You're my queen

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»Hey«, rief ich ihr zu, und lief ihr hastig hinterher, »Kannst du mir helfen?«
Die junge Frau drehte sich um und starrte mich aus unfreundlichen, tiefschwarzen Augen an. »Nein«, war ihre schlichte Antwort.

Was war das denn für eine Person?
»Warum nicht?«, fragte ich und blickte sie herausfordernd an.
»Warum sollte ich?«, schoss sie zurück und wandte sich zum gehen.

Verblüfft starrte ich ihr nach. Das konnte doch unmöglich ihr verdammter Ernst sein!
Ich wollte sie doch nur nach dem Weg zur Sporthalle fragen!
»Warte mal!«, schrie ich, als sie schon fast außer Hörweite war.

»Was denn noch?«, rief sie genervt über ihre Schulter.
Ich hastete zu ihr und stützte meine Hände auf meine Knie.
»Kannst du mir bitte sagen wo die Sporthalle ist?«, fragte ich und blickte sie bittend an. Diesen kleinen Gefallen könnte sie mir doch tun! Doch ich hätte falsch gedacht.
»Warum sollte ich?«, meinte sie wieder und setzte ihren Weg gemächlich fort.

Genervt raufte ich mir die langen, braunen Haare mit den blauen Spitzen. Was zur Hölle war diese Frau gefahren?
»Ich muss da ganz dringend hin und niemand weiß, wo bitte diese Halle ist. Ich wäre dir also wahnsinnig dankbar, wenn du mir nur den Weg sagen könntest, dann nerve ich dich auch nicht weiter!«
»Wofür gibt es denn heutzutage Google Maps?«, gab sie nur spöttisch grinsend zurück, »Oder bist du zu doof, um darauf schon gekommen zu sein?«

Oh nein. Nicht das Thema. »Ich... also, ich«, verzweifelt rang ich nach Worten, »ich habe kein Handy... Ich habe nicht genug Geld... Aber kannst du mir jetzt bitte einfach nur den Weg zur Sporthalle sagen?«
Entgeistert starrte mich die Frau an. »Du... hast kein Handy?« Ihre erstaunte Miene verwandelte sich in ein hässliches Lachen. »Du hast kein Handy? Mit solchen Losern brauche ich mich nicht abgeben!« Wieder drehte sie sich um. Was war mit der denn schiefgegangen?

»Du bist ein furchtbarer Mensch!«, schleuderte ich ihr hinterher. Sie drehte sich um und lief langsam rückwärts weiter, wobei sie mich feixend ansah.
»Vielleicht, aber ich bin reich und wunderschön, also spielt das keine Rolle.«
Mir klappte der Mund auf. So gerne hätte ich gekontert. Aber ich konnte darauf nichts erwidern — Reich war sie sicherlich. Und sie war... Die schönste Person, der ich je begegnet war, das stand fest.
»Mach den Mund zu, bevor dir Fliegen hineinflattern, die genau so wenig Hirn haben wie du.«

Ich war einfach nur sprachlos. Was sollte ich tun? Ein Gegenargument gab es nicht. Und außerdem war ich wohl das Gegenteil von dem was sie war. Hübsch war ich nicht wirklich — und reich schon gar nicht. Beschämt drehte ich mich um und lief davon. Nur weg von diesem Ort, an dem sich die furchtbare  Person aufhielt. Einen leisen Schluchzer konnte ich nicht unterdrücken. Was konnte ich dafür, dass ich nicht so reich war?

Ich vernahm noch einmal ihre Stimme. »Ich bin übrigens Ravenna. Dann kannst du mich bei deinem großen, starken Freund verpetzen.«
Ich drehte mich nicht um, da mir nun schon Tränen über die Wangen rannen. »Ich habe keinen Freund«, antwortete ich mit gebrochener Stimme. Und ich würde auch nie einen haben.
Vielleicht hätte irgendwann tatsächlich ein Mann Interesse an mir — Doch ich konnte keine Beziehung mit Männern führen. Ich war lesbisch und ich hasste die Welt dafür, dass sie dies als unnormal ansah. Dass ich meine Sexualität nicht so leben konnte, wie ich es wollte.
»Ach ja? Auch dafür zu hässlich? Dabei hast du doch so einen schönen Charakter...« Ich hörte nur noch dem Spott, der in ihrem Ton mitschwang. Von diesem leisen, kaum heraushörbaren anderen Gefühl, dass in ihrer Stimme, bekam ich nichts mit.

Ich rannte, verschleuderte meine ganze Kraft, und doch kam es mir so vor als ob ich langsamer wäre als die lahmste Schnecke.
Auch dafür zu hässlich, hallte es in meinem Kopf wieder. Diese Worte waren schmerzhaft gewesen. Ich kam immer noch nicht schnell genug voran, als sich plötzlich eine warme Hand auf meine Schulter legte und mich am Rennen hinderte. Vorsichtig blickte ich zurück. »Ich hab auch keinen Freund. Wie heißt du?« Zögerlich blickte ich in die dunklen Augen, die mich zuvor noch so böse angestarrt hatten. In das Gesicht, das vorher noch abweisend gewirkt hatte. Auf die Frau, die mich beleidigt hatte. Die Frau, die mich nun vorsichtig anlächelte und diese warmen Worte gesprochen hatte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 20, 2022 ⏰

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