Prolog: Blutiger Mond

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Feuer, Flammen, Rauch und Funken zerstörten ihre Welt.
Ein praller Vollmond, getränkt im Blut seiner aberhunderten Kinder, warf seinen blutigen roten Schein über das grausame Geschehen und es schien, als würde sich selbst im Himmel bereits der vergossene Lebenssaft der Massakersopfer sammeln, um sich in naher Zukunft in rubinfarbenen Tränen über die verlorene Welt zu ergießen.

"Lauft!", schallte ein einzelner Schrei durch das Brüllen des verzehrenden Feuers zu ihm herüber, er konnte nicht ausmachen, von wem das verzweifelte Wort stammte. Schwere Pfoten trommelten auf den Boden, gruben die Klauen in die weiche Erde, stießen sich kraftvoll ab, rannten schneller, immer schneller.

Ein schlanker und ebenso tödlicher Pfeil sauste haarscharf an ihm vorbei und durchbohrte den Läufer links neben ihm mit vernichtender Präzision. Das Jaulen war ohrenbetäubend, der kräftige, schlanke Körper brach in sich zusammen, pflügte über den aufgewühlten Boden und blieb reglos liegen. Hechelnd, die Zunge schlaff und trocken aus dem Maul hängend jagte er an dem Toten vorbei; kurz darauf erscholl der animalische Triumphruf des Mörders in seinen Trommelfellen. Wütend schüttelte er sich, presste gerade noch rechtzeitig die Lider zusammen und durchbrach das verschlungene Dickicht an Dornen vor sich ohne auf die wild peitschenden Ranken zu achten, die ihm Fell und Haut vom Leib rissen. Frisch glänzendes Blut benetzte das schmutzige Braun der nadelartigen Dornen.

Seines.

Seine langen Beine brannten, die Fußballen seiner Pfoten loderten in einem Feuer, als liefe er über die Gluten der Hölle. Ein goldener Blitz raste an ihm vorbei, überrascht zog er die Zunge ins Maul zurück, schluckte trocken und rang dann wieder gierig nach Luft, während ein warmer Mantel sich um sein heftig hämmerndes Herz legte.

Siryna. Sie lebte noch.

Kurzerhand entschloss er sich ihrer geschmeidigen Gestalt zu folgen, drehte nach rechts ab und sprang mit einem mühsamen Satz über eine mörderische Bodenspalte, die sich durch die Hitze und den faulen Zauber dieses Hinterhalts geöffnet hatte und nur darauf wartete, unachtsame, geschwächte Opfer zu verschlingen. Ein gellender Schrei erklang, augenblicklich fixierte Sirynas bernsteinfarbene Iris ihn von vorne, bohrte sich in seine und wandte sich dann erleichtert darüber, dass es ihn nicht erwischt hatte, wieder ab, um gerade noch rechtzeitig einer hochgewachsenen Gestalt auszuweichen, die aus dem Nichts hervorschoss und mit einem Schwert nach ihr schlug. Der silberne Schemen durchschnitt die Luft über ihrem Rücken innerhalb des Bruchteils einer Sekunde-für diesen einen Moment war er wie gebannt von der langen, eleganten Waffe, die nach dem Blut Sirynas lechzte.

Ein winziges, kaum wahrnehmbares Haarbüschel wirbelte in die Luft, als die Klinge Sirynas gesträubte Rute streifte, erinnerte mit seinen grazilen Drehungen an einen dieser seltenen, kleinen Morgenlichtdrachen, die er bisher nur einmal in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Damals war er erst zehn Jahre alt gewesen, sorglos durch ihre Wälder spazierend und die kribbelnde Kehle kurz am Wasser eines schmalen Baches erfrischend, als dieses wunderschöne Wesen furchtlos vor ihm aufgeflogen war, sich mit gekonnten Drehungen in die Höhe geschraubt hatte und im hellgrünen Blätterdach der neu erwachten Blätter des Frühlings verschwunden war...

Ein scharfer Schmerz durchstieß seine Flanke, riss ihn brutal in die blutgetränkte Realität zurück und ließ seinen Körper erstarren-weniger vor Schmerz, als das eiskalte Silber in sein Fleisch drang, sondern viel mehr durch den Schock dieses kalten Feuers, welches dem Schwert anhaftete und nun durch seine Nervenbahnen raste. Er jaulte auf, fletschte die Zähne, warf sich blindlings zur Seite, um diesem Eis zu entkommen, welches all seine Muskeln gefrieren ließ, spürte, wie die Spitze der Waffe aus der Wunde glitt, noch einmal über seine Haut schabte und dann verschwand. Pechfarbenes Blut spritzte ihm ins Gesicht, erschrocken blinzelte er die ölige Flüssigkeit weg und krümmte sich, als sein Körper letztendlich doch auf die gefährliche Verletzung reagierte, beißende Säure sich in die rohen Muskeln seiner rechten Körperseite fraß.

Er brüllte; brüllte, wie er es noch nie in seinem Leben getan hatte. Erbebte unter seiner eigenen Stimme, wurde taub und blind durch sie, fühlte nur noch stumpf, wie weiteres schwarzes Blut in sein Fell sickerte und es mit seiner dickflüssigen Substanz verklebte. Eigentlich hätte er sich ekeln müssen; ekeln vor der Flüssigkeit, die seinen Feind am Leben erhielt, doch das Feuerinferno in seinem Inneren war zu stark, ließ alles um ihn herum und in ihm drin in Flammen aufgehen. Er sah nur noch Schmerz. Roch ihn. Hörte ihn. Fühlte ihn. Schmeckte ihn.

"Keena'in!", sirrte eine verzerrte Stimme in seinen flatternden Sinnen, etwas Feuchtes, Ausgetrocknetes leckte ihm über die halb geschlossenen Lider, Muskeln und Knochen stemmten sich gegen seine eigenen.

Überrascht registrierte Keena'in, dass er lag. Er hätte schwören können, dass er noch immer atemlos, dem Zusammenbruch nahe über die sterbende Ebene hetzte, seine Tatzen auf die Gluten der Hölle trommelten, sein Kopf im Takt wippte, auf und ab und auf und ab und auf und ab...

"Keena'in!", winselte die glockenhelle Stimme erneut. "Du darfst nicht sterben! Lass dich nicht durch das Gift lähmen! Bitte, ich flehe dich an, wir müssen überleben!"

Keena'ins Lefzen versuchten Worte zu formen, er versuchte ohne Stimmbänder zu sprechen, ihr stumm mitzuteilen, dass er noch lebte, dass er noch bei Bewusstsein war, doch er scheiterte kläglich. Lediglich ein Strom an heißer Luft entwich seinen zusammengepressten Kiefern und beugte das letzte bisschen angekokeltes Gras, welches er noch in seinem verengten Sichtfeld erhaschen konnte, während die dunklen Ränder sich immer weiter ausweiteten.

"Keena'in!" Ihm war klar, dass diese Rufe nicht durch sein Gehör in seinen Kopf drangen. Nein, sie waren schon dort. Entstanden dort. Formten dort ihre Absichten, übermittelt und verlautet durch das innere Band zu den Artgenossen in seinem Herzen. Jemand oder etwas drückte die Wulst in seinem Nackenbereich unsanft zusammen, sodass er versucht war, nach diesem Rüpel zu schnappen, wäre er nicht vom Genick abwärts bewegungsunfähig, und zerrte den sperrigen Klotz, zu dem er geworden war, entschlossen über den Boden, Speichel sickerte in sein dichtes Fell ein, auch das ekelte ihn nicht. Ein dumpfes Pochen bemächtigte sich seines Befindens, jedes einzelne Härchen an ihm erzitterte unter dieser Wucht; dieser unnachgiebigen, angestrengten Entschlossenheit, weiterzuschlagen, Blut durch seine Adern zu pumpen, die Sauerstoffzufuhr zu regeln, ihn am Leben zu erhalten. Warum kämpfte sein Herz, aber er nicht? Warum war alles an ihm wie versteinert durch dieses frostige Gift, nur dieses faustgroße Ding, was in seiner Brust lag, nicht? Warum konnte es sich dermaßen sträuben, aber er selbst nicht? War er zu schwach? War er generell schwach?

Bumm... bumm........... bumm.........bumm..................bumm..................

........................bumm.

Er verdrehte die Augen, seine Lider senkten sich hinab und tauchten die sterbende Welt um ihn herum in friedliche Dunkelheit. Dolchartige Fänge verbissen sich in ihm, eigentlich hätte er einen weiteren Schmerz spüren sollen, doch nichts drang durch den dicken, lieblichen Mantel, den die Schwärze um ihn gelegt hatte. Einzig und allein seinen Magen fühlte er noch.
Wie er rebellierte, rumorte und sich auf den Kopf stellte, als der in ihm verbissene Jemand die Geister des Waldes rief und gemeinsam mit seinem halbtoten Körper in den Schatten verschwand.

Heeey, ich hoffe, es hat euch bis hierher gefallen!:) Dies hier ist schon eine etwas ältere Geschichte von mir, die ich durch einen plötzlichen (leicht gruseligen xD) Impuls wieder aus den Tiefen meiner Schreibtischschublade hervorgekramt hab, um sie doch mal hier zu veröffentlichen, könnte ja sein, dass es jemandem gefällt:D Als ich die Geschichte schrieb, war ich vielleicht zwölf Jahre oder so alt... zumindest in der sechsten Klasse (#diesewunderbarenerinnerungenxD), also nicht wundern, wenn die Handlung oder der Schreibstil meinen jetzigen Büchern irgendwie nicht gleichen sollten;) Wie immer freue ich mich über konstruktive Kritik eurerseits (viel mehr als über Votes, die helfen ja nicht zum Verbessern:o), aber auch über jedes lustige Kommentar!
Das war's dann auch schon wieder von mir:)
LG Wolfii13

Rot ~ Im Zeichen des BlutesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt