinen Blick auf jemanden hinter ihm richtete. Augenblicklich verzog sich Roberts Gesicht zu einem so herzlichen Lächeln, wie Christian es schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Dementsprechend verwirrt schaute er ihn an, bevor er sich umdrehte und verstand, was, oder eher wer, die Ursache dieses plötzlichen Gemütswandels war.
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Soo ich hoffe es hat euch wie immer gefallen, diesmal lag der Fokus hauptsächlich auf Robert.
Und was glaub ihr, was könnte in der Schachtel drin sein?🤔
Ich würd mich wie immer über Feedback freuen :)
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I am a wreck when I'm without you | Annalena Baerbock x Robert Habeck
Fanfiction28. Januar 2022. Annalena und Roberts letzter Tag als Parteivorsitzende. Dementsprechend hält sich auch die Laune der beiden in Grenzen. Doch kommen sie sich noch einmal näher, bevor mit dem Ende des Parteitags alles vorbei ist? Annalena Baerbock x...