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Er erinnerte sich nicht daran, jemals so glücklich gewesen zu sein. Der Blick aus dem Fenster gewährte ihm den Zugang zu einer farbenfrohen Natur, wie er sie seit Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte. Er hatte das Gefühl, dass die Sonne, die so prächtig auf die Wiesen hinter Flensburg schien, heute nur für ihn reserviert war. Er konnte nicht anders als breitgrinsend vor sich hin zu starren, denn die Freude über das Wunder des heutigen Tages musste einfach raus!

Er kostete dieses Gefühl noch eine ganze Weile aus, aber letztlich holten ihn die Dämonen der letzten Monate doch ein. Robert ließ die Gedanken mit dem Wissen, dass nun alles besser werden würde, zu und er ließ die Ereignisse nach Annalenas Schicksalstag noch einmal Revue passieren.

Die Polizei hatte erst vor kurzem das Netzwerk hinter dem Mordanschlag aufgespürt und es gab einen immensen Aufschrei in der Gesellschaft, als bekannt wurde, dass die britische, international agierende Organisation Combat 18 dahinter steckte. Die Briten, so war zumindest Roberts Eindruck, waren so bestürzt, dass es zu zahlreichen Demonstrationen zur Verteidigung der Demokratie kam und Annalena schnell zum Symbol für Frieden und Freiheit avancierte. Die Bilder verbreiteten sich unglaublich schnell und erreichten bald die ganze Welt.

Robert grinste leicht- sie war ein Superstar ohne es zu wissen! Er war wirklich gespannt auf ihre Reaktion. Er selbst geriet natürlich ebenfalls in den Fokus zahlreicher Medien, wurde aber aufgrund seines beharrlichen Schweigens mittlerweile in Ruhe gelassen. Dass sich das bald ändern würde, war ihm bewusst, aber bis dahin hoffte er auf ein paar ruhige Momente mit Annalena. Wieder grinste er bei dem Gedanken, bald an ihrem Bett sitzen zu können. Er war tatsächlich aufgeregt.

4 Stunden später, St. Hedwig Hospital Berlin, 22:09

Er brauchte einige Minuten, um sich in den Gängen des Krankenhauses mit seinen zahlreichen Stationen zurecht zu finden, aber letztlich hatte er es doch geschafft. Eine freundliche Schwester, die ihn hilflos umherirren sah, sprach ihn an und begleitete ihn sogleich zu Annalenas Zimmer. Als sie ankamen, berührte sie ihn kurz am Ellbogen und hielt ihn für einen Moment zurück: "Herr Habeck, ich möchte Ihnen nur sagen, wie sehr es mich für Sie freut, dass Sie Frau Baerbock nun sehen können, ich habe sie lange betreut, bevor sie verlegt wurde und wissen Sie, mir tat es unendlich leid, dass Herr Hohlefleisch Ihnen den Kontakt verwehrt hat. Ich meine, ich kenne Sie nur aus dem Fernsehen, aber ich hatte bei der Pressekonferenz vor drei Jahren das Gefühl, dass Sie sich nichts sehnlicher gewünscht haben, als sie sehen zu dürfen." Robert nickte ihr leicht zu und räusperte sich bevor er sprach: "Vielen Dank, Schwester...", er schaute kurz auf ihr Namenschild bevor er weitersprach, "Marlene, ich weiß das zu schätzen, auch, dass Sie mich so spät noch zu ihr lassen." Er schaute betreten auf den Boden. Sie begegnete seiner Äußerung mit einem Lächeln und öffnete anschließend die Zimmertür, die ihm den lang ersehnten Zugang zu Annalena gewähren würde. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

Er schlich den kleinen Flur entlang und klopfte kurz mit der Hand gegen die Wand, bevor er den Raum betrat - immer bedacht, sie nicht zu erschrecken. Als er plötzlich ihre zarte Stimme "Robert?" sagen hörte, fühlte er sich wie im Paradies. Er ging ein Stückchen vor und schon trafen sich ihre Blicke. Seine Knie wurden auf der Stelle weich und ihm liefen die Tränen nur so die Wangen hinunter. "Annalena", stammelte er vor Glück, "Oh Gott! Annalena!" So schnell konnte sie vermutlich gar nicht gucken, wie er an ihrem Bett war und sie in eine lebensspendende Umarmung zog. Er zog sie so nah an sich, dass er ihren gesamten Oberkörper spüren konnte. Er vergrub sein Gesicht komplett zwischen ihrem Hals und atmete sehnsüchtig ihren Geruch ein: "Ich hab dich so vermisst! Ich...o Gott! Ich bin so froh, dass du bei mir bist!", weinte er vor sich hin. Seine Tränen liefen ihren Körper hinunter, aber er konnte sie einfach nicht stoppen. All die Sorgen und Ängste der letzten Jahre versammelten sich in diesem einen Moment. Er spürte Annalenas Arme, die sich noch fester um seinen Körper schlossen und ihren sanften Atem, den er an seinem Hals spürte, als sie in sein Ohr flüsterte: "Ich bin so froh, dass du da bist! Ich hatte wirklich Angst, dass du mit mir abgeschlossen hast!" Er merkte wie auch sie anfing leise in sein Hemd zu weinen. Abrupt löste er sich aus der Umarmung und schaute sie fragend an: "Bitte? Wie kannst du sowas denken? Ich habe mir nichts Sehnlicheres gewünscht als diesen einen Augenblick, den wir jetzt teilen!" Sie lächelte erleichtert als er ihr die letzte Angst vor einer Ablehnung nahm, fügte aber hinzu: "Robert, du musst bedenken, dass meine Erinnerungen zu diesem Zeitpunkt enden, an dem unsere Freundschaft nicht mehr existent war! Wir hatten nur noch hässliche Worte für den anderen übrig! Was soll ich da von dir erwarten?" Er schloss für einen kurzen Moment die Augen, um den Schmerz in ihren Worten zu verarbeiten. Als er sie schließlich wieder öffnete, strich er mit seinen Fingern eine dunkelbraune Strähne sanft aus ihrem Gesicht und schaute ihr anschließend direkt in ihre klaren Augen: "Ich war das größte Arschloch dieses Planeten und ich bestrafe mich heute noch jeden Tag dafür, dir so wehgetan zu haben." Er näherte sich langsam ihrem Gesicht und flüsterte: "Du bedeutest mir alles!" Sie fielen sich wieder in die Arme.

Shattered (Annalena-Robert-Fanfic)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt