DIE KINDER DES MONDES

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Als die Zeit noch jung und unbedeutend war, herrschte ein brutaler Krieg zwischen den Planeten und färbte die Flüsse der Erde rot, getränkt vom Leid und Tod ihrer Bewohner. Nach endlosen Gefechten, erbitterten Schlachten und gnadenlosen Feldzügen hatten sie ihn, den letzten Schweifstern, endlich besiegen können. Aber von der einst so schönen, wohl geschätzten Heimat blieb nicht viel übrig. Asche und Rauch überzogen zu ebenjenen Tagen den blauen Planeten. Hinterließen nichts als Düsternis und Hoffnungslosigkeit.

So kam es, dass die traurige Mutter aller, die Sonne, ihre jüngeren Brüder in die fernsten Gegenden entsandte, um den Himmelskörpern Schutz und Zuversicht zu schenken. Niemals wieder wollte sie solch eine Verzweiflung spüren, wie sie diese an den Tagen der grässlichen Geschehen verspürte. Niemals wieder sollte solch ein Grauen das Universum heimsuchen.

Die Stunde der Hüter der neun Planeten schlug.

Doch was als gut gemeintes Unterfangen begann, endete mit fatalen Auswirkungen. Denn wo Missgunst gedeiht, wird Schlimmeres folgen. Während sich die Sonne um all die Planeten kümmerte, war den Monden das Schicksal als alleinige Hüter bestimmt. Bis in alle Ewigkeit verdammt mit einem Planeten auszukommen - ihn zu schützten und zu ehren. Dies war der Grund, warum die Monde rebellierten, sich auflehnten und die Ordnung herausforderten. Eine erneute Fehde zog über den Makrokosmos.

Sonne gegen Monde.
Wärme gegen Kälte.
Licht gegen Dunkelheit.

Am Ende erhielten einige Monde Gleichgesinnte, manche Planeten verloren ihre Beschützer dauerhaft. Folglich lebte ein Mond besonders einsam, der des blauen Planeten. Gleichgesinnte suchte er vergebens. Stattdessen zog er sich zurück, wandte sich immer mehr von seinen Brüdern ab und verbrachte Tage allein in den Schatten, bis in seinem Herzen trostlose Finsternis herrschte. Die Trauer des Alleinseins hinterließ Spuren, die wie Narben schienen, äußerlich unsichtbar und im tiefsten Innersten präsent. Sie ergriff langsam Besitz von ihm und war hartnäckiger als ein Parasit, der seinen Wirt überallhin begleitete.

Seine Schwester, die längst noch nicht die Hoffnung aufgegeben hatte, versuchte mit ihm zu reden. Aber was wusste sie schon? Sie war nie allein, hatte Wolken und Menschen, die ihr strahlendes Lächeln bewunderten. In der Seele des Mondes hingegen breitete sich ein unüberbrückbares, schwarzes Loch aus, das alles und jeden über die Zeit verschlang. Dennoch versuchte die Sonne ihren Bruder ins Licht, in die klare Zuversicht, zurückzuführen und die Düsternis um ihn herum zu vertreiben, die sich wie eine todbringende Krankheit rasant verbreitete.

Aber er schenkte ihr kein Gehör, konnte nicht vergessen, was seine Schwester im einstigen Gefecht getan hatte. Wegen ihr war er allein, einsam, verlassen und ein Gefangener der Finsternis, weshalb auch der blaue Planet in Ruhe und Dunkelheit getaucht werden sollte, wo kein Leben gedieh. Unterdessen verbreitete seine Schwester Wärme und Licht, obwohl die heißen Sonnenstrahlen Feuer auslösten und kahle Wüsten hinterließen.

Eine Vereinbarung, um die Harmonie der Erde zu schützten, musste her. Es handelte sich um ein Abkommen, bei dem sich Sonne und Mond niemals mehr in die Quere kommen sollten. Denn wohl oder übel mussten sie zugeben, dass sie etwas, was ihr Himmelskörper beiderseits dringend brauchte, besaßen: Ein Gleichgewicht. Das Gleichgewicht des Lebens und der Zeit. Ein endloser Kreislauf.

Dies war die Geburtsstunde von Tag und Nacht.

Fortan regierte der Mond über die trostlose Nacht und machte sie zu seinem Verbündeten. Bei Tagesanbruch betrachtete er voller Schwermut das tägliche Leiden der verwaisten Erdbewohner, weshalb er sich ein letztes Mal an seine Schwester wandte. Es handelte sich um den Tag, an dem keiner sagen konnte, welche Tageszeit herrschte, denn sowohl Sonne als auch Mond erstrahlten gemeinsam den Himmel.

Der Mond schlug vor, eine neue Kolonie zu gründen, wo alle stark und glücklich sein sollten, insbesondere der armen Kinder

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Der Mond schlug vor, eine neue Kolonie zu gründen, wo alle stark und glücklich sein sollten, insbesondere der armen Kinder. Ein Ort, an dem keiner mehr allein gelassen werden sollte. Doch seine Schwester, geblendet von der Liebe, die die Sterblichen ihr entgegenbrachten, lehnte ab.

Deshalb schmiedete der Mond einen Plan ...

Wenn das Licht verging und man seine eigene Hand vor Augen nicht sehen konnte, brach seine Obliegenheit an. Heimlich schlich er sich in ein Kinderheim, dessen Bewohners Alleinsein er seit Tagen schmerzerfüllt beobachtetet hatte. Er wollte ihnen das Gefühl von Gemeinschaft und Freundschaft schenken.

Nachts, als alle tief und fest schliefen, weckte er die Kinder sanft mit seinem funkelnden Schein und lud sie ein, ihn in sein Reich zu begleiten, in das Land des Zaubers und der endlosen Träume. Jedem erstrahlte sein Licht dabei sicher den Weg. Seither lebte auch der Mond in glücklicher Gesellschaft und verspürte von nun an nicht mehr die Schatten der Einsamkeit.

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