7. Eine andere Zukunft

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Es war bereits Mittag als Bartosz sie endlich in einem Hafen für besondere Kunden, definitiv reich, in Stockholm einparkte. Gemeinsam mit Matthias saß er auf dem Sofa und aß was noch übrig war.

Ihr Vater hatte auf dem großen Fernseher tatsächlich eine Trash-Sendung gefunden und lachte mit Bartosz über die Teilnehmer irgendeiner Castingshow. Sie wirken, wie alte Freunde, genau wie Ava es Bartosz eingeflüstert hatte. Sie überließ die beiden dem Fernseher und freute sich auf ein wenig Einsamkeit.

Das ständige Aufeinanderhocken tat ihrem Verstand nicht gut. Sie war es gewohnt, kleine Momente zum Reflektieren zu finden und über Matthias Lachen konnte sie sich kaum denken hören. Eine warme Dusche wäre in diesem Augenblick genau richtig, nachdem sie die halbe Nacht einen Meter davon entfernt vor dem Klo verbracht hatte. Noch nie war sie einer ordentlich geputzten Toilette so dankbar gewesen.

Sorgfältig verschloss sie die Tür und entkleidete sich langsam. Von weitem hörte sie Matthias laut reden und schmunzelte. Es war schön, dass zumindest er seine Probleme ignorieren konnte. Sie war sich beinahe sicher, dass die nächtliche Kotzerei den überstrapazierten Nerven geschuldet war. Mit verkrampften Schultern stand sie vor dem Spiegel und kontrollierte die diversen Verletzungen ihres Körpers.

Die Schusswunde verheilte ausgesprochen gut. Es würde eine hässliche Narbe werden, aber neben den Geburtsmalen kaum der Rede wert. Die blauen Flecken verschwanden zunehmend und wenn nicht diese plötzliche Übelkeit gewesen wäre, hätte sie sich heute für Gesund erklärt.

Genervt von der ganzen Situation stieg sie hinter die gläserne Duschwand und schaltete das Wasser ein. Zunächst kalt, verwandelte es sich schnell in kochend heiß. In siedenden Bächen floss es über ihre verspannten Muskeln, lockerten und wärmte sie. Die Übelkeit schwand, die Müdigkeit trat in den Vordergrund. Erschöpft legte sie den Kopf gegen die kalten Fließen in der Hoffnung dadurch wach zu bleiben.

"Will...kannst du mich hören? Kannst du mich fühlen?", selbst wenn er ihre Emotionen über diese Distanz wahrnehmen könnte, eine Antwort würde ausbleiben. Sie hatten das Band zwischen ihnen nie in beide Richtungen zwingen können.

"Ich liebe dich.", flüsterte sie heißer im nebligem Wasserdampf und spürte die Sehnsucht Wellen in ihrem Körper schlagen. Wie in Trance begann sie sich einzuseifen. Bartosz teure Seife roch nach Jasmin und Honig. Sie fuhr über die Schultern, die Beine und schließlich den Bauch.

Perplex hielt sie inne und strich erneut über das weiche Stück Haut. Etwas war anders. Etwas hatte sich verändert. Etwas war gewachsen. Krachend fiel die Seife auf den Duschboden. Ava lehnte sich zitternd an die Glaswand und schloss die Augen.

Das konnte nicht wahr sein, durfte nicht wahr sein. In ihrem Kopf begann sie die Tage, die Monate zu zählen und konnte doch das untrügliche Gefühl der Veränderung nicht ignorieren. Ihr Körper hatte sich verändert, daran gab es nichts zu rütteln.

Hastig drehte sie das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Ihre Bewegungen waren abgeharkt und steif, ihr Körper fühlte sich nicht mehr wie ihrer an. Sie wollte runter von diesem Boot, musste Gewissheit in einer ohnehin ungewissen Zeit haben. Kopflos zog sie sich an und trat zu ihrem Vater in den Hauptraum unter Deck. Matthias warf ihr einen verwunderten Blick zu.

"Müssen wir schon los? Ich dachte, wir könnten hier frühstücken." "Das kannst du ruhig machen. Ich muss was besorgen, Frauensachen. Sollte nicht lange dauern." Er runzelte die Stirn, schielte halb auf den Fernseher.

"Soll ich dich begleiten?", war offensichtlich seiner aufkeimenden Vatersorge zuzuschreiben. Ava schüttelte den Kopf. "Bleib hier. Ich komme bald wieder."

"Du machst aber nichts Dummes, oder?" "Ohne dich? Niemals. Bis später." Sie kletterte aufs Deck und schließlich auf den hölzernen Steg des Piers. Bartosz rief ihr noch etwas nach, aber Ava hatte keine Nerven sich mit ihm zu unterhalten oder Matthias gar als Dolmetscher einzubinden.

Sündenfall- Erbsünde 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt