Heiss, heisser Ulfric oder Ralof?

654 37 5
                                    

Yelva

Ich folge dem Fluss nur noch ein paar Schritte, dann renne ich den Hang hinauf. Das Rauschen des Flusses bleibt zurück, hier fliesst er ruhig. Oben angekommen, sehe ich die Strasse, sie liegt verlassen da. 
Ich bin nicht weit gegangen, als auch schon eine feine Schneeschicht alles überdeckt. Es sieht aus wie Puderzucker auf Leckereien. Felsen umgeben die Strasse wie stille Wächter. Der Wind, der hier stärker weht, ist das einzige Geräusch. Eine Abzweigung auf der rechten Seite führt zu einem Hof. Ich ignoriere sie und laufe weiter. Die Strasse steigt leicht an. Oben bleibe ich einen Augenblick stehen. Windhelm liegt vor mir. Die Stadt wirkt trist und der graue, wolkenverhangene Himmel, die Nebelschwaden über dem Wasser und die ebenfalls grauen Steine verleihen diesem Ort etwas Verlassenes. Ja, hätte ich nicht den Rauch aus den Schornsteinen aufsteigen und ein paar Wachen auf den Mauern gesehen, so würde ich denken die Stadt sei verwaist. Ich gehe gemütlich weiter, lasse mein Ziel nicht mehr aus den Augen.

Zuerst erreiche ich die Ställe, passiere eine Kutsche und betrete dann die Brücke, welche zum Stadttor führt. Die Steinmauern sind grösser als ich und so sehe ich nur was vor, hinter und über mir liegt. Zwei Torbögen durchschreite ich, Wachen patrouillieren hier. Sie mustern mich kurz, ohne stehen zu bleiben. Endlich stehe ich vor dem Tor. Ich lege den Kopf in den Nacken, bewundere die Falken- oder Adlerköpfe, welche über den Eingang wachen. Ich nehme mir noch einen Moment Zeit, lasse das Ganze auf mich wirken, erst dann trete ich näher und durch das soeben geöffnete Tor.

Treppenstufen führen links und rechts von zwei Feuerstellen hoch zu einem Haus. Ein Gasthaus mit dem Namen Haus Kerzenschein. Es ist ein ansehnliches Gebäude, hoch, ja fast wie ein Dreieck geformt, mit mehreren Türen auf verschiedenen Seiten. Ich gehe links am Gebäude vorbei, es ist lange. Erstaunliche lange. Alles in dieser Stadt scheint aus Stein zu sein. Die Häuser, die Strassen soweit ich sehen konnte. Stein und nochmals Stein. Nicht gerade fröhlich. Nein, Windhelm wirkt alles andere als Gastfreundlich. Keine Stadt für gute Laune. Die Leute, welche an mir vorbeigehen, mustern mich. Verschlossen. Argwöhnisch. Es ist so wie ich es erwartet habe und trotzdem habe ich gehofft, es würde nicht so nahe am Spiel sein.

Nun egal. Ich habe ja was zu erledigen. Zielstrebig steure ich auf den Palast der Könige zu. An einer der Feuerschalen wärmt sich eine hagere Frau, die Haare fallen ihr strähnig ins Gesicht und ihre Kleider sind nicht weiter als zerfetzte Lumpen. Ich halte ein Goldstück hin.
„Weisst du ob das Drachenblut bereits angekommen ist?“, frage ich leise.
„Ich kenne das Drachenblut nicht. Aber heute ist ein Fremder in die Stadt gekommen. Du musst wissen niemand kommt hier her. Reisende sind selten. Sie meiden das kalte Wetter und die Stadt hat auch nichts zu bieten.“
„Wie sah der Mann aus?“
„Gross und breit gebaut, blonde Haare. Wahrscheinlich ein Nord.“
Ich bedanke mich bei ihr und drücke der Frau das Geldstück in die Hand. So selbstsicher wie ich nur kann, trete ich auf das Tor zu. Die Wachen halten mich nicht auf.

Mit einem lauten Knall fällt die Tür ins Schloss. Vier Köpfe drehen sich in meine Richtung. Ich lasse mir Zeit, schaue mich um. Der Raum ist riesig, vor allem lang und hoch. Eine gedeckte Tafel, an der gut 35 Personen platzfinden, steht in der Mitte, dahinter der Thron. Blaugelbe Banner und Fahnen mit dem Wappen der Sturmmäntel zieren den Raum. Langsam gehe ich auf den Thron zu. Wie erwartet erkenne ich nun Erik und Ulfric. Doch ein blonder Riese verstellt mir den Weg. Ein heisser Typ mit Bart und Schnauz. Ich bleibe vor ihm stehen, schenke ihm ein warmherziges Lächeln.
„Ralof bitte tritt beiseite. Ich habe keine Interessen daran Ulfric zu töten und bin lediglich hier um das verehrte Drachenblut von eurer Sache zu überzeugen.“
„Woher kennst du meinen Namen?“, fragt er und mustert mich mit zusammengekniffenen Augen.
„Nun wer kennt dich nicht, unter den Frauen versteht sich.“ Ich zwinkere ihm zu.
„Das reicht jetzt!“, unterbricht uns Ulfric, der alles andere als amüsiert wirkt, „lass sie vorbei.“
Brav geht Ralof beiseite, ich bin froh um meine Verkleidung, so wird mich Ulfric sicher nicht erkennen. Trotzdem bin ich etwas nervös. Seine Augen wandern über mich.
„Wer bist du und was willst du?“
„Ich bin Kora und wie schon erwähnt, möchte ich das Drachenblut dazu bringen sich euch anzuschliessen, anstatt den Kaiserlichen.“
„Weshalb?“
„Nun ich möchte dass ihr es seit, der gewinnt und dazu braucht ihr seine Unterstützung.“
„Warum soll ich einer dahergelaufenen Frau Glauben schenken?“
„Ihr müsst mir nicht glauben, ich brauche nur das Drachenblut zu überzeugen.“
„Warum glaubst du, dass ich dir glauben werde?“, fragt nun Erik.
„Instinkt.“
Damit packe ich ihn am Arm und ziehe ihn mit, was er sich gefallen lässt. Wenige Meter von den anderen entfernt bleibe ich stehen. Wir reden. Streiten. Diskutieren. Am Ende sage ich: „Du brauchst nicht gegen Alduin zu kämpfen, ihr könnt vielleicht sogar Verbündete sein, aber nur wenn du dich den Sturmmäntel anschliesst.“„Alduin der Weltenfresser als Verbündeter?“ Er schaut mich zweifelnd an.
Ich nicke. „Ja, er ist nicht nur böse und will die Welt nicht zerstören. Er will einfach seine Ruhe. In Frieden leben und seinen schlechten Ruf verbessern.“

Erik dreht sich ab, geht hinüber zu Ulfric. Ich bleibe zurück. Beobachte und lausche. Erik entscheidet richtig. Erleichtert atme ich auf. Ich habe meine erste Aufgabe gemeistert. Doch bevor ich mich still und leise wieder davonstehlen kann, packt mich Ralof und bugsiert mich wieder zum Thron. Wütend schlage ich nach ihm, was jedoch keine Wirkung zeigt. Vor Ulfric stellt er mich ab.
„Wohin so eilig?“, will Ulfric wissen.
„Ins Bett“, gebe ich gereizt zurück, „ich habe einen weiten und anstrengenden Weg hinter mir. Geschlafen habe ich da nicht sehr viel, dafür umso mehr gekämpft.“
„Von wo bist du Aufgebrochen?“
„Rifton.“
„Bist du eine Diebin?“
„Warum willst du das wissen?“
„Reine Neugierde.“
Ich gebe keine Antwort, dafür zieht mir Ralof meine Kopfbedeckung aus. Mein dunkles Haar kommt zum Vorschein.
„Ralof du kannst dich zurückziehen. Erik geh zu Galmar, er wird dir eine Aufgabe zu teilen. Einen Test, damit du aufgenommen wirst in unsere Reihen. Und du Kora kommst mit mir.“
Na schön. Wiederstreben gehe ich neben ihm her. Wir verlassen den Thronsaal durch den Durchgang auf der linken Seite. Dahinter kommt ein einfacher Raum mit einem Tisch auf dem eine Karte von Himmelsrand liegt. Blaue und Rote Fähnchen markieren verschieden Orten. Ulfric schiebt mich sanft aber mit Nachdruck weiter, durch eine Tür. Die Stimmen von Erik und Galmar verstummen. Wir gehen durch schwach beleuchtete Gänge, zwei Treppen hinauf. Die Wachen grüssen Ulfric und mustern mich.
Wahrscheinlich denken sie ich bin eine Hure. Eine weitere Tür wird geöffnet und ich finde mich in einem geräumigen Gemach wieder. Ein grosses Bett steht in der Mitte des Raumes. An den Wänden befinden sich Regale, einen Schreibtisch, Schränke so wie ein Tisch mit zwei Stühlen. Auch hier sind die Banner der Sturmmäntel vertreten. Ich frage mich warum ich hier bin. Ulfric hat sich auf einem der Stühle niedergelassen.
„Warum gibst du dich als eine andere aus, als diejenige, die du bist?“
Ich blicke ihn erschrocken an.Er weiss es. Verdammt!
„Dachtest du ich würde dein Gesicht nicht wiedererkennen. Deine Stimme?“
Ich setze mich seufzend auf die Bettkante.
„Ich habe gedacht du würdest mich nicht erkennen. Warum auch? Zwei Tage sind nicht viel und du begegnest ständig neuen Leuten. Ich bin nicht gekommen um dir zu schaden. Meine Aufgabe war nur das Drachenblut von deiner Sache zu überzeugen.“
„Wer ist dein Auftraggeber?“
„Du weisst dass ich die Frage nicht beantworten werde, warum stellst du sie überhaupt. Ich kann dir sagen, dass er sehr mächtig und weise ist. Stark, beinahe unbesiegbar. Die Leute denken schlecht von ihm, aber im Grunde ist er ein aufrichtiger und guter Mann.“
„Na gut belassen wir es dabei. Aber verrate mir eins. Woher wusstest du, dass Erik hier sein würde?“
„Ich habe auch ihn schon einmal getroffen. Er kennt mich wie du unter einem anderen Namen. Ich will nicht, dass er mich erkennt.“
„Schön dann bist du halt Kora. Ich werde einen der Diener zu dir schicken. Nimm ruhig ein Bad und ruh dich aus. Du kannst hier bleiben, ich habe anderweitig zu tun. Vergiss nicht du kannst mir vertrauen, ich habe nicht vor dir zu schaden.“
„Natürlich, danke.“

Damit geht er hinaus, ich blicke ihm nach. Was soll ich sagen? Ich fühle mich ganz eigenartig.
Ich muss eingeschlafen sein, als ich aufwache steht ein Waschzuber bereit. Vorsichtig tauche ich den Finger hinein. Gut es ist noch warm. Langsam ziehe ich mich aus und lasse mich ins Wasser sinken. Obwohl das Holz hart ist und das Wasser nicht mehr heiss, geniesse ich es. Sauber zu sein ist halt einfach ein tolles Gefühl. Nachdem ich den Dreck abgeschrubbt habe, lehne ich mich zurück, schliesse die Augen und lausche dem Knistern der Flammen aus  dem Kamin. Sie haben eine beruhigende Wirkung. Es riecht nach verbranntem Harz und Lavendel.
Plötzlich knallt die Tür gegen die Wand, erschrocken springe ich auf und greife nach meinen Schwertern.
„Du kannst ihr nicht trauen!“, ruft Ralof gerade laut und kommt hinter Ulfric, der angewurzelt stehengeblieben ist, ins Zimmer gestürmt.
„Ralof hör auf“, zischt Ulfric gefährlich.
„Nein! Du bist ihr im ersten Augenblick verfallen, das hätte sogar ein Blinder sehen können. Du kennst sie nicht, wer weiss was sie vor hat.“
Ich starre die beiden fassungslos an. Was bitte soll das? Ulfric schaut mich nicht an, obwohl er weiss dass ich hier bin und Ralof scheint mich nicht einmal wahrzunehmen.
„Es reicht! Kann eine Frau nicht mal in Ruhe ein Bad nehmen ohne von zwei Idioten gestört zu werden!“, schreie ich sie an. Das zeigt Erfolg.
Sie verstummen augenblicklich. Ralof schaut verwirrt zu mir, macht grosse Augen und senkt schnell den Blick. Auf einmal scheint der Boden sehr spannend zu sein. Ulfric lächelt leicht. Ihr Unbehagen ist deutlich sichtbar.
„Was ist?“, frage ich.
„Du bist nackt“, bringt Ulfric schliesslich hervor. Nun ist es an mir rot zu werden. Oh mein Gott! Sie sehen meine Narben. Eilig schlüpfe ich in das bereitgelegte Hemd. Es ist eines von Ulfric und somit genug lang um alles zu verdecken.
„Gut ihr könnt wieder hochschauen.“
Ich trete zu Ralof.
„Du hast ein Problem mit mir? “, frage ich ihn gerade heraus.
„Ich traue dir nicht, das ist alles.“
„Ist verständlich. Warum solltest du auch. Schliesslich kennst du mich nicht. Aber Ulfric kennt mich ein bisschen von früher. Falls ihr Fragen habt, tut euch keinen Zwang an und fragt einfach.“
Ich beantworte die Fragen so gut wie möglich, wobei ich meine Kindheit und Jugend natürlich Himmelsrand anpasse. Ich kann ihnen ja schlecht erzählen das Alduin mich aus einer anderen Welt hierher gebracht hat.
„Woher hast du die Narben.“
Ralof will das wissen, ist ja klar.
„Ich bin beinahe gestorben, die Narben waren nötig damit ich es nicht tat.“
Darauf schweigen wir alle. Ralof erhebt sich als erster und verlässt Wortlos das Gemach. Ich müde und ausgelaugt lege mich schlafen. Ich höre wie der Boden knarrt. Ulfric hat sich hingelegt auf den Steinboden.
„So prüde bin ich nun auch wieder nicht. Ulfric, das Bett ist gross genug.“
Kurz darauf senkt sich die Matratze.
„Danke“, flüstert er.
„Keine Ursache. Ich schlaffe mit Dolchen.“
Ich höre ihn leise lachen, bevor mich der Schlaf endgültig übermannt.

Liebe, Drachen, heisse Typen und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt