"Schwuchtel", "Geh sterben!", "Guck uns nicht an du bist abartig!"
Sätze die sein Alltag waren. Täglich wurde er beleidigt, verprügelt oder - im besten Fall - ignoriert. Jahrelang ging es so, keiner hat sich für ihn eingesetzt, keiner hat ihn verteidigt und das verletzte ihn, er tat als würde es ihn nicht stören aber das tat es. Jede Nacht weinte er sich in den Schlaf, so lange war er nicht mehr glücklich, dass er schon fast vergessen hatte wie es war. Manchmal fragte er sich wie es ist richtig zu fühlen, weil er es nicht mehr wusste. Er fand eine Rasierklinge und er liebte es wie sie durch seine Haut schnitt, so leicht als wäre sie Papier. Sie ließ ihn fühlen und er liebte es. Es war eine Sucht. Ohne seine Klinge und ohne den ständigen Schmerz konnte er nicht leben, aber etwas - oder jemand - sollte schon sehr bald in sein Leben treten und alles ändern.
Als er an diesem Tag in die Schule kam schien alles gleich, die einen ignorierten ihn, die anderen warfen ihm Beleidigungen an den Kopf und diese eine Gruppe zerrte ihn in eine Ecke und verprügelte ihn wie immer. Und das war der Tag an dem er eine Entscheidung traf. Heute war ein besonderer Tag, der Tag seines Todes. Den restlichen Tag hätte man fast meinen können er sei glücklich, aber er war nur erleichtert das alles bald ein Ende hatte. In der Mittagspause ging er anders als sonst etwas essen. Er würde heute sterben da war es egal ob er noch zunahm. Alle Leute wichen ihm aus und er setzte sich ganz hinten in die Ecke ganz allein. Er war immer allein. Bei dem Geräusch eines Tablettes blickte er auf und merkte, dass sich ein Junge vor ihn gesetzt hatte. Er war wunderschön. Der Junge fragte zaghaft ob er sich setzten könne. Mehr als ein Nicken brachte er nicht zu stande. Der Junge musste neu sein, er hatte ihn noch nie gesehen außerdem setzte sich nie jemand zu ihm. Sie kamen ins Gespräch und dieser neue Junge war - obwohl sie sich erst eine Stunde kannten - der beste Freund den er je hatte.
Doch es dauerte nicht lange bis der Neue merkte das der Junge anders war, das er gemieden wurde. Er hörte was andere sagten und es verletzte ihn das einem unschuldigen Jungen solche Beleidigungen zugerufen werden und er wollte ihm helfen. Aber wie?
Der Neue war immer bei ihm, er ließ ihn nicht alleine. Nachmittags lud er sich selbst ein und der Junge spürte seit langem wieder Glück. Vor über einem Monat hatte er sich gesagt sein letzter Tag sei gekommen aber er lebte noch. Dank dem neuen. Er hatte sich für ihn eingesetzt war immer für ihn da und es schien als hätte er endlich Glück. Aber er bemerkte wie auch der Neue gemieden wurde, wie er beleidigt wurde und einmal beobachtete er wie er verprügelt wurde und er wusste es war seine Schuld. Er verdiente es nicht zu leben, jeder der Zeit mit ihm verbrachte wurde gemobbt. Das konnte er dem Jungen nicht antun, er liebte ihn, er sollte ein besseres Leben haben. Mit Tränen in den Augen drehte er sich um und ging nach Hause.
Ich kann heute nicht. Bye x
Tippte er und schickte es ab bevor er leicht lächelnd ins Bad ging und die Schlaftabletten holte.
Er merkte, dass etwas nicht stimmte als er die Nachricht bekam. Etwas war anders und er war sich sicher, dass es nichts gutes war. Er verließ die Schule und lief zu dem Jungen nach Hause. Die Tür war abgeschlossen und es war kein Auto in der Einfahrt doch im Zimmer des Junges brannte Licht. Er nahm den Ersatzschlüssel aus der Blumenvase und schritt mit zittrigen Beinen die Treppen hoch. Leise öffnete er die Tür und was er sah ließ ihn kurz aufkeuchen. Sein bester Freund lag auf dem Bett eine leere Schachtel Schlaftabletten in der Hand und die Augen geschlossen. "Wach auf!" rief er, "Verlass mich nicht!" seine Augenlider flatterten. "Ohne mich bist du besser dran." murmelte der Junge. "Nein! Bitte, ich liebe dich!" sagte er und seine Stimme brach. Die ersten Tränen liefen über sein Gesicht aber er machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen. "Ich liebe dich auch", lächelte der Junge "aber es ist zu spät." und das waren seine letzten Worte bevor er seine Augen schloss und seine Brust sich nicht mehr bewegte. "Nein!" schrie er und brach heulend zusammen. Er griff nach der Hand des Toten sie war warm und er sah aus als wurde er schlafen. Ein Zettel fiel aus seiner Hand und zitternd öffnete er ihn. Es war ein Brief an ihn, ein Abschiedsbrief. Die verwischte Tinte zeigte, dass Tränen über das Papier gelaufen sind und er begann zu lesen.
Wenn du das hier liest, bin ich warscheinlich schon tot. Viele würden sich jetzt vielleicht entschuldigen aber ich nicht. Ja, vielleicht trauerst du um mich aber du wirst mich vergessen können. Mein Leben war nie besonders schön, es gibt nicht wofür es sich gelohnt hätte zu leben.
Ich habe es dir nie gesagt aber der Tag an dem ich dich kennenlernte, war der Tag an dem ich vorhatte zu sterben. Du bist der Grund warum ich geblieben bin. Vom ersten Moment an hast du mich verzaubert und mit dir an meiner Seite war ich zum ersten Mal seit langem annähernd glücklich.
Ich hätte es wissen müssen, ich hätte wissen müssen, dass du es nicht leicht haben wirst, wenn du mit mir Zeit verbringst. Ich habe gesehen, dass auch du ignoriert wirst. Ich habe gesehen, wie auch du beleidigt wurdest. Ich musste mit ansehen wie du verprügelt wurdest, aber ich hatte nicht den Mut dir zu helfen. Es tut mir so unendlich leid was dir meinetwegen passiert ist.
Ich will nicht, dass dir all das passiert und ich weiß es ist meine Schuld. Ich sollte mich von dir fernhalten, aber du bist das letzte was mich noch am Leben hält.
Vergiss mich, starte ein neues Leben. Zeig ihnen wie wundervoll du bist und lass sie bereuen dich beleidigt zu haben. Ich glaube an dich und ich werde da sein wenn du mich brauchst. Ich liebe dich.
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Ich hoffe das ganze ist nicht zu verwirrend mit den Sichtwechseln. Ich wollte den Jungen keine Namen geben, keine Ahnung wieso... Ich fand es passte so einfach besser.