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Ein unerwarteter Besuch und Fund

Nachdem ich gestern Abend viel zu spät zu Hause ankam, musste ich mir eine Standpauke von Frau Shadow anhören, die es gewaltig in sich hatte. Offenbar hatte sich die alte Frau wieder viel zu viele Sorgen gemacht und das hatte sie mir deutlich zu spüren gegeben. Anlässlich dessen verordnete sie mir Hausarrest, was mich sehr überraschte, da sie noch nie zu solchen Mitteln gegriffen hatte. Diesmal hatte ich es wohl zu weit getrieben und die Grenzen ausgekostet.

Ich hockte im Schneidersitz auf meinem Strohbett, welches mit einem weißen Laken überzogen war und sehr unbequem war. Manchmal fragte ich mich, ob das wirklich das Leben war, was ich verdient hatte. Laut seufzend starrte ich grimmig durch das viereckige Fenster in der Holzwand. Diese Hütte war wirklich kurz vorm Zusammenbrechen und bei jeder Bewegung durchfuhr mich die Angst, das dies wirklich passieren könnte.

Ungeduldig tippte ich mit den Fingern auf meinem Knie herum und dachte darüber nach, was ich machen sollte. Es war nicht fair, dass ich hier auf meinem schäbigen Zimmer hocken musste, während die Welt sich da draußen ohne mich weiterdrehte. Mir rannte die Zeit davon, wobei ich nicht einmal wusste, wofür. Ich wollte endlich etwas aus meinem Leben machen. In diesem Moment durchströmte eine gewaltige Wut auf Frau Shadow meinen Körper, die mich zusammenzucken ließ. Was war mit mir los? So etwas hatte ich noch nie gespürt und auf einmal schämte ich mich, dass ich wütend auf Frau Shadow war. Immerhin verdankte ich ihr streng genommen mein ganzes Leben. Auch, wenn die Strafe meiner Meinung nach etwas zu streng war, sollte ich Frau Shadow für alles dankbar sein.

Aufgewühlt versteckte ich mich kurzerhand unter meiner weißen Baumwolldecke, die bereits ziemlich ausgewaschen war und kauerte mich zusammen. Ich sollte einfach glücklich mit dem sein, was ich hatte.

Leicht blinzelnd schlug ich meine Augenlider auf, als ich eine mir unbekannte Stimme vernahm. Sie schien aus dem Wohnzimmer zu kommen. Verwirrt schob ich die Decke von mir weg, da ich unter ihr eingeschlafen war. Sofort sog ich die wohltuende frische Luft ein und richtete meinen Blick auf die dunkelbraune Tür meines Zimmers. Normalerweise bekamen Frau Shadow und ich nie Besuch, weshalb ich vorsichtig zur Tür tapste und mein rechtes Ohr an die Tür legte, um zu lauschen.

„Es ist nicht besonders schön hier, aber du bist jederzeit willkommen in meiner Hütte, Chloé.", ertönte Frau Shadows sanfte Stimme, gefolgt von mehreren Schritten, die durch das Zimmer wanderten.

„Mir macht das nichts aus. Hauptsache ich muss nicht dorthin zurück.", hörte ich eine unbekannte Mädchenstimme sagen, die Frau Shadows sanfter beruhigender Stimme große Konkurrenz machte. Die Stimme war ziemlich hoch und doch klang sie selbstbewusst. Da war definitiv ein Mädchen bei Frau Shadow, doch ich verstand nicht so recht, worüber die beiden sich unterhielten.

„Jemand belauscht uns. Ich schätze hier wohnt noch eine weitere Person?", sagte die Mädchenstimme und ich stolperte betroffen zurück. Woher wusste sie, dass ich ihnen gelauscht hatte? Schnell lief ich rüber zu meinem Schreibtisch und tat so, als würde ich durch ein Buch blättern.

Frau Shadows Kichern durchhallte den Raum.

„Ja, ich lebe hier zusammen mit meinem Sohn Kiran.", erklärte die alte Frau ruhig und ihre Schritte kamen meiner Zimmertür immer näher.

Sofort durchflutete mich große Angst. Wer auch immer mich dort draußen erwischt hatte, ich wollte diese Person nicht kennenlernen. Die Mädchenstimme musste jetzt ziemlich schlecht von mir denken und das machte mir Angst. Unruhig fuhr ich herum und wandte der Tür den Rücken zu, um den Schein zu wahren, dass ich ihnen nicht beim Sprechen zugehört hatte.

Erst später ging ich in Gedanken noch einmal durch, was Frau Shadow da vorhin gesagt hatte. Sie sah mich als ihren Sohn an und mir wurde warm ums Herz, wenn ich an diese Tatsache dachte. Ich hatte nie einen Vater oder eine Mutter gehabt und es stimmte mich glücklich, dass mich endlich jemand als seinen Sohn haben wollte. Währenddessen verflog die Angst wie von selbst, als die Tür auch schon im großen Bogen aufschwang.

Every Light Goes OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt