Prolog

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„Marie!", tönte es durch die Einrichtung. „Zeige mir die Aufnahme von vorhin!"
Ein großgewachsener, dürrer Mann, mit schwarzen, wuscheligen Haaren und grauen Augen, betrat vor einer jungen Frau einen Raum. Dieser war nicht gerade groß, er war bestückt mit einem kleinen Tisch, auf dem ein Monitor draufstand. Zusätzlich stand noch ein Stuhl vor dem Tisch, auf welchen sich der Mann auch sogleich, mit einem abfälligen, kalten Schnauben sinken ließ. Er rutschte etwas an der Lehne herunter, faltete die Hände dann vor der Brust und schaute die Frau, die mit ihrem durchgestrecktem Rücken, den Händen dahinter verschränkt, dem unbeweglichem Gesicht und dem straffen Dutt auf ihrem Kopf, ziemlich streng aussah, an.

Sie trat sogleich vor und begann an dem Monitor herumzutüfteln. Der Mann schaute bloß zu und betrachtete nebenbei sein Spiegelbild auf dem noch schwarzen Bildschirm.
Dann flackerte der Bildschirm kurz. Die Frau trat zurück und stellte sich wieder gerade hin. Sie beobachtete regungslos, wie der Mann seine schwarzen Haare mit der rechten Hand durchfuhr, dann seine Hände aneinander rieb und sich mit grauenhafter Vorfreude nach vorne beugte.

Direkt darauf wurde das Bild eines Raumes sichtbar, der Boden bestand aus modernden Dielenbrettern und ansonsten konnte man noch die Wand mit der bereits abgeblätterten Tapete sehen. Kurz darauf ertönten bereits gedämpft Schritte, welche von dem Monitor auszugehen schienen. Man hörte eine Tür klappern, gleich darauf ein schleifendes Geräusch.
Darauf folgte Stille.

Bei der nächsten Szene die gezeigt wurde, wäre wohl jedes menschliche Wesen zusammengezuckt, denn auf einmal wurde der Monitor, beziehungsweise die Kamera zur Seite geschwenkt.
Sie wurde direkt auf einen Mann gerichtet, dessen braunes, langes Haar verschwitzt, fettig und verfilzt in seinem Gesicht hing.
Sein Gesicht war entstellt, seine Lippe war aufgeplatzt, eine große, offene Wunde zog sich quer über sein Gesicht und dort, wo sein linkes Auge sitzen sollte, war nur eine leere Hülle, die von Blut verkrustet war.
Der Mann schien panisch und er umfasste mit zitternden Händen und einem flehenden Blick in seinem Auge erneut die Kamera.

„Wer auch immer mich hören kann", fing er mit zitternder Stimme und einem flüchtigen Blick zur Seite an, „die Mauer Amusicas ist gefallen, der Norden Canorixas ist von ihnen erobert!"
Der schwarzhaarige Mann, der noch immer selenruhig vor dem Monitor saß, lächelte leicht und warf der Frau neben ihm einen Blick zu.

Dieser schien ihr mitteilen zu sollen, dass er dies bereits geahnt und nur auf eine Bestätigung gewartet hatte.

„Hört mir zu!", fing der ramponierte Mann von neuem an. „Mein Trupp ist gefallen! Die unangefochtene, ehrehrbietende Anführerin wurde gestürzt! All unsere Hoffnung für Amusica hinfort!
Wir sind blindlings in die Falle des Feindes getappt. Blind vor Hass und Trauer." Der Mann rieb sich mit der rechten, blutbeschmierten Hand über das Gesicht. In seinem Auge stand geschrieben, dass er noch dabei war zu verarbeiten, was gleich passieren würde.
„Sie werden kommen und mich auslöschen. Den letzten Überlebenden, des Trupps der Anführerin, die am heutigen Tag den größten Fehler beging! Sie hätte Baba Jaga vertrauen sollen!
WIR hätten Baba Jaga vertrauen sollen! Die Alte hat einen schärferen Verstand, als man denkt."
Es ertönte ein seltsames Geräusch, welches sich anhörte, als würden große, schwere Füße über den Boden rennen und stolpern.
Der Mann warf erneut einen panisch flackernden Blick zur Seite. Vermutlich zur Tür.
Dann hörte man ein Knacken und wieder packte der Mann die Kamera mit beiden Händen und Speicheltropfen flogen auf die Linse als er wieder sprach.

„Die Anführerin, wie auch wir, ihre treuesten Diener, haben dumm und kopflos gehandelt! Ich entschuldige mich bei ganz Delian im Namen dieses Trupps:
Es tut uns leid! Wir werden es nie wieder gut machen können, dass wegen uns Amusica fiel und dennoch", der Mann trat einen Schritt zurück, nahm Haltung an und verbeugte sich, „Es tut uns leid, wir werden für unser Vergehen niemals bestraft werden können...
Ich wünschte es wäre so."

Die Tür barst.

„Sagt Baba Jaga, dass sie richtig lag mit ihrer Vermutung! Baba Jaga war im Recht!"

Er schrie, als ledrige, ranzige Hände, die man wohl mit einem alten Ledereinband vergleichen konnte, wenn man von der Form absah, seine erhobene Hand packten und ihn weg zehrten. Man hörte, wie er heisere Schreie und gequältes Stöhnen ausstieß, welches von den Wänden widerhallte und verstärkt zurückgeworfen wurde.
Dann hörte man ein Zischen und der Bildschirm des Monitors wurde schwarz.

Marie sah abwartend auf den Mann herunter, der gerade dabei war, sein Kinn zu kratzen. Direkt darauf sah er sie mit seinen grauen Augen fest, wenn nicht sogar leicht amüsiert, an und meinte: „Lösche die Aufnahme! Niemand darf sie zu Gesicht bekommen!"

Die Frau nickte, während der Mann sich erhob, an ihr vorbeistrich und durch die Tür nach draußen schlenderte. Durchgehend ein zufriedenes Grinsen auf dem Gesicht.

Schon machte sich die Frau daran alles zu löschen, was der braunhaarige Mann aufgenommen hatte.

Sie ahnte nicht, dass es dafür bereits zu spät sein würde.







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